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Bericht

Beschreibung vollkommener Schönheit

Ein Videoprojekt der Jahrgangsstufe 2 / Kaufmännische Schule - Integrierten Beruflichen Gymnasiums Lahr - Bericht von Felix Schwörer, Lehrer am IBG Lahr

Christian Hofmann von Hofmannswaldau:

Beschreibung vollkommener Schönheit

Ein Haar, so kühnlich Trotz der Berenike spricht,
Ein Mund, der Rosen führt und Perlen in sich heget,
Ein Zünglein, so ein Gift vor tausend Herzen träget,
Zwo Brüste, wo Rubin durch Alabaster bricht,
Ein Hals, der Schwanenschnee weit, weit zurücke sticht,
Zwei Wangen, wo die Pracht der Flora sich beweget,
Ein Blick, der Blitze führt und Männer niederleget,
Zwei Arme, deren Kraft oft Leuen hingericht’t,
Ein Herz, aus welchem nichts als mein Verderben quillet,
Ein Wort, so himmlisch ist und mich verdammen kann,
Zwei Hände, derer Grimm mich in den Bann getan
Und durch ein süßes Gift die Seele selbst umhüllet,
Ein Zierat, wie es scheint, im Paradies gemacht,
Hat mich um meinen Witz und meine Freiheit bracht.

Arbeitstexte, S. 12 f.


Videocollage der Klasse JG 2 / KS des Integrierten Beruflichen Gymnasiums Lahr [ C ]

