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Pla­tons Kri­tik an der Dich­tung

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

In sei­ner "Po­li­teia" ver­sucht Pla­ton einen idea­len Staat zu skiz­zie­ren. In die­sem Staat hat nach sei­ner An­sicht die Dich­tung (er wählt als kon­kre­tes Bei­spiel die "Ilias" Ho­mers) kei­nen Platz und diese An­sicht lässt er an der fol­gen­den Stel­le So­kra­tes be­grün­den:

Pla­ton, Po­li­teia, 391a-e

 

᾿ Οκνῶ δέ γε , ἦν δ ' ἐγώ , δι ' ῞ Ομηρον λέγειν ὅτι οὐδ ' ὅσιον ταῦτά γε κατὰ Ἀχιλλέως φάναι καὶ ἄλλων λεγόντων πείθεσθαι , καὶ αὖ ὡς πρὸς τὸν Ἀπόλλω εἶπεν : ἔβλαψάς μ ' ἑκάεργε , θεῶν ὀλοώτατε πάντων · σ ' ἂν τισαίμην , εἴ μοι δύναμίς γε παρείη · […] τάς τε αὖ Εκτορος ἕλξεις περὶ τὸ σῆμα τὸ Πατρόκλου καὶ τὰς τῶν ζωγρηθέντων σφαγὰς εἰς τὴν πυράν , σύμπαντα ταῦτα οὐ φήσομεν ἀληθῆ εἰρῆσθαι , οὐδ ' ἐάσομεν πείθεσθαι τοὺς ἡμετέρους ὡς Ἀχιλλεύς , θεᾶς ὢν παῖς καὶ Πηλέως , σωφρονεστάτου τε καὶ τρίτου ἀπὸ Διός , καὶ ὑπὸ τῷ σοφωτάτῳ Χείρωνι τεθραμμένος , τοσαύτης ἦν ταραχῆς πλέως , ὥστ ' ἔχειν ἐν αὑτῷ νοσήματε δύο ἐναντίω ἀλλήλοιν , ἀνελευθερίαν μετὰ φιλοχρηματίας καὶ αὖ ὑπερηφανίαν θεῶν τε καὶ ἀνθρώπων . ᾿ Ορθῶς , ἔφη , λέγεις . Μὴ τοίνυν , ἦν δ ' ἐγώ , μηδὲ τάδε πειθώμεθα μηδ ' ἐῶμεν λέγειν , ὡς Θησεὺς Ποσειδῶνος ὑὸς Πειρίθους τε Διὸς ὥρμησαν οὕτως ἐπὶ δεινὰς ἁρπαγάς , μηδέ τιν ' ἄλλον θεοῦ παῖδά τε καὶ ἥρω τολμῆσαι ἂν δεινὰ καὶ ἀσεβῆ ἐργάσασθαι , παῖδά τε καὶ ἥρω τολμῆσαι ἂν δεινὰ καὶ ἀσεβῆ ἐργάσασθαι , οἷα νῦν καταψεύδονται αὐτῶν · ἀλλὰ προσαναγκάζωμεν τοὺς ποιητὰς μὴ τούτων αὐτὰ ἔργα φάναι τούτους μὴ εἶναι θεῶν παῖδας , ἀμφότερα δὲ μὴ λέγειν , μηδὲ ἡμῖν ἐπιχειρεῖν πείθειν τοὺς νέους ὡς οἱ θεοὶ κακὰ γεννῶσιν , καὶ ἥρωες ἀνθρώπων οὐδὲν βελτίους · ὅπερ γὰρ ἐν τοῖς πρόσθεν ἐλέ γομεν , οὔθ ' ὅσια ταῦτα οὔτε ἀληθῆ · ἐπεδείξαμεν γάρ που ὅτι ἐκ θεῶν κακὰ γίγνεσθαι ἀδύνατον .

