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Be­son­der­hei­ten in der Wahr­neh­mung

Kin­dern und Ju­gend­li­che mit Au­tis­mus zei­gen Be­son­der­hei­ten in der Wahr­neh­mung und in der Ver­ar­bei­tung von Rei­zen. Dies kann alle Sinne be­tref­fen. Dabei kann sich die Wahr­neh­mung von Kin­dern und Ju­gend­li­chen mit Au­tis­mus deut­lich von der Wahr­neh­mung an­de­rer Men­schen un­ter­schei­den. Grund­sätz­lich fällt es Men­schen mit Au­tis­mus schwer, Um­welt­rei­ze zu fil­tern und zu struk­tu­rie­ren. Schein­bar un­wich­ti­ge De­tails kön­nen darum einen un­ver­hält­nis­mä­ßig hohen Stel­len­wert ein­neh­men.

Die Aus­wir­kung die­ser in­di­vi­du­el­len Wahr­neh­mung kann bei den Per­so­nen im un­mit­tel­ba­ren Um­feld zu Ir­ri­ta­tio­nen füh­ren.

Um Men­schen mit Au­tis­mus bes­ser ver­ste­hen zu ler­nen, ist es wich­tig, sich mit den Be­son­der­hei­ten ihrer Wahr­neh­mung und den dar­aus re­sul­tie­ren­den Aus­wir­kun­gen aus­ein­an­der­set­zen. Die Aus­prä­gun­gen der in­di­vi­du­el­len Stär­ken und Hemm­nis­se in die­sem Be­reich kön­nen stark va­ri­ie­ren.

Dies ver­deut­li­chen die nach­ste­hen­den Bei­spie­le:

Mög­li­che Stär­ken

Sinne

Mög­li­che Hin­der­nis­se

De­tail­ge­treu­es Hören

Ab­so­lu­tes Gehör – ex­ak­te Be­stim­mung von Tönen und Ton­hö­hen

Hören

Ge­räu­schüber­emp­find­lich­keit, bis zum kör­per­li­chen Schmerz

Fil­ter­schwä­che bei Ge­räusch­ku­lis­sen

aus­ge­präg­te Farb­sen­si­bi­li­tät

De­tail­blick – die­ser er­mög­licht schnel­les Er­ken­nen von Struk­tu­ren und Mus­tern

Sehen

Hohe Licht­emp­find­lich­keit

schnel­le vi­su­el­le Über­rei­zung

De­tail­blick – schein­bar un­wich­ti­ge Dinge tre­ten in den Vor­der­grund

Aus­ge­präg­te Sen­si­bi­li­tät und Merk­fä­hig­keit für Ge­rü­che

Ge­ruchs­er­le­ben kann Si­cher­heit ver­mit­teln

Rie­chen

Ge­ruchs­über­emp­find­lich­keit:

Ge­rü­che von be­stimm­ten Ge­rich­ten, Kör­per­ge­rü­che (auch von Tie­ren), Duft­stof­fen in Kos­me­ti­ka etc. kön­nen zu Übel­keit oder Atem­not füh­ren

Dif­fe­ren­zier­tes Ge­schmacks­emp­fin­den

Schme­cken

Ge­rin­ges Ge­schmacks­emp­fin­den - Spei­sen wer­den stark ge­würzt, damit ihr Ge­schmack wahr­ge­nom­men wer­den kann.

Nah­rungs­mit­tel wer­den sehr in­ten­siv wahr­ge­nom­men. Dies kann zu wäh­le­ri­schem Ess­ver­hal­ten bzw. zu einer Ab­nei­gung gegen be­stimm­te Spei­sen füh­ren.

Das Be­rüh­ren und Füh­len be­stimm­ter Ober­flä­chen oder eines Klei­dungs­stof­fes kann sich be­ru­hi­gend aus­wir­ken.

Füh­len

Durch Über­emp­find­lich­keit (Hy­per­sen­si­bi­li­tät) der Haut kön­nen Be­rüh­run­gen von an­de­ren als un­an­ge­nehm emp­fun­den wer­den.

Dies kann auch für be­stimm­te Klei­dungs­stü­cke auf der Haut gel­ten.

Eine stark her­ab­ge­setz­te Emp­fin­dungs­fä­hig­keit (Hy­po­sen­si­bi­li­tät) der Haut kann zu einer ver­stärk­ten Ver­let­zungs­ge­fähr­dung füh­ren (zum Bei­spiel, wenn die Be­rüh­rung einer hei­ßen Herd­plat­te kein Schmerz­emp­fin­den aus­löst).

Bei den be­schrie­be­nen Be­son­der­hei­ten han­delt es sich um eine Reiz­fil­ter­schwä­che des Ge­hirns. In der Regel ver­ar­bei­tet das mensch­li­che Ge­hirn au­to­ma­tisch die an­kom­men­den sen­so­ri­schen In­for­ma­tio­nen. Es ver­netzt, setzt Prio­ri­tä­ten und fil­tert alle un­wich­ti­gen Reize aus. Im An­schluss er­folgt eine Re­ak­ti­on. Bei einer Stö­rung der Reiz­wahr­neh­mungs­ver­ar­bei­tung kön­nen häu­fig wich­ti­ge Reize nicht von un­wich­ti­gen un­ter­schie­den wer­den. Das Ge­hirn kann in­fol­ge­des­sen von Rei­zen 'über­flu­tet' wer­den, wäh­rend in an­de­ren Si­tua­tio­nen an­kom­men­de Reize als un­wich­tig be­wer­tet und des­halb nicht wei­ter­ver­ar­bei­tet wer­den. Folg­lich lösen sie keine Re­ak­ti­on aus.

Die Kom­pen­sa­ti­on der stän­di­gen Über­rei­zung kos­tet Men­schen mit Au­tis­mus in ihrem All­tag viel Kraft. Wird in einer Si­tua­ti­on ein Sinn be­son­ders oder meh­re­re Sinne gleich­zei­tig mit Rei­zen über­flu­tet, kann es zu einem Over­load (Über­las­tung) kom­men. Die Be­trof­fe­nen sind nicht mehr in der Lage, ent­spre­chend zu fil­tern. In ihnen ent­steht ein Chaos aus Ein­drü­cken und Ge­füh­len. Eine mög­li­che Folge des Over­loads ist bei feh­len­der Rück­zugs­mög­lich­keit der Mel­tdown ('Kern­schmel­ze'), der für Au­ßen­ste­hen­de wie ein Wut­aus­bruch er­schei­nen mag und sich in lau­tem Schrei­en, Wer­fen von Ge­gen­stän­den oder in wei­te­ren Kon­troll­ver­lus­ten äu­ßern kann. Dabei han­delt es sich um eine ver­zwei­fel­te Re­ak­ti­on auf eine für die Be­trof­fe­nen nicht mehr be­wäl­tig­ba­re Si­tua­ti­on. Eine an­de­re Folge eines Over­loads kann der Shut­down (=Ab­schal­ten) sein. Die Be­trof­fe­nen zie­hen sich kom­plett in sich zu­rück und sind vor­über­ge­hend nicht mehr an­sprech­bar. In man­chen Fäl­len geht dem Shut­down ein Mel­tdown vor­aus. Die Fol­gen einer Über­rei­zung ma­chen einen we­sent­li­chen Be­stand­teil der Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung von Schü­le­rin­nen und Schü­lern mit Au­tis­mus aus. Dies spie­gelt sich in vie­len Be­rich­ten von Be­trof­fe­nen wider.

Wei­ter zu Spra­che