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Di­dak­ti­sche Hin­wei­se & Ver­net­zung

Di­dak­ti­sche Hin­wei­se

Die li­te­ra­tur­ge­schicht­li­che Ver­an­ke­rung des Ro­mans zwi­schen Auf­klä­rung und Ro­man­tik sowie die Ana­ly­se des Tex­tes wei­sen den Weg zu des­sen Di­dak­ti­sie­rung. Eine sinn­vol­le Re­zep­ti­on des Ro­mans durch die Schü­le­rin­nen und Schü­ler setzt Kennt­nis­se der we­sent­li­chen Merk­ma­le und For­de­run­gen der Auf­klä­rung und der Ro­man­tik vor­aus. Über ein­schlä­gi­ge pro­gram­ma­ti­sche Pri­mär­tex­te (Kant, Wie­land, Men­dels­sohn / Schle­gel, Schlei­er­ma­cher, Fich­te, vgl. Aus­zü­ge z.B. in Blick­feld Deutsch Ober­stu­fe) oder auch in­for­ma­tiv-kom­pak­te Se­kun­där­tex­te kön­nen ge­zielt Vor­wis­sens­be­stän­de zu den Haupt­mo­ti­ven und Ziel­set­zun­gen bei­der Epo­chen er­zeugt wer­den. Auf­grund der zu­neh­men­den Vor­be­hal­te heu­ti­ger Re­zi­pi­en­tin­nen und Re­zi­pi­en­ten ge­gen­über kom­ple­xen äl­te­ren li­te­ra­ri­schen Tex­ten muss die Mög­lich­keit einer ei­gen­stän­di­gen Lek­tü­re durch den Kurs genau ge­prüft wer­den. Bei durch­ge­hend hoher Le­se­mo­ti­va­ti­on und -kom­pe­tenz sowie einem aus­ge­präg­ten Er­kennt­nis­in­ter­es­se der Kurs­teil­neh­me­rin­nen und Kurs­teil­neh­mer an den im Roman ver­han­del­ten The­men kann eine ei­gen­stän­di­ge Erst­be­geg­nung er­folg­reich sein. Eine suk­zes­si­ve Lek­tü­re und Be­hand­lung des Tex­tes könn­te sich des­sen klare Ein­tei­lung in ein­zel­ne Er­zähl­pha­sen zu­nut­ze ma­chen und etwa fol­gen­de As­pek­te ent­hal­ten:

  • Ka­pi­tel 1 - 5 (Ge­gen­warts­ebe­ne): Fi­gu­ren­kon­stel­la­ti­on; Cha­rak­te­ri­sie­run­gen; das Ge­sell­schafts­mo­dell der Schwar­zen­bergs

  • Ka­pi­tel 6 - 10 (Ver­gan­gen­heits­ebe­ne): Flo­ren­tins Le­bens­ge­schich­te – Epi­so­den/Ver­lauf; Re­li­gi­ons- und Zeit­kri­tik; er­wei­ter­te Cha­rak­te­ri­sie­rung Flo­ren­tins; ro­man­ti­sche Mo­ti­ve; ‚Die ver­schla­fe­ne Lie­bes­nacht‘ (In­ter­pre­ta­ti­on und Deu­tung)

  • Ka­pi­tel 11 - 15 (Ge­gen­warts­ebe­ne: die Nacht in der Mühle): Ge­schlech­ter­rol­len und –be­zie­hun­gen; Ju­lia­nes ‚Geis­ter­ge­schich­te‘ (In­ter­pre­ta­ti­on und Deu­tung); Liebe und Freund­schaft im Ver­hält­nis Flo­ren­tin-Ju­lia­ne-Edu­ard; Flo­ren­tin als Kon­flikt-Ka­ta­ly­sa­tor

  • Ka­pi­tel 16 – 18 (Ge­gen­warts­ebe­ne: Flo­ren­tin und Cle­men­ti­na): Cha­rak­te­ri­sie­rung als schö­ne Seele und Phil­an­thro­pin; mög­li­che Be­zie­hungs­struk­tu­ren zwi­schen bei­den

  • Ge­samt­schau: Kon­tras­ti­vi­tät als Dar­stel­lungs­prin­zip; dis­kon­ti­nu­ier­li­ches Er­zäh­len und seine Wir­kung; ex­em­pla­ri­sche Ana­ly­sen von Ge­dich­ten, Brie­fen und Dia­lo­gen

Neben der text­be­zo­ge­nen Er­schlie­ßung von Merk­ma­len der Auf­klä­rung und Ro­man­tik könn­te die Be­rück­sich­ti­gung des Ent­wick­lungs­ro­mans als Er­zähl­mo­dell er­gän­zen­de in­ter­tex­tu­el­le Ein­bli­cke bie­ten. Auf der Basis einer de­fi­ni­to­ri­schen Be­stim­mung und ggf. ver­glei­chen­den Be­trach­tun­gen könn­te die Frage, ob es sich bei ‚Flo­ren­tin‘ um einen Ent­wick­lungs­ro­man han­delt, er­ör­tert wer­den. Wei­te­re er­gie­bi­ge Er­ör­te­rungs­fra­gen könn­ten sein:

  • Flo­ren­tin – Pro­to­typ eines Men­schen jen­seits der Ge­schlech­ter?

  • Ro­man­tik und Auf­klä­rung – zwei gleich­be­rech­tig­te Kräf­te im Roman?

  • Flo­ren­tin – ein frü­her Eman­zi­pa­ti­ons­ro­man?

