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Exkurs: Weitere Texte

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

Exkurs: Weitere Texte (Oberstufenlektüre) zum Thema Medizin
Krankenversorgung in Babylon
Herodot erwähnt bei der Beschreibung der Stadt Babylon, wie die Einwohner dieser Stadt ihre Kranken versorgen.

δεύτερος δὲ σοφίῃ ὅδε ἄλλος σφι νόμος κατέστηκε . τοὺς κάμνοντας ἐς τὴν
ἀγορὴν ἐκφορέουσι . οὐ γὰρ δὴ χρέωνται ἰητροῖσι . προσιόντες ὦν πρὸς τὸν
κάμνοντα συμβουλεύουσι περὶ τῆς νούσου , εἴ τις καὶ αὐτὸς τοιοῦτο ἔπαθε ὁκοῖον
ἂν ἔχῃ κάμνων ἄλλον εἶδε παθόντα , ταῦτα προσιόντες συμβουλεύουσι καὶ
παραινέουσι ἅσσα αὐτὸς ποιήσας ἐξέφυγε ὁμοίην νοῦσον ἄλλον εἶδε
ἐκφυγόντα . σιγῇ δὲ παρεξελθεῖν τὸν κάμνοντα οὔ σφι ἔξεστι […]. (Herodot, I, 197)

Als zweiter Brauch ist mit Klugheit dieser andere bei ihnen etabliert worden: sie tragen die Kranken auf den Marktplatz. Denn sie haben keine Ärzte. Sie treten nun zu dem Kranken und raten ihm für seine Krankheit, wenn einer selbst an einer solchen Krankheit gelitten hat wie der Kranke oder wenn er einen anderen daran leiden sah. Sie treten heran, raten ihm dies und empfehlen das, wodurch er selbst die Krankheit überwunden oder wodurch er es bei einem anderen gesehen hat. Es ist nicht erlaubt, schweigend an dem Kranken vorbeizugehen. (Übersetzung: Uwe Neumann)

Aufgaben:

  1. Überlegen Sie sich die Vor- und Nachteile dieser Methode!
  2. Die Menschen in Babylon hätten sicherlich nicht an diesem Brauch festgehalten, wenn er nicht gewisse Erfolge gehabt hätte. Kann man die Heilerfolge dieser Methode mit unseren heutigen naturwissenschaftlichen Begriffen erklären?
  3. Heute gibt es den virtuellen Marktplatz des Internets und auf Portalen kann man mit anderen Teilnehmern über diverse Themen, auch über medizinische Fragen wie in der Herodot-Stelle diskutieren.
    Sehen Sie sich derartige Portale an (z.B.: Gute.frage.de) und wägen Sie Stärken und Schwächen dieser Angebote ab!

Euripides, Alkestis
Vorbemerkung
Die "Alkestis" zeigt die Schwierigkeiten, die notwendigerweise durch das göttliche Geschenk des Lebenstausches eintreten: Admet kann zwar einem frühen Tod entgehen, aber dazu muss er jemanden finden, der für ihn zu sterben bereit ist. Das Stück reflektiert die Problematik, den Wert eines Menschenlebens mit dem eines anderen zu vergleichen: Ist das Leben des relativ jungen Admet wertvoller und erhaltenswerter als das seines älteren Vaters? Admet argumentiert, als sei diese Frage durch ihre schiere Quantität lösbar. Sein Vater quantifiziert nicht, sondern verweist auf die Qualität seines Lebens. Letztlich ist kein Kriterium zu finden, weshalb das eine Leben es eher verdient, erhalten zu werden und das andere eher geopfert werden kann. Das Beispiel der "Alkestis" macht die Begrenztheit eines rein utilitaristischen Ansatzes deutlich.- Im Grunde dieselbe Problematik ist heute überall dort greifbar, wo es um das Verteilen knapper Mittel geht und besonders drängend erscheint sie im Bereich der Medizin: gibt es ein Alter, einen Gesundheitszustand, ab dem die eingesetzten Mittel reduziert werden können – oder im Interesse von anderen Gruppen müssen? Wie müssen der hohe Einsatz von Ressourcen für einzelne und die Interessen der Allgemeinheit in Balance gebracht werden? - Über diese ethische Problematik können die Ss. exemplarisch von der "Alkestis"-Stelle ausgehend, in der Admet mit seinem Vater Pheres streitet, diskutieren.

