Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

Di­dak­ti­sche Hin­wei­se & Ver­net­zung

Di­dak­ti­sche Hin­wei­se

Schil­lers Erst­lings­dra­ma er­freut sich nicht nur einer an­hal­ten­den Auf­merk­sam­keit der Phi­lo­lo­gie, son­dern ist eben­falls schon seit lan­gem eine be­lieb­te Schul­lek­tü­re.

Die li­te­ra­ri­sche Spra­che in Die Räu­ber, ins­be­son­de­re etwa in Franz’ gro­ßen Ein­gangs­mo­no­lo­gen, stellt für Schü­le­rin­nen und Schü­ler eine Her­aus­for­de­rung dar. Es emp­fiehlt sich daher, die ge­mein­sa­me Lek­tü­re mit einer prä­gnan­ten und ein­la­den­den Szene zu er­öff­nen, etwa mit der ‚Schwur­sze­ne’ (vgl. das Ende von I, 2), in der sich Karl vom Vater, der Ge­sell­schaft und ihren Wer­ten aus Ent­täu­schung über die schein­bar ver­lo­re­ne Va­ter­lie­be los­sagt und be­schließt, Räu­ber­haupt­mann zu wer­den. Er­kennt man Karls Ge­müts­la­ge und sei­nen zen­tra­len Kon­flikt, lässt sich über den wei­te­ren Fort­gang der Hand­lung spe­ku­lie­ren.

Um vor­zu­beu­gen, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler nach einer ers­ten Cha­rak­te­ri­sie­rung der bei­den Brü­der vor­schnell Karl ein­sei­tig als Sym­pa­thi­san­ten und edlen Selbst­hel­fer sowie Franz als nie­der­träch­ti­gen Ver­bre­cher ein­stu­fen, soll­ten sie im Laufe der Dra­men­hand­lung dafür sen­si­bi­li­siert wer­den, dass beide Brü­der auch ver­blüf­fen­de Ge­mein­sam­kei­ten auf­wei­sen. So ist Karl kei­nes­wegs ein un­ge­bro­che­ner Held, da er eben­falls als Ego­ma­ne und herrsch­süch­ti­ger An­füh­rer sei­ner Räu­ber­ban­de auf­tritt. So glei­chen sich etwa ihr ab­so­lu­ter Macht­an­spruch, ihre nar­ziss­ti­schen Züge, ihr Hang zur Ei­gen­ge­setz­lich­keit und ihre kri­ti­sche Hal­tung der Kir­che ge­gen­über. Letzt­lich re­sul­tie­ren ihre ra­di­ka­len Macht­an­sprü­che aus einer ver­letz­ten Va­ter­lie­be (vgl. Britt­nach­er 2011, Sau­ter­meis­ter 2013). Ex­po­niert man von ihnen ver­schie­de­ne Zi­ta­te ex­em­pla­risch, zeigt sich, dass diese oft­mals von bei­den stam­men könn­ten. Wäh­rend Karl indes zeit­wei­se fähig ist, sich als „so häss­lich auf die­ser schö­nen Welt“ und als „ein Un­ge­heu­er auf die­ser herr­li­chen Erde“ in der ‚Do­nau­sze­ne‘ (vgl. III, 2) zu re­flek­tie­ren, wer­den Franz nur im Angst­zu­stand an­ge­sichts des Jüngs­ten Ge­richts sei­ner Grenz­über­schrei­tun­gen be­wusst. Über­dies ist das Ende des Dra­mas mit den Schü­le­rin­nen und Schü­lern kri­tisch da­hin­ge­hend zu be­spre­chen, als dass noch­mals Karls über­stei­ger­te Selbst­lie­be und sein Hang zur In­sze­nie­rung von Op­fern zum Vor­schein kom­men.

Nach einer Ana­ly­se der kom­ple­xen Bru­der­ri­va­li­tät soll­te in di­dak­ti­scher Hin­sicht auch die pro­ble­ma­ti­sche Rolle des Va­ters näher be­leuch­tet wer­den, der als ein ty­pi­scher Ver­tre­ter der Emp­find­sam­keit auf­grund sei­ner Leicht­gläu­big­keit, Weich­heit und Rühr­se­lig­keit die ab­nor­men Hand­lun­gen sei­ner Söhne und ihre Bru­der­ri­va­li­tät be­güns­tigt. Mit un­ter­drück­ten Mo­no­lo­gen oder der Tech­nik des Bei­sei­te-Spre­chens kann etwa die wahre Hal­tung des Schau­spie­lers Franz’ (vgl. Mar­tus 2013) im Ge­spräch mit dem Vater ein­gangs her­aus­ge­stellt wer­den, um die Nai­vi­tät des Va­ters deut­lich zu ma­chen.