  • Die Idee der Frei­heit und ihre Spu­ren im Roman – ro­man­ti­sche Idee oder plau­si­bles Le­bens­mo­dell?

In­ter­es­sant könn­te fer­ner die The­ma­ti­sie­rung der Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Ro­mans sein. Er war ur­sprüng­lich als zwei­tei­li­ges Werk ge­plant, wobei die im ers­ten Teil an­ge­leg­ten grö­ße­ren Hand­lungs­li­ni­en im zwei­ten wei­ter­ge­führt und zu einem Ende ge­führt wer­den soll­ten (z. B. Flo­ren­tins Weg nach Über­see, das Ge­heim­nis um Cle­men­ti­nas und Flo­ren­tins Ver­bin­dung, das wei­te­re Schick­sal des Paa­res Edu­ard und Ju­lia­ne). Do­ro­thea Schle­gels Brie­fe aus Paris (ab 1802) zei­gen, dass sie sich be­reits in­ten­siv mit einer Fort­füh­rung des Ro­mans be­schäf­tig­te und den ers­ten Band nur als Teil eines Gan­zen be­trach­te­te. Mit dem Umzug des Ehe­paa­res nach Köln (1804) und dem wach­sen­den In­ter­es­se bei­der am Ka­tho­li­zis­mus ver­sieg­te je­doch der Wunsch nach Fort­füh­rung des Ro­mans. Dass das Werk Frag­ment ge­blie­ben ist, ist eben­so dem schwie­ri­gen Ver­hält­nis Do­ro­theas zu ihrem acht Jahre jün­ge­ren Ehe­mann Fried­rich ge­schul­det. Nach der un­glück­li­chen Ehe mit Simon Veith be­gann mit ihm eine Be­zie­hung, in der sie kein Selbst­ver­trau­en ent­wi­ckel­te, zumal sie dem Je­na­er Kreis (im Ver­gleich zu Ca­ro­li­ne Schle­gel) nur mäßig in­ter­es­sant er­schien. Aus Be­wun­de­rung und auf­grund fes­ter Rol­len­er­war­tun­gen ord­ne­te sie sich Fried­rich unter und trug mit ihren Über­set­zungs­ar­bei­ten, Auf­sät­zen und Re­zen­sio­nen sowie durch ihre Bitt­ge­su­che bei Simon Veith we­sent­lich zum Un­ter­halt des ge­mein­sa­men Haus­stan­des bei, damit der Künst­ler Fried­rich nicht zum Hand­wer­ker her­un­ter­ge­drängt wer­den soll­te. Auch bei der Ver­öf­fent­li­chung ihres ers­ten und ein­zi­gen Ro­mans trat sie zu­rück: Flo­ren­tin er­schien an­onym als ein von Fried­rich Schle­gel her­aus­ge­ge­be­nes Buch (vgl. Weiß­berg 1986; 213 ff.).

Ver­net­zung

  • Wen­de­punk­te in der Li­te­ra­tur um 1800 (Ger­hard Schulz: Die deut­sche Li­te­ra­tur zwi­schen Fran­zö­si­scher Re­vo­lu­ti­on und Re­stau­ra­ti­on. Teil 1. Das Zeit­al­ter der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on: 1789–1806. Mün­chen 1983)

  • Schrift­stel­le­rin­nen der Ro­man­tik (Ar­beits­buch zur Li­te­ra­tur­ge­schich­te von Bar­ba­ra Be­cker-Can­tari­no, Mün­chen 2000)

  • Frau­en­fi­gu­ren in der Li­te­ra­tur um 1800 (Inge Ste­phan: In­sze­nier­te Weib­lich­keit. Co­die­rung der Ge­schlech­ter in der Li­te­ra­tur des 18. Jahr­hun­derts. Köln, Wei­mar, Wien 2004)

  • Ent­wick­lungs­ro­man: Goe­thes ‚Wil­helm Meis­ters Lehr­jah­re‘ (1795/96) und seine zeit­ge­nös­si­sche Re­zep­ti­on – struk­tu­rel­le Be­zü­ge

  • Fried­rich Schle­gel: Lu­cin­de (1799) – Mo­tiv­par­al­le­len

  • Lud­wig Tieck: Franz Stern­balds Wan­de­run­gen (1798) / Wil­li­am Lovell (1795/96) – dto.

  • Ca­mil­la. Eine un­be­kann­te Fort­set­zung von Do­ro­thea Schle­gels Flo­ren­tin. Jahr­buch des Frei­en Deut­schen Hoch­stifts 1965, S. 314-368

Text­aus­ga­ben:

Flo­ren­tin. Erst­druck. Hrsg. von Fried­rich Schle­gel. Lü­beck und Leip­zig 1801. On­line ver­füg­bar unter: books.​goog­le.​de

Do­ro­thea Schle­gel: Flo­ren­tin. Roman, Frag­men­te, Va­ri­an­ten. Hrsg. von Li­lia­ne Weiss­berg Frank­furt/M. 1986

Do­ro­thea Schle­gel: Flo­ren­tin. Ein Roman. Hrsg. von Wolf­gang Neh­ring, inkl. An­mer­kun­gen, Do­ku­men­te zur Ent­ste­hung und zur Re­zep­ti­on, Li­te­ra­tur­hin­wei­se, Nach­wort. Stutt­gart 1993, Neu­auf­la­ge: 2012

Schle­gel: „Flo­ren­tin“: Her­un­ter­la­den [pdf][226 KB]