Euripides, Alkestis
Die "Alkestis" hat den Lebenstausch zum Thema: die Götter erlauben es dem König Admet, dem drohenden frühen Tod zu entgehen, sofern ein anderer Mensch bereit ist, für ihn zu sterben. In dem Stück zeigt sich, dass nur seine Frau, Alkestis, ihr Leben opfern will. Admet ist vor allem von seinen Eltern enttäuscht, die nicht für ihn, ihren einzigen Sohn, sterben wollten. Im nachfolgenden Gespräch macht Admet seinem Vater Pheres heftige Vorwürfe.


Euripides, Alkestis, 642ff.

 

642 ( ΑΔΜΗΤΟΣ ) τἄρα πάντων διαπρέπεις ἀψυχίαι ,
643 ὃς τηλικόσδ´ ὢν κἀπὶ τέρμ´ ἥκων βίου
644 οὐκ ἠθέλησας οὐδ´ ἐτόλμησας θανεῖν
645 τοῦ σοῦ πρὸ παιδός , ἀλλὰ τήνδ´ εἰάσατε
646 γυναῖκ´ ὀθνείαν , ἣν ἐγὼ καὶ μητέρα
647 καὶ πατέρ´ ἂν ἐνδίκως ἂν ἡγοίμην μόνην .
648 καίτοι καλόν γ´ ἂν τόνδ´ ἀγῶν´ ἠγωνίσω
649 τοῦ σοῦ πρὸ παιδὸς κατθανών , βραχὺς δέ σοι
650 πάντως λοιπὸς ἦν βιώσιμος χρόνος .
[…]

669 μάτην ἄρ´ οἱ γέροντες εὔχονται θανεῖν ,
670 γῆρας ψέγοντες καὶ μακρὸν χρόνον βίου ·
671 ἢν δ´ ἐγγὺς ἔλθηι θάνατος , οὐδεὶς βούλεται
672 θνήισκειν , τὸ γῆρας δ´ οὐκέτ´ ἔστ´ αὐτοῖς βαρύ .
673 ( ΧΟΡΟΣ ) παύσασθ´ , ἅλις γὰρ παροῦσα συμφορά ·
674 παῖ , πατρὸς δὲ μὴ παροξύνηις φρένας .
675 ( ΦΕΡΗΣ ) παῖ , τίν´ αὐχεῖς , πότερα Λυδὸν Φρύγα
676 κακοῖς ἐλαύνειν ἀργυρώνητον σέθεν ;
677 οὐκ οἶσθα Θεσσαλόν με κἀπὸ Θεσσαλοῦ
678 πατρὸς γεγῶτα γνησίως ἐλεύθερον ;
679 ἄγαν ὑβρίζεις καὶ νεανίας λόγους
680 ῥίπτων ἐς ἡμᾶς οὐ βαλὼν οὕτως ἄπει .
681 ἐγὼ δέ ς´ οἴκων δεσπότην ἐγεινάμην
682 κἄθρεψ´ , ὀφείλω δ´ οὐχ ὑπερθνήισκειν σέθεν ·
683 οὐ γὰρ πατρῶιον τόνδ´ ἐδεξάμην νόμον ,
684 παίδων προθνήισκειν πατέρας , οὐδ´ Ἑλληνικόν .
685 σαυτῶι γὰρ εἴτε δυστυχὴς εἴτ´ εὐτυχὴς
686 ἔφυς · δ´ ἡμῶν χρῆν σε τυγχάνειν ἔχεις .
687 πολλῶν μὲν ἄρχεις , πολυπλέθρους δέ σοι γύας
688 λείψω · πατρὸς γὰρ ταὔτ´ ἐδεξάμην πάρα .
689 τί δῆτά ς´ ἠδίκηκα ; τοῦ ς´ ἀποστερῶ ;
690 μὴ θνῆισχ´ ὑπὲρ τοῦδ´ ἀνδρός , οὐδ´ ἐγὼ πρὸ σοῦ .
691 χαίρεις ὁρῶν φῶς · πατέρα δ´ οὐ χαίρειν δοκεῖς ;
692 μὴν πολύν γε τὸν κάτω λογίζομαι
693 χρόνον , τὸ δὲ ζῆν σμικρὸν ἀλλ´ ὅμως γλυκύ .
[…]
711 ( ΑΔΜΗΤΟΣ ) ταὐτὸν γὰρ ἡβῶντ´ ἄνδρα καὶ πρέσβυν θανεῖν ;
712 ( ΦΕΡΗΣ ) ψυχῆι μιᾶι ζῆν , οὐ δυοῖν , ὀφείλομεν .
713 ( ΑΔΜΗΤΟΣ ) καὶ μὴν Διός γε μείζονα ζώηις χρόνον .

