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Sokrates im Gespräch

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Text 5 wird hier nicht dargestellt, ist aber im unten stehenden Download verfügbar!

Beschreibung

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  • Erläutern Sie vor dem Hintergrund des Höhlengleichnisses, welches Ziel hinter dem sokratischen Fragen – hier konkret nach der ἀρετή – steckt.
  • Diskutieren Sie mit Ihrem Sitznachbarn einen Begriff Ihrer Wahl, z.B.:
    • Was ist Freundschaft? Glück? Tapferkeit?
    • Achten Sie beim Definitionsversuch Ihres Gegenübers besonders auf Elemente, die Ihnen fehlen oder die ihnen in gewissen Situationen als unpassend erscheinen.
    • Versuchen Sie gemeinsam, zu einer möglichst knappen Definition zu kommen, die auf  Beispiele verzichtet.

Die Kardinaltugenden
Als Gruppe der wichtigsten ἀρεταί gelten Platon σωφροσύνη, ἀνδρεία, σοφία und, als oberste, δικαιοσύνη.
Die Frage, ob diese später als Kardinaltugenden (lat. cardo - die (Tür-)Angel) bezeichneten Eigenschaften im Lauf des Lebens erworben werden können – dies war ja Menons Ausgangsfrage – oder ob sie dem Menschen schicksalhaft, bzw. durch göttliche Fügung in höherem oder geringerem Maß zuteil werden, beantwortet Platon nicht durchgehend gleich. Während in den früheren Dialogen der – offenbar sokratische – Gedanke leitend zu sein scheint, dass Tugend ein Wissen ist und das richtige Handeln mit dem wahren Wissen um Recht und Unrecht kommt, also Produkt der Philosophie ist, legt die Politeia nahe, dass die Menschen mit unterschiedlichen Tugendbegabungen zur Welt kommen.
Die Seele
Die Seele (ψυχή) ist für Platon der Sitz des menschlichen Lebens, der menschlichen Vernunft und der ἀρετή, und damit der eigentliche Mensch selbst.
Sie ist der unvergängliche Teil des Menschen. Wenn der Mensch philosophisch lebt und alles Leiblich-Sinnliche so weit wie möglich ablegt, kann sie sich Gott so weit annähern, wie das dem Menschen nur möglich ist. Mythen wie der Jenseitsmythos aus dem Gorgias sind wichtig für das Verständnis der Sicht Platons auf Recht und Unrecht. Indem er mit einem jenseitigen Gericht über die menschliche Seele rechnet, der die Richter jede Verfehlung ansehen, geht die Frage nach dem richtigen Leben über das Hier und Jetzt der Gesellschaft und des einzelnen menschlichen Lebens hinaus.
In der Politeia stellt Sokrates die Seele als dreigeteilt dar. Die gleichzeitige Faszination und Ablehnung, auf die  manche Dinge beim Menschen stoßen – jedes Abwägen eines Risikos und jede ungesunde, aber irgendeine Sinnenbefriedigung versprechende Versuchung kann als plakatives Bespiel dienen – erklärt er mit dem Vorhandensein eines ἐπιθυμητικόν, eines »begehrlichen« Seelenteils, eines θυμοειδές, eines »muthaften« und eines λογιστικόν, eines »vernünftig-denkenden« Teils der Seele.
Die Seele und die Dreiteilung des Staates
In der im Einleitungstext zum Höhlengleichnis genannten Analogie aus Individuum und Gesellschaft wird letztere ebenfalls in drei Teile geteilt. Die große Mehrheit des Staatsvolks wird von den Menschen gebildet, bei denen das ἐπιθυμητικόν in der Seele vorherrscht. Die Kardinaltugend, die diesem Stand als leitende Tugend zugeordnet wird, ist die σωφροσύνη. Aus dieser Gruppe rekrutieren sich alle Handwerker, Händler, Landwirte usw.
Im viel kleineren zweiten Teil der Gesellschaft herrscht das θυμοειδές in der Seele mit der Kardinaltugend der ἀνδρεία vor. Seine Vertreter bilden die Polizei und die Streitkräfte des entworfenen Staates. Von diesen φύλακες schließlich wird noch eine sehr kleine Zahl ausgewählt – es sind dies diejenigen, die den Gang zur Schau der Idee des Guten bewältigen können – und fungiert als ἄρχοντες. In ihnen herrscht das λογιστικόν und als Tugend die σοφία vor.
Tut in diesem Staat jeder, was seine Aufgabe ist – τὰ ἑαυτοῦ πράττει – (als Kind von Eltern des einen Standes für einen anderen bestimmt zu werden ist übrigens möglich), herrscht in dem Staatswesen die δικαιοσύνη. Entsprechend der Analogie gilt dasselbe für den einzelnen Menschen: Wo die Teile der Seele unter der Herrschaft des λογιστικόν stehen, da ist Gerechtigkeit.
Platons Politeia – eine totalitäre Vision?
Viele Elemente des platonischen Idealstaatsentwurfs schrecken uns als Mitglieder einer offenen demokratischen Gesellschaft, deren integraler Bestandteil die Freiheit zu individuellen Lebensentwürfen ist, ab:
Kinder des Wächter- und Philosophenherrscherstandes werden unmittelbar nach der Geburt den Eltern entzogen, die Familie als solche spielt in den oberen beiden Ständen keine Rolle mehr. Die Dichtung wird einer radikalen Zensur unterzogen, weil sichergestellt werden soll, dass Jugendliche keinen Geschichten über ethisch
fragwürdiges Verhalten von Göttern und Menschen ausgesetzt werden.
Die von uns empfundene Radikalität des Textes sollten wir vor dem Hintergrund seiner
Entstehungsbedingungen (vgl. 7. Brief, Text 1) zu verstehen versuchen und kein politisches Revolutionsprogramm darin sehen, das Platon meint nur aus der Schublade ziehen zu müssen. An mehreren Stellen lässt Platon Sokrates betonen, wie schwer vorstellbar es sei, seine Ideen im Hier und Jetzt umzusetzen. – Generell gilt, dass wir Platons Texte natürlich nicht als handlungsleitenden Orientierungskodex lesen. Sie können uns aber auf Themen, Probleme und Chancen des Menschseins und menschlicher Gemeinschaften aufmerksam machen, auch wenn wir Platons Schlüsse nicht teilen. Ein solches, auch heute relevantes gesellschaftliches Thema ist der abstrakt-formale Wert des Rechtsstaates, auf den Sokrates seinen Gesprächspartner im folgenden Text aufmerksam macht.

 

Texte Platons zur Ethik: Herunterladen [docx][251 KB]

 

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