Zur Hauptnavigation springen [Alt]+[0] Zum Seiteninhalt springen [Alt]+[1]

Übergänge zwischen Bildungseinrichtungen

Übergänge stellen für Kinder und Jugendliche mit Autismus eine große Herausforderung dar. Vertraute Strukturen, Personen und Rituale fallen weg, häufig ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler an der neuen Schule um einiges größer als an der zuvor besuchten Einrichtung. Diese Übergänge müssen deshalb von den beteiligten Akteuren in enger Zusammenarbeit mit den Eltern und unter Beteiligung der jungen Menschen selbst rechtzeitig vorbereitet und gut begleitet werden.

Übergänge in diesem Kontext sind:

  • Aufnahme in die (sonderpädagogische) Frühförderung,
  • Eintritt in die Kindertageseinrichtung,
  • Einschulung,
  • Übertritt in die Sekundarstufe,
  • Wechsel in die Kursstufe eines Gymnasiums, auf eine berufliche Schule, in eine Berufsausbildung oder eine Berufsvorbereitung.

Wichtig für einen gelingenden Übergang ist die Weitergabe von relevanten Informationen, die für die Eingewöhnung in die neue Umgebung des Kindes oder des Jugendlichen mit Autismus notwendig sind. Hierbei kann es sich um Informationen zu sozialen, emotionalen und kommunikativen Fähigkeiten handeln, zu Besonderheiten in der Wahrnehmung oder um notwendige Unterstützungsmaßnahmen wie Visualisierungs- und Strukturierungshilfen. Voraussetzung ist die Einwilligung der Eltern und bei älteren Kindern auch der Schülerin oder des Schülers mit Autismus.

Hilfen:

  • Frühzeitige Kontaktaufnahme mit der aufnehmenden Einrichtung
  • Vertraute Personen als 'Brücke' zur neuen Einrichtung, v.a. auch bei den ersten Kontakten/beim ersten Besuch
  • Rechtzeitige Beantragung bzw. Vorbereitung von neu erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen
  • Bewährte Hilfen mitgeben: zum Beispiel Visualisierungs- und Strukturierungshilfen
  • Hospitationen in der neuen Schule/KiTa, außerhalb des regulären Betriebs – während des regulären Betriebs
  • Gespräche mit der neuen Klassenlehrerin oder dem neuen Klassenlehrer, mit der neuen Schulleitung und anderen neuen Fachkräften
  • Schulweg üben
  • Informationsweitergabe an die neuen Ansprechpersonen und Fachkräfte; zum Beispiel in Form eines pädagogischen Berichts oder eines Übergabegesprächs zwischen alter und neuer Schule/Institution. Wichtig dabei ist eine Vorabklärung mit den Eltern und dem jungen Menschen: Wer soll bzw. wer darf von der Diagnose erfahren? Ist eine ausführliche Information an die Mitschülerinnen und Mitschüler notwendig? Wird die Klassenkonferenz informiert? Wer übernimmt die Weitergabe der Informationen?
  • Vor dem ersten Schultag den passenden Sitzplatz, notwendige Hilfsmittel, Stundenplan, Rückzugsmöglichkeit, Pausenregelung, Krisenplan für und mit dem Schüler bzw. der Schülerin und den Bezugspersonen klären.
  • Fachliche Begleitung und damit Beratung und Unterstützung durch Autismusbeauftragte oder Frühförderung oder sonderpädagogischer Dienst klären und sicherstellen.

Aufnahme in die Frühförderung

Die Förderung eines Kindes mit Autismus sollte möglichst frühzeitig beginnen. Eine Maßnahme von frühen Hilfen ist die sonderpädagogische oder interdisziplinäre Frühförderung. Diese beruht auf Freiwilligkeit. Die Eltern alleine sind die Auftraggeber dieser Maßnahme und sie bestimmen, wer Informationen aus dem Frühförderangebot erhält. Frühförderung kann bei entsprechendem Bedarf unter bestimmten Bedingungen von der Geburt bis zum Schuleintritt des Kindes in Anspruch genommen werden. In der Regel werden die Kinder von einer engen Bezugsperson in die Frühförderung begleitet, so dass eine gewisse Sicherheit besteht. Es sollte Gelegenheit gegeben werden, die Räumlichkeiten im eigenen Tempo zu erkunden. Fördereinheiten und wiederkehrende Rituale und Abläufe sollten Berücksichtigung finden.