ADMET:
Gewiss an Feigheit übertriffst du alle Welt,
Der, so bejahrt, am Ziel des Lebens angelangt,
Den Willen nicht, den Mut zu sterben nicht besaß
Für seinen Sprößling, sondern dieses fremde Weib
Eintreten ließ, die ganz allein mit Recht von mir
Als Vater und als Mutter angesehen wird.
Und doch, du hättest einen schönen Kampf gekämpft,
Für deinen Sohn dich opfernd. Denn nur kurze Frist
War dein im ganzen noch vorhandner Lebensrest. […]
Ein leeres Wort ist's, wenn ein Greis den Tod sich wünscht,
Das Alter lästert und die lange Lebenszeit:
Erscheint die Todesstunde, dann will keiner mehr
Verscheiden und das Alter ist ihm keine Last.
CHOR:
Stell ein den Hader! Denn das gegenwärtige Leid
Ist groß genug schon. Reize nicht des Vaters Herz!
PHERES:
O Sohn, was denkst du? Steht ein Lyder, Phryger, ein
Um Geld gekaufter Sklave vor dir, den du schmähst?
Bedenkst du, dass ich edel freigeboren bin,
Thessalischer Bürger und thessalischen Vaters Kind?
Welch übermütge Schmähung! Hingehn soll dir's nicht,
So heftige Lästerung auszuschütten über mich!
Zum Herrn des Hauses hab ich dich erzogen und
Gezeugt; für dich zu sterben aber brauch ich nicht.
Dass Väter für die Söhne sterben, hab ich nicht
Ererbt als Ahnensitte nach hellenischem Brauch.
Dein Glück und Unglück hast du für dich selber, wie's
Auch falle - was ich schuldig war, das gab ich dir.
Du gebietest über vieles, viele Morgen Lands
Empfingst du, wie mein Vater mir sie hinterließ.
Wo ist das Unrecht? Was entzog, was nahm ich dir?
Stirb du für mich nicht und ich sterbe nicht für dich.
Dich freut das Leben - deinen Vater freut es auch!
Die Zeit im Grab ist lang genug, so dünkt es mir;
Das Leben währet kurze Frist, doch ist sie süß.
[…]
ADMETOS:
So wär es gleichviel, ob ein Greis, ein Jüngling stirbt?
PHERES:
Nur einmal lebt und stirbt man ohne Wiederkehr.
ADMETOS:
So leb denn ewig! Lebe längre Zeit als Zeus!
(Übersetzung: Johann Adam Hartung)

Aufgaben:

  1. Nennen Sie die Argumente mit griechischen Textbelegen, die Admet und Pheres jeweils für ihre Ansicht vorbringen!
  2. Informieren Sie sich über den ethischen Begriff des Utilitarismus. Welche Position, die des Admet oder die des Pheres, würde ein Anhänger dieser Richtung unterstützen?
  3. Schätzen Sie den Wert des utilitaristischen Denkens ein!
  4. In der heutigen Medizin gibt es eine ähnliche Problematik, wie sie sich in diesem Streitgespräch zeigt. Die Versorgung älterer Menschen kostet viel Geld. Wie würde eine Krankenkasse argumentieren, die wie Admet denkt? Was könnte ihm ein Betroffener, der wie Pheres argumentiert, entgegnen?
  5. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich und welche Probleme bleiben offen?

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