Doch um Ho­mers wil­len, be­merk­te ich, nehme ich An­stand zu sagen, dass es sogar eine Sünde ist, sol­ches gegen Achil­leus aus­zu­sa­gen und an­de­ren, die es be­haup­ten, es zu glau­ben, eben­so, dass er zu Apol­lon ge­sagt habe:
Hast mir Scha­den getan, Fern­wir­ken­der, Schlimms­ter der Göt­ter!
Hätt' ich dazu die Ge­walt, dann würd' ich's dir si­cher ver­gel­ten! […]
Und dann das Schlep­pen des Hek­tor um das Grab­mal des Pa­tro­kles und das Schlach­ten der Ge­fan­ge­nen an dem Schei­ter­hau­fen, alles dies zu­sam­men wer­den wir für nicht wahr ge­spro­chen er­klä­ren, auch nicht zu­ge­ben, dass man die Un­sern glau­ben mache, Achil­leus, der Sohn der Göt­tin und des Pe­leus, des be­son­nens­ten Man­nes und eines En­kels von Zeus, der Zög­ling des wei­sen Che­i­ron, sei so zer­rüt­te­ten Geis­tes ge­we­sen, dass er in sich zwei ein­an­der ent­ge­gen­ge­setz­te Krank­hei­ten hatte, nied­ri­ge Den­kart nebst Geld­gier und an­de­rer­seits Über­mut ge­gen­über Göt­tern und Men­schen.
Du hast recht, er­wi­der­te er.
Also ja nicht, fuhr ich fort, wol­len wir auch Fol­gen­des glau­ben und auch nicht zu sagen ge­stat­ten, dass The­seus, Po­sei­dons Sohn und Pei­ri­thoos, Zeus' Sohn, auf so wil­den Raub aus­ge­gan­gen seien, noch dass ir­gend­ein an­de­rer Göt­ter­sohn und Heros ge­wagt hätte, Schreck­li­ches und Gott­lo­ses zu tun, der­glei­chen man ihnen jetzt ver­leum­de­risch bei­legt; son­dern wir wol­len die Dich­ter nö­ti­gen, ent­we­der es nicht als Werke von ihnen zu be­zeich­nen oder sie nicht als Göt­ter­söh­ne,  bei­des zu­sam­men aber dür­fen sie nicht be­haup­ten, noch uns einen Ver­such ma­chen, die jun­gen Leute zu be­re­den, dass die Göt­ter Schlech­tes er­zeug­ten und He­ro­en um nichts bes­ser seien als Men­schen. Denn, wie wir frü­her aus­ge­führt haben, ist dies eine Sünde und eine Un­wahr­heit; denn wir haben ja ge­zeigt, dass von Göt­tern un­mög­lich Schlech­tes kom­men kann.
(Über­set­zung: Wil­helm Wie­gand)

Auf­ga­ben:

