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Bild


Der mo­der­ne B.-Be­griff un­ter­schei­det das ma­te­ri­el­le B. in sei­ner sinn­lich wahr­nehm­ba­ren Prä­senz (engl. pic­tu­re) und das Vor­stel­lungs-B. (engl. image), das als geis­ti­ges Ver­mö­gen der Ein­bil­dungs­kraft die äu­ße­ren, ma­te­ri­el­len B. prä­for­miert. Beide Be­deu­tun­gen habe eine aus der → An­ti­ke stam­men­de Tra­di­ti­on: Das griech. eikón (›Ab­bild‹, ›Nach­bil­dung‹; lat. imago) be­tont die ma­te­ri­el­le Ei­gen­schaft des B. und die Ähn­lich­keit mit dem Vor-B., die in der Nach­ah­mungs­theo­rie (Mi­me­sis, → Nach­ah­mung) des Aris­to­te­les einen ers­ten Kunst­be­griff (→ Kunst) her­vor­brach­te. Das griech. eido­lon (›Schat­ten-‹, ›Spie­gel‹-B.) be­zeich­net bei Homer die To­ten­see­le, die sich als Schat­ten vom Kör­per löst, bei Pla­ton hin­ge­gen den von der Seele zu­rück­ge­las­se­nen toten Kör­per, der zum Trug-B. (Idol, lat. si­mu­la­crum) wird. Die geis­ti­ge, ide­el­le Ei­gen­schaft des B. und seine ma­te­ri­ell-ab­bild­haf­te Be­schaf­fen­heit waren immer wie­der Ge­gen­stand von Kon­tro­ver­sen, etwa dem B.-Streit der Re­for­ma­ti­on (→ Iko­no­klas­mus) und Ge­gen­re­for­ma­ti­on, die das neu­zeit­li­che Kunst-B. be­för­der­ten. Seit dem → Ico­nic Turn in der Mitte der 1990er Jahre steht der Ter­mi­nus ›B.‹ im Zen­trum einer neuen Grund­la­gen­for­schung der → Kunst­ge­schich­te, die sich als his­to­ri­sche B.-Wis­sen­schaft ver­steht und mit Fra­gen der Re­prä­sen­ta­ti­ons-, → Wahr­neh­mungs- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men von B. be­fasst. Die his­to­ri­sche B.-Wis­sen­schaft knüpft an die von Aby War­burg be­grün­de­te kul­tur­wis­sen­schaft­li­che Tra­di­ti­on der Kunst­ge­schich­te an, indem sie die For­schung um nicht-künst­le­ri­sche B. sowie glo­ba­le B.-Kul­tu­ren er­wei­tert. War­burg, der den B.-Be­griff in die Kunst­ge­schich­te ein­führ­te, sam­mel­te in sei­nem Bil­de­r­at­las MNE­MO­SYNE (hrsg. von Mar­tin Warn­ke und Clau­dia Brink, 2000) 1928/29 B. ohne Un­ter­schied der → Me­di­en, der → Epo­chen und Kunst­kon­tex­te. War­burgs Ar­beit über das Schlan­gen­ri­tu­al der Hopi-In­dia­ner (»A Lec­tu­re an Ser­pent Ri­tu­al«, in: Jour­nal of the War­burg In­sti­tu­te 2, 1938/39; dt. hrsg. von U. Raul­ff, 1988), seine Ty­po­lo­gie der Brief­mar­ken und der B.-Atlas mit B.-Zeug­nis­sen aus Hoch­kunst und Po­pu­lär­kul­tur von der An­ti­ke bis zur Ge­gen­wart in­iti­ier­te eine Kunst­ge­schich­te als B.-Ge­schich­te aller B.

Gott­fried Boehm (Was ist ein Bild?, 1995), Mit­be­grün­der des Ico­nic Turn , ver­stand das B. als iko­ni­schen Logos und stellt die zen­tra­le Frage: Wie Bil­der Sinn er­zeu­gen (2007). Boehm sieht die Auf­ga­be der Kunst­ge­schich­te darin, »den Logos des Bil­des in sei­ner his­to­ri­schen, wahr­neh­mungs­be­zo­ge­nen und be­deu­tungs­ge­sät­tig­ten Be­dingt­heit zu ver­ste­hen und aus­zu­le­gen.« Aus der Dif­fe­renz von Sag­ba­rem und Sicht­ba­rem er­schließt sich eine neue → Iko­no­lo­gie, die die abend­län­di­sche Tra­di­ti­on des Den­kens in B. als ei­ge­ne Ka­te­go­rie be­stimmt.

