Adalbert Stifter: Turmalin (1853)
Empfehlung für das Basisfach und das LeistungsfachKurzinformation
Adalbert Stifter veröffentlichte die später als Turmalin bekannt gewordene Erzählung zunächst unter dem Titel Der Pförtner im Herrenhause im Prager Jahrbuch Libussa (1852). In stark überarbeiteter Fassung und mit neuem Titel nahm er sie dann in den berühmten Novellenkranz Bunte Steine. Ein Festgeschenk(1853) auf, den er selbst als „Spielereien für junge Herzen“ apostrophierte. Doch um Kinderliteratur handelt es sich bei den meisten in Bunte Steine publizierten Erzählungen nicht. Dagegen sprechen bereits die Vielfalt der stofflichen Breite und auch die verhandelten Problemstellungen. In Turmalin entspinnt Stifter um den zentralen Konflikt eines Ehebruchs ein dichtes Geflecht aus Fragen der Künstleridentität, der Pädagogik, der Architektur, aber auch der Großstadtanonymität und der Traumabewältigung (Kaspar-Hauser-Syndrom, Hospitalismus). So erzählt die Geschichte das abrupte Auseinanderbrechen einer bürgerlichen Familie. Die untreue Frau verschwindet spurlos. Zuvor hat sie ihrem Mann die Liebesaffäre mit einem berühmten Schauspieler, einem Freund des Hauses, gestanden. Offenbar kann sie sich ihre Verfehlung nicht verzeihen, denn nach dem Geständnis verschwindet sie und kehrt nicht zurück. Ihr Mann, der ihr letztlich verzeiht, kann sie trotz intensiver Suche nicht mehr finden. Offenbar hat sie sich das Leben genommen. Der betrogene Mann verlässt die Stadt zusammen mit dem neugeborenen Mädchen. Im zweiten Teil schildert Stifter dann den Versuch einer Sanierung der Katastrophe. Nach mehreren Jahren tauchen der Mann und die inzwischen zur Jugendlichen herangewachsene Tochter unvermittelt in einer Wiener Vorstadt auf. Beide wirken verwahrlost; das Gerücht geht um, sie hätten mehrere Jahre in einer Höhle gehaust. Zurückgezogen leben sie eine Zeit lang in einer Kellerwohnung, bis der Mann plötzlich verstirbt. Eine warmherzige Bürgersfrau nimmt sich daraufhin des elternlosen Mädchens an. Ihm sind die Spuren der Leidenszeit körperlich und psychisch anzumerken. Unter der Obhut seiner Wohltäterin gelingt es, das Mädchen nach und nach zu einem selbstständigen Leben zu erziehen. Von der Last des Vergangenen kann es dennoch nicht vollständig befreit werden.
Adalbert Stifter: Turmalin (1853)
Literaturwissenschaftl. Einordnung & Deutungsperspektiven
Stifter: „Turmalin“: Herunterladen [pdf][224 KB]
Weiter zu Inhalt