Gestaltungsraster: Der Bauplan der Gestaltung
Hilfe! Ich soll gestalten!
Für den Ungeübten stellt ein leeres Blatt Papier und der Auftrag zur Gestaltung ein fast schon unüberwindliches Hindernis dar. Wo soll die Überschrift hin? Und wie groß soll sie werden? Wo beginnt der Text? Und die Bilder? Wie verteilt man die? Und wie groß sollen sie werden?
Für die schwierige Aufgabe der Organisation von Text und Bild/Grafik auf einem Format braucht man Übung und vor allem ein geeignetes Hilfsmittel. Gemeint ist hier kein Zusatzrechner oder eine neue Software, sondern ein Hilfsmittel zur grafischen Konstruktion von Seiten: der (!) Gestaltungsraster. So bezeichnet man den Bauplan der Gestaltung“, der den Seiten eines mehrseitigen Druckwerkes unsichtbar zu Grunde liegt.
Grundlagen
Mehrseitige und vor allem periodisch erscheinende Printprodukte erfordern zwingend eine Vereinheitlichung und Standardisierung der Seitengestaltung. Einzelseiten, Kapitel und Teile von z. B. Zeitschriften können nicht im wöchentlichen Rhythmus neu gestaltet werden. Eine fortwährende Neugestaltung wäre viel zu aufwändig und auch kontraproduktiv. Nur bei der Raster-Verwendung ist eine effektive Kreativarbeit möglich, die gleichzeitig dem Leser die Aufnahme der Information durch wiederkehrende gestalterische Konstanten erleichtert.
Rasterarten
Jeder arbeitet ständig mit der einfachsten Form eines Gestaltungsrasters. Denn nichts anderes stellen die Ränder im Textverarbeitungsprogramm dar. Innerhalb dieser Ränder erstellen diese Programme einen einspaltigen Raster, in den der Text der Seite durch Eingabe mittels Tastatur platziert wird. Die Seitenränder bilden also den Satzspiegel , die Begrenzungslinien werden automatisch als ordnende Struktur benutzt, diese Vorstruktur ist bereits im Programm angelegt. Allerdings gibt es keinen Anhaltspunkt für verschiedene Bildgrößen, abgesehen von der vollen Satzbreite. (Die Abbildungen werden deshalb oft in beliebiger Größe mittig im Satzspiegel platziert. So entsteht bereits ein gestalterisches „Durcheinander“ ohne optische Bezugspunkte.)
Bei der Konstruktion des Satzspiegels (Größe und Position) müssen wieder die Vorgaben für das Produkt beachtet werden:
- Ist das Produkt einseitig oder mehrseitig?
- Wird die Gestaltung symmetrisch oder asymmetrisch?
- Kann die Textmenge einspaltig oder muss die Textmenge mehrspaltig platziert werden?
Breite Formate bedingen unter Umständen die Verwendung eines mehrspaltigen Rasters, da sonst zu lange Zeilen entstehen. Die Anzahl der Spalten in diesem Spaltenraster hängt also vom Format ab, sie definiert die Dynamik (Variabilität) des Rasters:
- Spaltenbreite: Passende Satzbreite in der Grundschrift (50 bis 70 Anschläge pro Zeile)
- Spaltenhöhe: Satzspiegelhöhe auf ganze Vielfache des Grundlinienrasters erweitern und anschließend den Satzspiegel optisch richtig auf der Seite platzieren.
Die hier zu verwendenden Bildbreiten stellen dabei ein Vielfaches einer Textspalte dar, die Bildhöhe ergibt sich aus dem jeweils abgebildeten Motiv:
- Begrenzung oben: Versaloberkante der Grundschrift
- Begrenzung unten: Schriftlinie im Grundlinienraster
- Idealmaß für den Spaltenabstand: Zeilenabstand der Grundschrift
Zur übersichtlichen Präsentation von großen Text- und Bildmengen empfiehlt sich weiterhin auch eine horizontale Einteilung der Seite vorzunehmen. Diesmal allerdings nicht im Bereich des Grundlinienrasters, sondern als Zellenraster .
Wie entstehen dabei die Zellen? Die kleinste Bildgröße definiert hierbei die kleinste Zellengröße (Zellenbreite = Spaltenbreite, die Zellenhöhe ergibt sich aus den Proportionen eines Querformats). Weitere zu verwendende Spaltenbreiten und Bildgrößen sind jeweils Vielfache der kleinsten Zellengröße. In diesen Modulraster werden nach der Festlegung der Bildgrößen die Medien Text und Bild mit Variationen auf einzelnen oder mehreren Zellen platziert. Das Modulraster stellt dabei jedoch keine Beschränkung der Kreativität, sondern eine neue variantenreiche Freiheit dar. Es entsteht kreatives Design mit ordnenden Konstanten, die dem ganzen Produkt ein unverwechselbares Gesicht verleihen.
Die genannten Raserarten können natürlich auch in Kombination verwendet werden. Diese Arbeit stellt jedoch höchste Ansprüche an den Gestalter und erfordert insofern ein großes Maß an Layoutroutine und Gestaltungssicherheit.
Warum soll ich einen Raster verwenden?
Die schwierige Disziplin der Organisation von Text und Bild auf der Seite macht eine gewisse Vorstruktur notwendig. Mit dem unsichtbaren Raster und seinen Orientierungslinien bekommen die Informationselemente Halt und Struktur. Dabei wird nicht alleine die Seite organisiert, sondern in gleichem Maße die Arbeit des Gestalters. Ist die Arbeit am Layout erledigt kann sich der Autor ganz auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren. So kann die anfangs erwähnte „Gestaltungshemmung“ überwunden werden.