Mit Blick auf die Räu­ber­ban­de las­sen sich mit Schü­le­rin­nen und Schü­lern v.a. die in­ter­ne Fi­gu­ren­kon­stel­la­ti­on er­ar­bei­ten (Spie­gel­berg als An­ti­po­de / Ri­va­le und Kos­ins­ky als Spie­gel­fi­gur für Karl) sowie die pro­ble­ma­ti­schen Züge der Selbst­jus­tiz zur Des­il­lu­sio­nie­rung der Robin-Hood-Imi­ta­ti­on her­aus­stel­len.

Um das Kurs­stu­fen-Ni­veau zu er­rei­chen, bie­ten sich die vie­len in­ter­tex­tu­el­len Ver­wei­se zur ver­glei­chen­den Lek­tü­re und zur Kon­textua­li­sie­rung an (etwa das von Spie­gel­berg er­wähn­te bi­bli­sche Gleich­nis Vom ver­lo­re­nen Sohn, als Vor­la­ge für den Bru­der­kon­flikt die bi­bli­schen Ge­schich­ten zu Kain und Abel oder Jo­seph und seine Brü­der ). Um Franz’ Ni­hi­lis­mus, seine Theo­rie vom Recht des Stär­ke­ren und sei­nen Ma­te­ria­lis­mus ein­ord­nen zu kön­nen, könn­ten Texte von La Met­t­rie, die An­sät­ze der So­phis­ten Kal­lik­les und Thra­sy­ma­chos in den pla­to­ni­schen Dia­lo­gen, Hob­bes’ Ge­dan­ken­ex­pe­ri­ment vom Na­tur­zu­stand, vor­aus­schau­end Texte von Nietz­sche zum Ni­hi­lis­mus und Res­sen­ti­ment oder von Dar­win the­ma­ti­siert wer­den (vgl. Wa­cker 2016). Er­kennt man in Karl ein schei­tern­des Genie und in Franz einen per­ver­tier­ten Auf­klä­rer, sind Texte zum Ge­nie­dis­kurs (etwa Goe­thes Pro­me­theus-Hymne und Goe­thes Lob­re­de auf Shake­speare als Genie) oder Ar­ti­kel zur Dia­lek­tik der Auf­klä­rung auf­schluss­reich (vgl. Wa­cker 2016). Franz’ Rück­fall in re­li­giö­se Denk­mus­ter kann mit Bil­dern und bi­bli­schen Tex­ten zum Jüngs­ten Ge­richt an­schau­lich dar­ge­stellt wer­den.

Zur Schuld­fra­ge der ver­schie­de­nen Cha­rak­te­re lässt sich ab­schlie­ßend auch eine fik­ti­ve Ge­richts­ver­hand­lung von den Schü­le­rin­nen und Schü­lern vor­be­rei­ten, wo auch Fra­gen nach den Gren­zen der Selbst­jus­tiz oder nach den mil­dern­den Um­stän­den für ver­gan­ge­ne Ver­bre­chen dis­ku­tiert wer­den kön­nen.

Ver­net­zung

  • Jo­hann Wolf­gang von Goe­the: Pro­me­theus

  • Bibel: Der ver­lo­re­ne Sohn

  • Bibel: Kain und Abel

  • Kleist: Mi­cha­el Kohl­haas (Recht und Ge­rech­tig­keit)

  • Kafka: Der Pro­zess (Recht und Ge­rech­tig­keit)

Text­aus­ga­ben:

Schil­ler, Fried­rich: Die Räu­ber. Ein Schau­spiel. An­mer­kun­gen von Chris­ti­an Grawe. Stutt­gart, durch­ge­se­he­ne Aus­ga­be 2001.

Schil­ler, Fried­rich: Die Räu­ber. In: Fried­rich Schil­ler. Sämt­li­che Werke. Auf Grund der Ori­gi­nal­dru­cke her­aus­ge­ge­ben von Ger­hard Fri­cke und Her­bert G. Göp­fert in Ver­bin­dung mit Her­bert Stu­ben­rauch. Ers­ter Band: Ge­dich­te / Dra­men I. Mün­chen 1980, 481-635.

Schil­ler: „Räu­ber“: Her­un­ter­la­den [pdf][184 KB]