Hans Bel­tings Werk Bild-An­thro­po­lo­gie. Ent­wür­fe für eine Bild­wis­sen­schaft (2003) ba­siert auf der Trias von B., Kör­per und Me­di­um. Es un­ter­sucht die Be­zie­hung von Men­schen und B., den in­ne­ren B. der → Wahr­neh­mun­gen, Vor­stel­lun­gen, Träu­me, und den äu­ße­ren B., den Ar­te­fak­ten und → Sym­bo­len, die Men­schen her­stel­len. In­ne­re und äu­ße­re B. sind nicht von­ein­an­der zu tren­nen: Wir leben mit B. und ver­ste­hen die Welt in B. Me­di­en ma­chen B. sicht­bar, sie sind Kör­per des B., bild­ge­ben­de Ver­fah­ren, und be­stim­men die Form des B. Bel­ting ver­steht den mensch­li­chen Kör­per als le­ben­den B.-Spei­cher, das Ge­dächt­nis als kör­per­ei­ge­nes Ar­chiv und die Er­in­ne­rung als kör­per­ei­ge­ne B.-Er­zeu­gung. Im Me­di­um der B. liege somit ein dop­pel­ter Kör­per­be­zug: Die Trä­ger­me­di­en sind für Bel­ting der sym­bo­li­sche Kör­per der B.; die me­dia­len B. schrei­ben sich über die Wahr­neh­mung in uns ein und steu­ern die Kör­per­er­fah­rung. B.-Wahr­neh­mung ist ein Akt der Ani­ma­ti­on, in dem das B. vom Me­di­um ge­trennt und Vor­stel­lungs-B. wird. Kör­per­li­che oder men­ta­le B., so Bel­ting, ste­hen wie in einem Rück­kopp­lungs­ver­fah­ren in einem stän­di­gen Aus­tausch mit­ein­an­der.

Die Kunst­ge­schich­te, so Horst Bre­de­kamp in einem In­ter­view (in: Kri­ti­sche Be­rich­te 26, 1998, H. 1), hat ihre → Me­tho­den zwar am Ge­gen­stands­be­reich der von Zweck­be­stim­mun­gen frei­en bil­den­den Kunst ge­schärft, aber sie ist auch für den Be­reich der an­ge­wand­ten Küns­te zu­stän­dig. Prin­zi­pi­ell fal­len alle nach der An­ti­ke ge­schaf­fe­nen B. in den Auf­ga­ben­be­reich der Kunst­ge­schich­te. Die Her­aus­for­de­rung be­ste­he ge­ra­de darin, dass sich im Zuge des Ico­nic Turn auch an­de­re Fä­cher allen Arten von B. mit ei­ge­nen Per­spek­ti­ven ge­öff­net haben. Um sich von Pro­jek­ten ab­zu­gren­zen, die sich eben­falls ›Bild­wis­sen­schaft‹ nen­nen, stellt Bre­de­kamp (»Kunst­his­to­ri­sche Er­fah­run­gen und An­sprü­che«, in: Bild und Me­di­um. Kunst­ge­schicht­li­che und phi­lo­so­phi­sche Grund­la­gen der in­ter­dis­zi­pli­nä­ren Bild­wis­sen­schaft, hrsg. von Klaus Sachs-Hom­bach, 2006) drei Be­din­gun­gen für eine ›ra­di­ka­le‹ B.-Wis­sen­schaft: »die De­fi­ni­ti­on des Ge­gen­stan­des, der Auf­bau eines Bild­ar­chivs und die Ken­ner­schaft gro­ßer Men­gen an Bil­dern. Aus die­ser weit ge­fass­ten Per­spek­ti­ve ent­wi­ckelt sein Buch Theo­rie des Bild­akts (2010) eine grund­le­gen­de Seins- und Wir­kungs­ge­schich­te der B., die ihre »Ei­gen­kraft« als quasi le­ben­de Or­ga­nis­men ent­fal­ten.

Chris­tia­ne Kruse

Vol­ker Bohn (Hrsg.): Bild­lich­keit. In­ter­na­tio­na­le Bei­trä­ge zur Poe­tik. Frank­furt a. M. 1990. 2 1996.
Mar­tin Schulz: Ord­nun­gen der Bil­der. Eine Ein­füh­rung in die Bild­wis­sen­schaft. Mün­chen 2005. 2 2009.
Hans Bel­ting (Hrsg.): Bil­der­fra­gen. Die Bild­wis­sen­schaf­ten im Auf­bruch. Mün­chen 2007.
Mat­thi­as Bruhn: Das Bild. Theo­rie - Ge­schich­te - Pra­xis. Ber­lin 2009.
Le­xi­kon Kunst­wis­sen­schaft - Hun­dert Grund­be­grif­fe, Dit­zin­gen 2012 (Re­clam)

Warum Bil­der?