  1. Die Gruppe
    Das Videoprojekt wurde mit einem Kurs der Jahrgangsstufe 2 (Klasse 13) durchgeführt. Der Kurs besteht aus insgesamt 25 SchülerInnen, darunter neun Schüler und 16 SchülerInnen. Die KursteilnehmerInnen hatten bis zum Zeitpunkt der Durchführung keinerlei Erfahrungen mit Videoprojekten in der Schule.
  2. Vorüberlegungen und Organisatorisches
    Das Videoprojekt wurde vor der eigentlichen Realisierungsphase vorbesprochen, um sicher gehen zu können, dass sich die SchülerInnen über einen ausreichend langen Zeitraum auseinander setzen können mit der „Einwilligung zur Verwendung von Personenabbildungen und personenbezogenen Daten von Schülerinnnen und Schülern“. Dieses Formular wurde im Unterricht thematisiert und ausführlich besprochen (was sich im Nachhinein als wichtig herausstellte, da Missverständnisse ausgeräumt sowie Fragen beantwortet werden konnten), die eigentlichen Verwendungszwecke des Videos wurden aufgezeigt, außerdem wurde die Planung der Einheit von mir offen gelegt, so dass die SchülerInnen genau wussten, was auf sie zukam.
    Das Videoprojekt bildete den Abschluss einer Einheit zur Gedichtsinterpretation, die im Rahmen der Vorbereitung auf das schriftliche Abitur unter dem übergeordneten Thema „Liebeslyrik“ stand. Nach intensiven Übungen zur Gedichtinterpretation sollte dieses praktische Arbeiten am Gedicht einen anderen Zugang zum Text ermöglichen, der nicht über die formalen Vorgaben einer Gedichtsinterpretation unter Verwendung vorgeschriebener Analysetechniken stattfinden sollte.
  3. Das Videoprojekt
    In den Vorüberlegungen mit Frau Evers kristallisierte sich eine Aufteilung des Projekts in vier Phasen heraus:
    1. Die erste Phase umfasste die Vorbesprechung mit dem Kurs. In der Retrospektive zeigte sich, dass diese Vorbesprechung eine ganz wichtige Funktion hatte: Die SchülerInnen hatten viele Fragen, die sich in dieser Phase klären ließen. Es stellte sich heraus, dass einige die Unterschrift zur Einwilligung in die Verwendung der Arbeitsergebnisse wohl nicht gegeben hätten, wenn die Beantwortung der Fragen ausgeblieben wäre. Als ebenso wichtig stellte sich heraus, dass die Klärung von Fragen zum Copyright unerlässlich ist, da das Problembewusstsein der SchülerInnen in diesem Bereich zum Teil wenig entwickelt ist. Als weiterhin sehr wichtig wurde auch von den SchülerInnen im Nachhinein die Offenlegung der Planungsstrukturen empfunden: Die Besprechung der Vorgaben (Welche Notizen müssen geführt werden? Welche Vorplanungen werden von den Gruppen erwartet? etc.) erlaubte den KursteilnehmerInnen den Zeithorizont besser zu überschauen und die Arbeitszeit für sich besser einzuteilen.
    2. Die Gruppeneinteilung und die Arbeiten am Storyboard
      Die SchülerInnen durften sich ihre Gruppen selbst einteilen, was sich im Nachhinein für das erste Projekt als richtig erwies. Die SchülerInnen hatten die organisatorischen Vorgaben, wie Arbeiten am Storyboard sowie die Erfüllung der anderen Planungsvorgaben innerhalb einer Doppelstunde zu erarbeiten (z.B. die Organisation der Jobzuteilung, die Besprechung der Requisitenbeschaffung etc). Deshalb wurde auch dem Kurs das zu verfilmende Gedicht vorgegeben, damit nicht zu viel Zeit mit der Suche nach einer geeigneten Textvorlage nötig war. Die Zuteilung der jeweiligen Strophen wurde in einem Plenumsgespräch einvernehmlich geregelt. Diese relativ strengen Vorgaben erwiesen sich im Nachhinein als entlastend. Zwar zeigte sich bei einem weiteren Videoprojekt, in dem die SchülerInnen hinsichtlich der planerischen Vorgaben weniger geführt wurden, dass sich aus den Diskussionen bei der Gruppenfindung oder der Suche nach einer geeigneten Textvorlage äußerst wertvolle Prozesse ergaben, für eine erste Realisierung in einer Klasse aber wurde eine engere Führung auch von den SchülerInnen im Nachhinein als hilfreich eingestuft.
    3. Die Realisierung – Verfilmung der Storyboards
      Zu beachten ist bei einem solchen Videoprojekt im Vorfeld, dass ein hoher planerischer Aufwand für denjenigen besteht, der die die Gruppe leitet: Zu bedenken war im Vorfeld, dass alle Kameras an dem Tag, an dem sie benötigt wurden, bereit standen. Das gesamte technische Equipment wurde von mir am Vortag auf die Funktionsfähigkeit hin geprüft, Akkus wurden aufgeladen, Speicherkarten wurden formatiert, Kabeltrommeln für den Fall, dass die Akkus versagen sollten, wurden organisiert. Darüber hinaus habe ich die verantwortlichen FALs, die Direktion, das Sekretariat und den Hausmeister darüber informiert, dass an diesem Tag SchülerInnengruppen im Gebäude unterwegs sein werden, um das Videoprojekt zu realisieren.
      Die Gruppen mussten mir immer ihren jeweiligen Standplatz mitteilen, so dass ich immer darüber Bescheid wusste, wo sich die einzelnen Gruppen aufhielten. Die Schüler mussten  zudem jedes Mal, wenn eine Sequenz abgefilmt war, diese zum Videoschnittplatz bringen, der von zwei Schülern eingerichtet worden war. Die beiden Schüler schnitten dann auf ihren Laptops die einzelnen Sequenzen nach den Vorgaben der kopierten Storyboards der jeweiligen Gruppe zusammen.
    4. Die Ergebnispräsentation und –besprechung
      In der vierten Doppelstunde schaute sich dann der Kurs das Ergebnis an. Als Vorgabe durch mich stand fest, dass wir zuerst die Verfilmung des gesamten Gedichts anschauen. Dann folgte die Verfilmung jeweils einer Strophe und die Gruppe, die dafür verantwortlich zeichnete, hatte Rede und Antwort zu stehen zu den Fragen aus dem Plenum. Am Ende schauten wir noch einmal auf den Wunsch der gesamten Gruppe hin die Verfilmung komplett an.

