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Vorbemerkungen zum Thema und Argumentationshilfen

  • Wege von Radikalisierung und Ausprägungen von politischem Extremismus sind äußerst vielfältig. Das vorliegende Unterrichtsmodul versucht diesem großen Spektrum verschiedener politischer Gesinnungen im Spiegel von Songtexten und Künstlern/Bands durch eine entsprechende Auswahl im Sinne eines „Materialangebots“ gerecht zu werden.
  • Allen extremistischen Bewegungen gemeinsam sind eine gruppenbezogene Menschenfeindlich- keit und pauschalisierende Abwertungskonstruktionen, für die gerade junge Menschen oft empfänglich sind. Dies den Schüler*innen bewusst zu machen, wäre ein großer Unterrichtserfolg.
  • Schnittmengen bestimmter ideologischer Elemente von ganz verschiedenen radikalen Gruppen konnten im PRIF-Report1 des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung herausgearbeitet werden. Diese sog. „Brückennarrative“ sind - kurzgefasst:
    • Antisemitismus (mit Anti-Imperialismus, Anti-Modernismus und Anti-Universalismus)
    • Antifeminismus
    • Rechtfertigung von Widerstand und Gewalt.
  • Die unterschiedlichen Facetten aktueller politischer Musik im Rahmen des Unterrichts gleichermaßen differenziert darzustellen, ist weder möglich noch sinnvoll, sodass stets im Sinne des exemplarischen Lernens vorgegangen werden sollte.
  • Es liegt in der Hand der Lehrkraft, übergeordnete Fragestellungen selbst zu formulieren. „Querschnittsanalysen“ verschiedener Songs könnten beispielsweise durch folgende Fragen angeleitet werden:
    • „Würden Sie als Staatsanwältin/ Staatsanwalt alles gegen diese(n) Song(s) aufbieten, um eine Indizierung zu bewirken, oder würden Sie diese(n) Song(s) im Sinne des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung verteidigen?“
    • Oder: „Welche Eigenschaften werden in den Songtexten der jeweils eigenen Gruppe zugeschrieben und welche den „Gegnern“?
    • Oder: „Wie werden in den Songtexten jeweils Männer und Frauen und ihr Verhältnis zueinander dargestellt?“
    • etc.
  • Auch bei Querschnittsanalysen wird eine Schwerpunktsetzung unerlässlich, sie liegt im vorliegenden Modul bei Musikbeispielen der rechtspopulistischen und rechtsextremen Musikszene. Begründung:
    • Laut Bundesinnenministerium geht derzeit die größte Gefahr für die innere Sicherheit vom Rechtsextremismus aus. Dem häufig vorgebrachten Argument „Die Linksextremen (auch: Islamisten) sind doch genauso gefährlich“ kann man als Lehrkraft mit Verweis auf den Bundeserfassungsschutzbericht 2020 und die darin enthaltenen Statistiken begegnen, auch auf die Aussagen des Bundesinnenministers und des Innenministers von Baden-Württemberg hierzu.
    • Rechtspopulistische bzw. rechtsextreme Musik ist und bleibt ein wichtiges identitätsstiftendes Element der rechten Szene und spricht besonders Jugendliche an, die die hochmanipulativen Texte schnell verinnerlichen und bei Gleichgesinnten Gemeinschaft und Orientierung suchen. Diese Musik wird nach wie vor im schulischen Umfeld und inzwischen vor allem im Internet verbreitet. Sie ist dort auf vordergründig harmlosen Seiten unter ebenso harmlosen Titeln frei verfügbar. Selbst indizierte Songs lassen sich problemlos im Internet verbreiten über ausländische Server, gegen die das deutsche Jugendschutzgesetz machtlos ist.
    • In der deutschsprachigen Popmusik finden sich aktuell vermehrt Künstler, Bands und Songs, die mit rechtem Gedankengut „spielen“ oder offenkundig nahestehen, die also rechtspopulistische, antisemitische, völkische oder auch verschwörungstheoretische Ideen in ihren Songs transportieren, meist versteckt oder verschlüsselt.
    • Rechtspopulistische Parolen sind heute an der Tagesordnung, sie (sollen) polarisieren und schaffen dadurch in der Gesellschaft ein Klima der Aggression, Angst und Spaltung. Ein deutlicher „Rechtsruck“ ist in ganz Europa (und darüber hinaus) erkennbar, der sich vor allem durch klare Feindbilder auszeichnet und diese im öffentlichen Diskurs manifestiert (z.B. Flüchtlinge, Islam, „Gutmenschen“, „Ökofaschisten“, „Linksversiffte“, „Multi-Kultis“, „Lügenpresse“, „jüdische Hochfinanz“, „Gender-Wahn“ usw.).
  • Was bedeutet „Rechtsextremismus“ genau?

