Zur Hauptnavigation springen [Alt]+[0] Zum Seiteninhalt springen [Alt]+[1]

Wahlmodul 2B: Grauschönes. Können graue Räume schön sein?

Didaktisch-methodische Überlegungen

Eine Auseinandersetzung mit den Bildern von Ben Willikens im Philosophieunterricht bietet sich aus mehreren Gründen an: Willikens zählt zu den wichtigsten Künstlern der Gegenwartsmalerei, dem „Grauen Star“ der Malerei wurden in dem letzten Jahrzehnt mehrere umfangreiche Retrospektiven zu teil. Seine Bildgestaltung führt der Künstler in seinen autobiographischen Reflexionen auf zwei existenzielle Erlebnisse zurück, die Bombardierung Leipzigs und den fast einjährigen Aufenthalt in der Psychiatrie. In seinen als Grisaillen ausgeführten, menschenleeren Raumbildern versinnbildlicht er die „transzendentale Obdachlosigkeit“(Lukács) des modernen Menschen, die Stellung des Menschen in einer von Sinnverlusten gekennzeichneten Welt: „Die Welt ist eine Anstalt und der Mensch ihr Insasse.“ (Willikens 1996, S. 163) Verdeutlicht wird diese kulturanthropologische Perspektive durch Willikens` Hauptwerk „Das Abendmahl“(1976-79), eine Neuinterpretation von Leonardo da Vincis „Das letzte Abendmahl“(1494-98), in dem er die Zentralperspektive des ikonischen Gemäldes - die Raumkonzeption der Renaissancemalerei - beibehalten, alle Personen (Jesus und seine Jünger) sowie Symbole entfernt, die Farbigkeit – ein Postulat der Moderne - durch Grautöne ersetzt und dem Ganzen den Charakter eines Krematoriums gegeben hat.

Dieses Bild wird den Schüler:innen ohne Titelangabe zur philosophischen Interpretation als Einstieg vorgelegt, auch um quasi ihr kulturelles Gedächtnis zu testen. Verständlich werden Willikens` Werke als „Kunst über Kunst“ nämlich erst durch das Identifizieren ihrer kunstgeschichtlichen Vorbilder und der zitierten historischen Orte der Inhumanität. Voraussetzung dafür ist, dass diese im kulturellen Gedächtnis der Betrachter:innen präsent sind. Deshalb bietet es sich, in einer Doppelstunde zu dem Künstler auch genauer auf Jan Assmanns Theorie des kulturellen Gedächtnisses einzugehen (vgl. Assmann 2018, S. 34-36, 50, 54f.; 2006, S. 69f.).

Die Bildästhetik von Willikens lässt sich im Philosophieunterricht vertiefend erschließen anhand eines selbstreflexiven Textes des Künstlers zur Zitation der Renaissancemalerei (1996, 162f., 165-168). Dabei bietet sich ein exemplarischer Vergleich von Willikens` Œuvre mit den von Farbigkeit strotzenden Werken des Impressionismus und Neoimpressionismus an, um zu diskutieren, ob Farbkombinationen und -verteilungen ein entscheidendes Kriterium für die Schönheit von Kunstwerken sind. Als Problematisierung dient Willikens` Behauptung, dass „anonyme Machtausübung […] das Schlimmste“(In: Grasskamp 2012, S. 51) von und für Menschen sei. Eine Vertiefung kann über eine vergleiche philosophische Bildinterpretation zwischen Willikens` Neuinterpretation von Raffaels „Schule von Athen“(1987/88) und dem ikonischen Renaissancebild zur Philosophie(geschichte) aus den Jahren 1510/11 erfolgen.

Unterrichtsziele

  • Grundzüge von Willikens` Ästhetik erarbeiten
  • Stellung des Menschen in einer (sinnentleerten) Spätmoderne diskutieren
  • Theorie des kulturellen Gedächtnisses erarbeiten, auf Willikens Werke anwenden und prüfen
  • anonyme Machstrukturen in der Welt problematisieren

IBKs und PBKs

3.1.3 (3): Künste als Ausdrucksformen des Menschen beschreiben und analysieren

3.1.3 (4): das Konzept eines kulturellen Gedächtnisses prüfen; Positionen der Geschichtsdeutung vergleichen und erörtern

2.2 (1): Beschreiben und hinterfragen: aus individuellen und kollektiven Wahrnehmungen philosophische Fragestellungen entwickeln

2.3 (1): Rekonstruieren und analysieren: sich das eigene Vorverständnis zu einem im Text beziehungsweise Medium enthaltenen philosophischen Problem mit seinen Voraussetzungen und Konsequenzen bewusst machen und artikulieren

2.4 (4): Prüfen und beurteilen: zwischen konträren Denkweisen vermitteln und differierende Positionen anerkennen

Ästhetik: Herunterladen [docx][1,5 MB]

Ästhetik: Herunterladen [pdf][1,2 MB]