Besonderheiten im Verhalten
Das Verhalten autistischer Menschen wird oft als nicht sozial angemessen erlebt. Dies kann daran liegen, dass sie ein mangelndes Gespür für die Gegenseitigkeit im sozialen Austausch haben (Reziprozität), oder weil es ihnen schwerfällt, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Situationen werden durch eine Einschränkung, Gefühle und Gemütszustände im Gesichtsausdruck des Gegenübers zu erkennen, isoliert vom eigenen Standpunkt aus beurteilt (fehlende Reziprozität der Perspektive). Eine angemessene Interpretation von sozialen Situationen kann deshalb zu einem Stolperstein werden. Soziale Interaktionen und angemessenes Handeln sind für Menschen mit Autismus immer eine Herausforderung, weil die Gestik und Mimik des Gegenübers und die damit verbundenen Gefühle erfasst, eingeordnet und interpretiert werden müssen.
Viele Schülerinnen und Schüler mit Autismus fallen durch verzögerte Reaktionen in der Interaktion auf. Dies lässt sich dadurch erklären, dass soziale Belange und ungeschriebene Regeln des sozialen Miteinanders (zum Beispiel hidden curriculum) nicht intuitiv wahrgenommen und deshalb zuerst kognitiv verarbeitet werden müssen. Das Hineinversetzen in das Gefühlsleben anderer und das Erkennen derer Bedürfnisse, Absichten und Motive (Theory of Mind) ist den meisten Menschen mit Autismus nicht möglich. Sie können die Theory of Mind zwar teilweise als kognitive Strategie erwerben. Dieser Prozess benötigt in der Anwendung aber mehr Zeit als eine intuitive Reaktion, so dass es trotz Strategieerwerb häufig zu einer verlängerten Reaktionszeit kommt.
An den Vorlieben altersgleicher Kinder, wie zum Beispiel an Fangen- und Fußballspielen oder Unterhaltungen über Markenkleidung und Fanstickern auf dem Pausenhof, besteht bei Schülerinnen und Schülern mit Autismus häufig wenig Interesse. Altersgleiche Kinder und Jugendliche ohne Autismus können wiederum häufig nichts mit deren Vorlieben anfangen.
Für Menschen mit Autismus, denen es gelingt, eine Freundschaft zu schließen, ist die wirkliche Herausforderung der Erhalt der Freundschaft, da sie die Pflege von sozialen Kontakten und Beziehungen stark fordert und regelmäßig an die eigenen Grenzen führt.
Verständlicherweise ist die Alltagsbewältigung für Menschen mit Autismus in der Regel ungleich anstrengender als für andere Menschen. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass sie möglichst gleichbleibende Strukturen bevorzugen. Diese geben ihnen Halt und Sicherheit, während Veränderungen von Routinen Verwirrung schaffen und meist als unangenehm oder störend erlebt werden.
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