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Kleist, „Der zer­bro­che­ne Krug“

Hein­rich von Kleist (1777 – 1811), Der zer­bro­che­ne Krug (1808)
Beim Be­trach­ten eines Kup­fer­stichs mit einer schwank­haf­ten Ge­richts­sze­ne kommt dem Dich­ter Hein­rich von Kleist die Oidi­pus-Tra­gö­die in den Sinn. Aus die­ser Idee ent­steht dann eine der schöns­ten deut­schen Ko­mö­di­en.

Vor­re­de

„Die­sem Lust­spiel liegt wahr­schein­lich ein his­to­ri­sches Fac­tum, wor­über ich je­doch keine nä­he­re Aus­kunft habe auf­fin­den kön­nen, zum Grun­de. Ich nahm die Ver­an­las­sung dazu aus einem Kup­fer­stich*, den ich vor meh­re­ren Jah­ren in der Schweiz sah. Man be­merk­te dar­auf – zu­erst einen Rich­ter, der gra­vi­tä­tisch auf dem Rich­ter­stuhl saß: vor ihm stand eine alte Frau, die einen zer­bro­che­nen Krug hielt, sie schien das Un­recht, das ihm wi­der­fah­ren war, zu de­mons­trie­ren; Be­klag­ter, ein jun­ger Bau­er­kerl, den der Rich­ter, als über­wie­sen, an­don­ner­te, ver­tei­dig­te sich noch, aber schwach: ein Mäd­chen, das wahr­schein­lich in die­ser Sache ge­zeugt hatte (denn wer weiß, bei wel­cher Ge­le­gen­heit das De­lic­tum ge­sche­hen war) spiel­te sich, in der Mitte zwi­schen Mut­ter und Bräu­ti­gam, an der Schür­ze; wer ein fal­sches Zeug­nis ab­ge­legt hätte, könn­te nicht zer­knirsch­ter da­stehn: und der Ge­richts­schrei­ber sah (er hatte viel­leicht kurz vor­her das Mäd­chen an­ge­se­hen) jetzt den Rich­ter miß­trau­isch zur Seite an, wie Kreon, bei einer ähn­li­chen Ge­le­gen­heit, den Ödip [über der Zeile: als die Frage war, wer den Lajus er­schla­gen?]. Dar­un­ter stand: der zer­bro­che­ne Krug. – Das Ori­gi­nal war, wenn ich nicht irre, von einem nie­der­län­di­schen Meis­ter.“

*Le juge ou la cru­che cassée, Kup­fer­stich von Jean Jac­ques Le Veau (1729-1785) nach einem Ge­mäl­de von Phi­li­bert-Louis De­bu­court.

Kleist

Beschreibung

Kleist

Kleist

Auf­ga­ben

  1. Dis­ku­tie­ren Sie, wel­che Per­son des Kup­fer­stichs wel­cher Tra­gö­di­en­fi­gur ent­spricht. Lässt sich immer eine ein­deu­ti­ge Ent­spre­chung fin­den?
  2. Su­chen Sie nach wei­te­ren Par­al­le­len zwi­schen der in der Vor­re­de an­ge­deu­te­ten Ko­mö­di­en­hand­lung und dem Oidi­pus­stoff (z. Bsp.: Um wel­che De­lik­te han­delt es sich je­weils?). 
    Die Zer­stö­rung des Kru­ges ent­spricht in­so­fern der Tö­tung des Laios, als es sich je­weils nicht um das schwer­wie­gends­te De­likt han­delt; das schlim­me­re Ver­ge­hen (be­gan­gen an Eve bzw. Io­kas­te) ist in bei­den Fäl­len se­xu­el­ler Natur.
  3. Die von Schil­ler an­ge­deu­te­te Trans­for­ma­ti­on der Oidi­pus­fa­bel ins Ko­mi­sche wird gleich in der ers­ten Szene von Kleists Ko­mö­die deut­lich. Un­ter­su­chen Sie, wel­che aus der Tra­gö­die be­kann­ten Mo­ti­ve er im Dia­log zwi­schen Adam und Licht an­klin­gen lässt.

    z. Bsp.:
    • Fehl­tritt (ἁμαρτία); bei Kleist: Strau­cheln (3 f.: … Zum Strau­cheln braucht’s doch nichts als Füße. / Auf die­sem glat­ten Boden, ist ein Strauch hier?)Tra­gi­sches Schul­dig­wer­den wird ins Ko­mi­sche (mit Wort­witz) trans­for­miert.
    • Die Erb­sün­de (9: Ihr stammt von einem lo­ckern Äl­ter­va­ter …) ent­spricht der Ver­flu­chung des Laios.
    • Schwell­fuß/Klump­fuß
    • Motiv des Spie­gels: Adam sieht nicht die Ver­let­zun­gen in sei­nem Ge­sicht, bis Licht (!) ihm den Spie­gel bringt. Ins­be­son­de­re dis­ku­tie­ren die bei­den dar­über, ob auch das Auge ge­lit­ten hat (44 ff.).
    • Der kluge Oidi­pus löst in sei­nem Scharf­sinn das Rät­sel der Sphinx, er­kennt aber nicht sich selbst und seine Schuld (Motiv des Se­hens, der Selbst­er­kennt­nis, vgl. die Tei­re­si­as­sze­ne).

 

Die Grie­chi­sche Tra­gö­die: Her­un­ter­la­den [docx][65 KB]

Die Grie­chi­sche Tra­gö­die: Her­un­ter­la­den [pdf][950 KB]

 

Wei­ter zu Leis­tungs­mes­sung