Der Eintritt in die Kindertageseinrichtung

Beim Eintritt in die Kindertageseinrichtung oder einen Schulkindergarten kann eine Informationsweitergabe zwischen Frühförderung und aufnehmender Einrichtung dann erfolgen, wenn die Eltern ihr Einverständnis schriftlich dazu geben. Es empfiehlt sich, mit den Eltern darüber zu sprechen, dass Informationen über die besonderen Bedarfe des Kindes den Übergang in die Kindertageseinrichtung erleichtern können, weil diese dann von Anfang an berücksichtigt werden können. Ziel während der Übergangsphase ist es, möglichst viel Vertrautheit auf Seiten des Kindes und der Einrichtung entstehen zu lassen. Bei der Auswahl der Einrichtung sollte das Konzept der Einrichtung und deren Bereitschaft auf das Kind abgestimmte Anpassungen und Veränderungen vorzunehmen, entscheidend sein.

Einschulung in die Grundschule

Beim Eintritt in die Grundschule können nur mit schriftlicher Einwilligung der Erziehungsberechtigten Informationen zwischen Kindertagesstätte bzw. dem Schulkindergarten und aufnehmender Schule weitergegeben werden. Frühzeitig (zu Beginn des letzten Kindergartenjahres) sollte der Übergang in die Grundschule in den Blick genommen werden. Wichtige Ansprechpersonen sind hier die Kooperationslehrkräfte Kindergarten-Grundschule. Sie sollten möglichst frühzeitig von der Kindertageseinrichtung eingebunden werden. Die erworbene Kenntnis des Kindes und das Wissen um die konkrete schulische Situation können dazu beitragen, dass bedarfsgerechte Bedingungen für das Kind an der Schule hergestellt werden. Weil das Kind die Kooperationslehrkraft kennt, kann sie für das Kind auch eine Brücke in die Grundschule bilden. Des Weiteren können Erziehungsberechtigte die Autismusbeauftragten des Staatlichen Schulamtes zur Beratung hinzuziehen.

Themen für die Beratung könnten sein: Welche Rahmenbedingungen benötigt das Kind? Gibt es eine erreichbare Schule, die diesem Bedarf in besonderer Weise entspricht? Grundschulen haben Schulbezirke. Ob ein Antrag auf Schulbezirkswechsel erforderlich ist, ist beim jeweiligen Staatlichen Schulamt zu erfragen. Welche Informationen benötigt die Grundschule? Wie kann das betroffene Kind auf die neue Situation vorbereitet werden? Welche 'Brücken' können dem Kind angeboten werden? Kann es den Schulweg (nach einem Schulwegetraining) allein bewältigen? Gibt es vertraute Mitschülerinnen und Mitschüler?

Übertritt in die Sekundarstufe I

Schon im Vorfeld der Grundschulempfehlung sollten die Erziehungsberechtigten sich einen Überblick über die verschiedenen Schulen vor Ort verschaffen. Nach der Grundschulempfehlung sollten die Eltern bei Bedarf mit Unterstützung von Fachleuten (zum Beispiel Autismusbeauftragten) erste Sondierungsgespräche mit möglichen Schulen führen. Die Schulanmeldung erfolgt dann regulär. In der verbleibenden Zeit bis zu den Sommerferien kann es sinnvoll sein, die aufnehmende Schule bereits mehrfach zu besuchen und Sicherheiten aufzubauen. Bis zum Beginn des neuen Schuljahres sollte in Abstimmung mit den Eltern eine Information der Gesamtlehrerkonferenz über den besonderen Bedarf der zukünftigen Schülerin, des zukünftigen Schülers erfolgen. Inwieweit die Mitschülerinnen und Mitschüler und deren Eltern informiert werden, muss im Einzelfall in Absprache mit den Eltern der Schülerin oder des Schülers mit Autismus entschieden werden.

Berufliche Orientierung und Vorbereitung

Alle Schülerinnen und Schüler erhalten im Prozess der beruflichen Orientierung Gelegenheit, unterschiedliche Praxiserfahrungen zu machen, die einen realistischen Einblick in die Arbeitswelt geben und dem Übergang in Ausbildung, Studium und Beruf dienlich sind. Diese umfassen unter anderem Betriebserkundungen, kooperative Projekte, aber auch ein- und mehrtägige Praktika.