„Immer wie­der hat man die Frage ge­stellt, warum das Chris­ten­tum end­lich doch Bil­der ver­ehr­te. (…) Ge­meint sind nicht ge­wöhn­li­che, son­dern Bil­der, die ver­ehrt wur­den wie vor­dem die Idole der Hei­den. (…) Na­tür­lich sind damit ma­te­ri­el­le Bil­der ge­meint, die aber immer mit men­ta­len Bil­dern be­setzt sind. Sie ent­ste­hen, weil man sich an ihnen ‚ein Bild ma­chen‘ soll von dem, wofür sie ste­hen. In un­se­rem Fall ver­tre­ten sie eine Per­son, die man nicht sehen kann, weil sie ab­we­send (der Kai­ser) oder un­sicht­bar (Gott) ist: sonst brauch­te man sie nicht zu ver­eh­ren. Der ab­we­sen­de, im Bild ge­gen­wär­ti­ge Kai­ser – das ist eine alte Tra­di­ti­on. Für das Chris­ten­tum war aber die Dar­stel­lung des un­sicht­ba­ren Got­tes (auch wenn er in Jesus sicht­bar ge­wor­den ist) ein Pro­blem, das im Bil­der­streit be­kannt­lich es­ka­lier­te und ein Jahr­hun­dert lang die Theo­lo­gen in Atem hielt. (…)

Warum Bil­der? Die Frage lässt sich nicht von der Frage tren­nen, wer sich ihrer be­dien­te und was er damit tat. Sie gilt schon für den pri­va­ten Be­reich, in dem häus­li­che Pa­tro­ne gegen al­ler­lei Nöte an­ge­ru­fen wur­den. Man ver­si­cher­te sich ihrer phy­si­schen Prä­senz, um Ge­lüb­de oder Dank an sicht­ba­re Part­ner zu rich­ten, also ihre Bil­der zu be­krän­zen oder Ker­zen vor ihnen an­zu­zün­den. (…) Im staat­li­chen Be­reich hat­ten die Kai­ser bis dahin in der au­ra­ti­schen Selbst­dar­stel­lung die Ein­heit an sich ge­bun­den und Sieg oder Pro­spe­ri­tät in sich ver­kör­pert. Nun­mehr ver­wal­te­ten sie Bil­der Got­tes, die diese Funk­tio­nen über­nah­men und die Ein­heit des Rei­ches auf einer über­ir­di­schen Ebene ver­kör­per­ten. So­bald dies ge­schah, wur­den die Iko­nen zu Sie­gern, vor allem über Geg­ner, die an­de­ren Glau­bens waren und also nicht nur im Namen des Rei­ches, son­dern im Namen des Glau­bens be­siegt wer­den konn­ten.“

Hans Bel­ting „Bild und Kult“, Ver­lag C.H. Beck, Mün­chen, 1990 (Warum Bil­der?, S. 54/55)


Was ist ein Bild?

„Wer nach dem Bild fragt, fragt nach Bil­dern, einer un­über­seh­ba­ren Viel­zahl, die es fast aus­sichts­los er­schei­nen lässt, der wis­sen­schaft­li­chen Neu­gier einen Weg zu wei­sen.

Wel­che Bil­der sind ge­meint: ge­mal­te, ge­dach­te, ge­träum­te? Ge­mäl­de, Me­ta­phern, Ges­ten? Spie­gel, Echo, Mi­mi­kry? Was haben sie ge­mein­sam, das sich al­len­falls ver­all­ge­mei­nern ließe? Wel­che wis­sen­schaft­li­chen Dis­zi­pli­nen gren­zen an das Phä­no­men Bild? Gibt es Dis­zi­pli­nen, die nicht daran gren­zen?

Mit der dif­fu­sen All­ge­gen­wart des Bil­des lie­ßen sich man­nig­fa­che Ar­gu­men­te und Theo­ri­en ver­knüp­fen. Wie immer sie sich aus­rich­ten mögen, sie mün­den zu­rück in ein Feld ele­men­ta­rer Fra­gen. Wen ein spe­zi­el­les In­ter­es­se lei­tet: das Bild als Me­ta­pher, als Ka­te­go­rie der bil­den­den Kunst oder als elek­tro­ni­sches Si­mu­la­ti­ons­er­eig­nis zu ver­ste­hen, der möch­te am Ende doch wis­sen, mit wel­cher Art Bild­lich­keit er um­geht. Was macht Bil­der spre­chend? Wie las­sen sich der Ma­te­rie (der Farbe, der Schrift, dem Mar­mor, dem Film, der Elek­tri­zi­tät etc.) aber auch dem mensch­li­chen Gemüt Be­deu­tun­gen über­haupt ein­prä­gen? Wie ver­hält sich das Bild (und mit ihm alle nicht-ver­ba­len Aus­drucks­for­men der Kul­tur) zur alles do­mi­nie­ren­den Spra­che?“

Gott­fried Boehm (Hrsg.) „Was ist ein Bild?“, Wil­helm Fink Ver­lag Pa­der­born, 1994,
(Die Wie­der­kehr der Bil­der, S. 11):


Theo­rie des Bild­akts

Hin­weis

Text­aus­zug: Horst Bre­de­kamp „Theo­rie des Bild­akts“, Suhr­kamp Ver­lag Ber­lin, 2010,
(Bild­le­ben und Enárgeia, S. 21-23)

 

Un­ter­richts­pro­jek­te ver­bin­den z.T. meh­re­re bild­ne­ri­sche Be­rei­che:

„Bild“- Zu­gän­ge

„Bild“- im Mu­se­um

„Bild“- im Un­ter­richt

„Die Fähr­te des Löwen“

Story, Bild und Bühne

Li­te­ra­tur­lis­te

 

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