  1. Wor­auf grün­den sich die Vor­be­hal­te Pla­tons gegen die Dich­tung?
  2. Wel­che Ar­gu­men­te Pla­tons über­zeu­gen Sie und wel­che er­schei­nen Ihnen falsch? Be­grün­den Sie Ihre An­sicht!
  3. Stel­len Sie sich vor, Sie ge­hö­ren einer Re­dak­ti­on in einem Fern­seh­sen­der an.  Ihr Sen­der möch­te über ein his­to­ri­sches Er­eig­nis einen Bei­trag ins Pro­gramm neh­men und über­legt, ob dazu ein Spiel­film mit einer fik­ti­ven Ge­schich­te oder eine Do­ku­men­ta­ti­on mit rea­len Zeit­zeu­gen ge­eig­ne­ter ist. Über­le­gen Sie sich Vor- und Nach­tei­le bei­der Mög­lich­kei­ten und plä­die­ren Sie für die Form, die Ihnen letzt­lich die bes­se­re zu sein scheint!
  4. Stel­len Sie sich vor, Sie ge­hö­ren einer Lehr­plan­kom­mis­si­on an, die über neue Bil­dungs­plä­ne berät. Es wird unter an­de­rem dar­über de­bat­tiert, ob man im Deutsch- und Fremd­spra­chen­un­ter­richt nicht auf fik­ti­ve Texte, Li­te­ra­tur im her­kömm­li­chen Sinne also, ver­zich­ten und statt­des­sen stär­ker All­tags- und Sach­t­ex­te be­han­deln soll. Sam­meln Sie Ar­gu­men­te, die für jede die­ser Mög­lich­kei­ten spre­chen und plä­die­ren Sie für das, was Ihrer Mei­nung nach die bes­se­re Va­ri­an­te ist!
  5. Über Ge­walt in Fil­men wird oft dis­ku­tiert. Schrei­ben Sie einen Text mit Hilfe von Pla­tons Ar­gu­men­ten gegen die Dich­tung, um Ge­walt­dar­stel­lun­gen in Fil­men noch stär­ker zu un­ter­bin­den und um der­ar­ti­ge Filme ge­sell­schaft­lich zu äch­ten! – Selbst­ver­ständ­lich wer­den davon nicht alle über­zeugt wer­den kön­nen: Wie lässt sich die Ge­gen­mei­nung be­grün­den, und wel­ches ist Ihre per­sön­li­che An­sicht?
  6. Aris­to­te­les sieht den zen­tra­len Un­ter­schied zwi­schen Ge­schichts­schrei­bung und Dich­tung darin, dass der Ge­schichts­schrei­ber mit­teilt, was tat­säch­lich ge­sche­hen ist, der Dich­ter da­ge­gen, was ge­sche­hen könn­te. Des­halb sei Dich­tung etwas Phi­lo­so­phi­sche­res als Ge­schichts­schrei­bung ( Διὸ καὶ φιλοσοφώτερον καὶ σπουδαιότερον ποίησις ἱστορίας ἐστίν ·  - Aris­to­te­les, Poe­tik, c. 9; 1451b5). Er­läu­tern Sie die­ses Zitat und neh­men Sie zum Wert von Ge­schichts­schrei­bung (Dar­stel­lung von Rea­li­tät) und Dich­tung (Dar­stel­lung von Mög­lich­kei­ten) je­weils Stel­lung!
  7. Im Dia­log "Prot­ago­ras" ver­gleicht So­kra­tes den Kauf von Nah­rungs­mit­teln mit dem Un­ter­richt bei einem So­phis­ten. Nah­rungs­mit­tel zu kau­fen, sei un­ge­fähr­li­cher, da man sie vor dem Ver­zehr erst ein­mal von einem Sach­ver­stän­di­gen prü­fen las­sen könne. Un­ter­richts­ge­gen­stän­de aber müsse man gleich nach dem Er­werb in seine Seele auf­neh­men, wo sie uns scha­den oder nut­zen: μαθήματα δὲ οὐκ ἔστιν ἐν ἄλλῳ ἀγγείῳ ἀπενεγκεῖν, ἀλλ´ ἀνάγκη καταθέντα τὴν τιμὴν τὸ μάθημα ἐν αὐτῇ τῇ ψυχῇ λαβόντα καὶ μαθόντα ἀπιέναι ἢ βεβλαμμένον ἢ ὠφελημένον. (Prot­ago­ras 314b)
    Pla­ton stellt sich also of­fen­bar die Auf­nah­me von geis­ti­gen Ge­gen­stän­den in einer be­stimm­ten Weise vor. Skiz­zie­ren Sie diese und prü­fen Sie, ob die Par­al­le­le Auf­nah­me von Nah­rungs­mit­teln – Auf­nah­me von geis­ti­gen In­hal­ten über­zeu­gend ist!
    1. Eine be­rühm­te Ro­man­fi­gur, die durch das Lesen von Bü­chern zu Scha­den ge­kom­men ist, ist Don Quicho­te. Lesen Sie sich den Aus­zug aus dem Werk von Cer­van­tes durch und be­ar­bei­ten Sie eine der bei­den Auf­ga­ben:
    2. Pla­ton un­ter­hält sich mit Cer­van­tes über die Ge­fahr durch Li­te­ra­tur. Ge­stal­ten Sie die­sen Dia­log!
  8. Nen­nen und er­läu­tern Sie Stel­len, die die Kri­tik Pla­tons an der Dich­tung un­ter­stüt­zen!
  9. Nun hat Cer­van­tes trotz des fal­schen Um­gangs sei­nes Ro­man­hel­dens mit Bü­chern sei­nen Roman ge­schrie­ben. Schrei­ben Sie aus Sicht von Cer­van­tes, wie er dies mög­li­cher­wei­se recht­fer­tigt und be­grün­det!

Ak­tua­li­sie­run­gen im Grie­chisch-Un­ter­richt: Her­un­ter­la­den [doc][403 KB]