Sehr häufig haben Schülerinnen und Schüler mit Autismus während der Pubertät Probleme, sich in Partner- oder Gruppenarbeiten einzubringen. Vielmehr sind sie mit dem Wachstum und der damit einhergehenden körperlichen Veränderung beschäftigt. Dadurch können wichtige soziale Kompetenzen zum Erwerb der selbstständigen Lebensführung häufig nicht angemessen geübt und erfahren werden. Einfach erscheinende Tätigkeiten, wie zum Beispiel die Durchführung von telefonischen Anfragen, werden häufig vorausgesetzt, aber nicht erworben. Daher ist es für Schülerinnen und Schüler mit Autismus sehr hilfreich, wenn sie möglichst viele Praxiserfahrungen sammeln können. In diesen können sie die für das selbstorganisierte und selbstbestimmte Leben notwendigen Schlüsselqualifikationen erkennen, erwerben und verinnerlichen. Praktika sind hierbei wichtig, um Ängste abzubauen, Sicherheit zu gewinnen und sich selbst besser kennen zu lernen. Der angemessene Umgang mit fremden Situationen kann geübt werden (zum Beispiel bei der Bewirtung in Seniorenheimen, Partyservice, Schulgärten pflegen…). In Schullandheimen, auf Ausflügen und beim Trainingswohnen kann das erworbene Wissen in der Klassengemeinschaft umgesetzt werden. Diese alltags- und lebenspraktischen Erfahrungen sind verbunden mit Freizeitgestaltung sowie mit der Organisation von Tagesstrukturen wie zum Beispiel Einkaufen, Kochen oder Betten beziehen. Insofern bereiten Praktika aber auch Schullandheime und andere Klassenunternehmungen nicht nur auf den Beruf, sondern auch auf das Leben vor.

Praxiserfahrungen und insbesondere Praktika können den Kompetenzerwerb in folgenden Bereichen unterstützen:

  • Ausdauer (Aufbau von Zeitspannen wie Stunden, Tage, Wochen)
  • Selbstorganisation und Selbstbewusstsein ('Ich kann das')
  • Wissen um die eigenen Stärken und Kompetenzen ('was mag ich/nicht?', 'was kann ich/nicht?')
  • Sicherheit im unmittelbaren Raum, zum Beispiel in Städten, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel
  • Sicherheit in Gesprächen mit bislang unbekannten Personen (zum Beispiel in Bewerbungsgesprächen, zur Informationsgewinnung)
  • Erkenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich eines passenden Berufsprofils

Wechsel in die Kursstufe eines allgemeinbildenden Gymnasiums, auf eine berufliche Schule in die Sekundarstufe II, in eine Berufsausbildung oder in eine Berufsvorbereitung

Beim Wechsel in die Sekundarstufe II, in eine Berufsausbildung oder eine Berufsvorbereitung ist für Schülerinnen und Schüler mit Autismus in vielen Fällen eine Berufswegekonferenz empfehlenswert. Verbindlich ist die Durchführung dann, wenn zu erwarten ist,

  • dass für den Besuch der beruflichen Schule oder im Ausbildungsbetrieb besondere Vorkehrungen von der Schule, der Agentur für Arbeit, dem Integrationsfachdienst oder dem Träger der Sozialhilfe/Jugendhilfe zu treffen sind, zum Beispiel in Form von Schulbegleitung, Arbeitsassistenz, Besuch eines BBW (Berufsbildungswerk), und / oder
  • bereits ein Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot vorliegt (zum Beispiel im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung) und dieser nach Entscheidung des Staatlichen Schulamts auch im Anschluss an die Sekundarstufe I weiterhin besteht.

Ziel der Berufswegekonferenz ist unter Berücksichtigung der individuellen beruflichen Perspektiven und Wünsche der Schülerin oder des Schülers mit Autismus, die Festlegung des am besten geeigneten Bildungsweges und Bildungsortes, um für diesen jungen Menschen die bestmögliche berufliche Integration zu erreichen (vgl. § 20 Abs. 2 SBA-VO)1. Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind neben dem jungen Menschen mit Autismus dessen Erziehungsberechtigte, die berührten Schulen (insbesondere auch die aufnehmende berufliche Schule) und der Schulträger sowie weitere notwendige Leistungsträger. Die Autismusbeauftragten wirken bei Bedarf beratend mit. In Einzelfällen kann auch eine Beteiligung des Integrationsfachdienstes oder der Beratungsfachkräfte für berufliche Rehabilitation erforderlich sein.

Zur Vorbereitung der Berufswegekonferenz sollte das Kompetenzinventar eingesetzt werden. Für Schülerinnen und Schüler mit Autismus gibt es im Rahmen des Kompetenzinventars (KI) ein Modul „Autismus“.

Zu Fragen der Organisation und Durchführung der Berufswegekonferenzen bei Schülerinnen und Schülern mit Autismus können die Autismusbeauftragten und die zuständigen Personen an den Staatlichen Schulämtern Auskunft erteilen.

1 Verordnung des Kultusministeriums über die Feststellung und Erfüllung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot (Verordnung über sonderpädagogische Bildungsangebote - SBA-VO) vom 8. März 2016.

Weiter zu Nachteilsausgleich (NTA)