    Es existieren verschiedene Ideen, was Rechtsextremismus ist. Rechtsextremismus ist kein einheitliches Phänomen, sondern kommt in unterschiedlichen Ausprägungen vor. Daneben gibt es andere Begriffe wie Faschismus oder Neonazismus, aber auch Rechtsradikalismus, die immer wieder vorkommen. Allgemein lässt sich sagen, dass sich Rechtsextremismus als Ober- und Sammelbegriff durchgesetzt hat. Kurz und knapp:

    • Rechtsextremisten gehen von einer Ungleichwertigkeit von Menschen aus.
    • Rechtsextremisten verharmlosen und rechtfertigen den Nationalsozialismus.
    • Rechtsextreme haben eine Affinität zu diktatorischen Regierungsformen.
    • Rechtsextreme finden, dass die Gemeinschaft vor dem und der Einzelnen steht und Bürger*innen sich der Staatsräson unterordnen sollen.2
  • Das Themenfeld Islamismus, Dschihadismus, Salafismus etc. als weitere Ausprägungen politischen Extremismus‘ wurden in diesem Unterrichtsmodul weitgehend ausgeklammert. Wer hier dennoch einen unterrichtlichen Beitrag leisten möchte, findet ein interessantes Beispiel mit Dennis Cuspert alias Deso Dogg, dessen Werdegang vom Rapper zum Dschihadisten und IS- Anhänger äußerst aufschlussreich ist.
  • Die Auseinandersetzung mit Begrifflichkeiten, Positionen, Sprachgebrauch und Ideologie der rechten Szene hat nicht nur Prävention zum Ziel, sondern vor allem Aufklärung und demokratische Bildung. Bei diesem Thema drängt sich ein fächerverbindendes Unterrichten, besonders im Zusammenschluss mit Geschichte und Gemeinschaftskunde geradezu auf.
  • Grundlage für jegliche Positionierung und Meinungsäußerung der Lehrkraft ist neben dem Schulgesetz für Baden-Württemberg (§ 1 Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule) und der „freiheitliche demokratischen Grundordnung“ (§ 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes) auch der „Beutelsbacher Konsens“ (1976), der die Lehrkräfte gegen Indoktrination, aber nicht zur Wertneutralität verpflichtet: „Selbstverständlich sind Lehrkräfte zuallererst dazu verpflichtet, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und damit die Werte des Grundgesetzes und der Landesverfassung einzutreten. Zudem haben sie die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler im Geiste der Demokratie, Menschenwürde und Gleichberechtigung zu erziehen. Die dafür notwendige Überparteilichkeit ist nicht mit Wertneutralität zu verwechseln."

 

1 Meiering, David/Dziri, Aziz/Foroutan, Naika/Teune, Simon/Lehnert, Esther/Abou Taam, Marwan (2018): Brückennarrative - Verbindende Elemente für die Radikalisierung von Gruppen, PRIF Report 7/2018, Frankfurt/M

2 Konsens Definition „Rechtsextremismus“, dargestellt durch die Landeszentrale für politische Bildung BW unter https://www.demokratie-bw.de/rechtsextremismus (zuletzt abgerufen am 21. 08. 2021).

 

Aktuelle politische Musik: Herunterladen [pdf][629 KB]

 

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