Anmerkungen zu den Ergebnissen:

  1. Auf die Frage meinerseits, wie die SchülerInnen das Projekt fanden, waren die Rückmeldungen unterschiedlich: Ein Teil der SchülerInnen äußerte sich dahingehend kritisch, dass sie den „Nutzwert“ des Projekts für die Vorbereitung auf das schriftliche Abitur als zu gering empfand. Diese Gruppe von SchülerInnen fand die Idee des Projekts insgesamt gut, räumte auch ein, dass die Realisierung Spaß gemacht habe, meinte aber, dass eine solche Durchführung erst nach dem schriftlichen Abitur stattfinden sollte, da man bis dahin lieber noch die Verschriftlichung von Gedichtinterpretationen einüben sollte.
  2. Die Mehrzahl der Schüler artikulierte sich äußerst positiv zum Videoprojekt. Dabei wurden auch Beobachtungen, die ich selbst gemacht hatte, angesprochen: Eine Gruppe von eher leistungsschwachen Schülern räumte ein, sich noch nie zuvor so lange und so intensiv mit Lyrik auseinandergesetzt zu haben. Zudem räumten diese Schüler ein, dass diese Form des Zugangs zu einer Gedichtinterpretation sie zum Teil sehr viel mehr ansprechen würde, als bisher bekannte Formen, die im Deutschunterricht stattgefunden hatten.
  3. Kritisiert wurde von den meisten TeilnehmerInnen die enge Führung des Projekts über Vorgaben, wie z.B. Storyboards vor der Verfilmung anzufertigen. Hier würde die Kreativität auf der Strecke bleiben, wurde kritisiert. Interessanterweise kam von genau diesen SchülerInnen dreieinhalb Monate später die Anfrage, ob ich die Materialien aus dem Unterricht nicht für die Realisierung des Abifilms zur Verfügung stellen könne, man wolle „da jetzt endlich etwas mehr Struktur reinbringen“ (sinngemäßes Zitat)!

Für mich als begleitenden Lehrer zeigte sich ein enormer Mehrwert bei diesem Projekt:

  1. Die SchülerInnen schafften es gerade durch die Anleitung und mit der Hilfe der Arbeitsmaterialien zum ersten Mal, ein umfangreiches Projekt im Rahmen der im Vorfeld gestellten Zeitvorgaben zu realisieren. Diese  Erkenntnis war insofern positiv, als zuvor andere Projekte jedes Mal den vorgegebenen zeitlichen Rahmen sprengten.
  2. Das Projekt bot den SchülerInnen zum ersten Mal im Unterrichtsverlauf die konkrete Möglichkeit, eine Vorübung zu absolvieren, die im Hinblick auf die neue mündliche Abiturprüfung die dort geforderten Fähigkeiten und Kenntnisse, nicht zuletzt hinsichtlich der Selbstorganisation, trainiert. Im täglichen Unterrichtsverlauf ist es meiner Beobachtung nach gerade bei großen Kursen schwer, über einen längeren Zeitverlauf die geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten für die Präsentationsprüfung einüben zu lassen. Die Themenfindung (bei der nach Möglichkeit die Kontroversität sowie die Transferleistung des Themas schon im Titel sichtbar wird), die Erarbeitung des Themas nach Strukturvorgaben, die gezielt zu einem Ergebnis leiten und die Verfolgung dieser Planungsvorgaben lassen sich so konzentriert nicht bzw. nur schwer im Unterrichtsgeschehen einüben. Hier werden eher einzelne Aspekte herausgegriffen, thematisiert und eingeübt. Im Nachfolgeprojekt, das eine längere Realisierungsphase hatte, zeigte sich dann, dass die Erfahrungen aus dem ersten Projekt zu (operationalisierbaren) Lernerfolgen führten, die für die SchülerInnen unmittelbar in der Umsetzung ähnlicher Projekte konkret anwendbar bzw. umsetzbar sind (s. Abifilm – ähnliche Erfahrungen wurde mir in Gesprächen hinsichtlich der Vorbereitung der Präsentationsprüfung im Abitur mitgeteilt).
  3. Im kreativen Umgang mit dem Gedicht wurden zudem Zugänge zum Text gefunden, die die SchülerInnen, als sie beim Abschlussgespräch darauf angesprochen wurden, selbst überrascht hat. Das Verfilmen von Text ermöglichte den SchülerInnen einen Zugang zu diesem, der im sonst üblicherweise anders getaktetem Deutschunterricht so nicht möglich gewesen wäre. Diese sich zusätzlich öffnenden Möglichkeiten, einen Text zu  verstehen, wurden von allen TeilnehmerInnen (und auch von mir) als interessante und wertvolle Erfahrungen empfunden – die Tatsache, dass man Texte auf unterschiedliche Weise verstehen und diese Interpretation wiederum auch nicht genormt wiedergeben kann, hat neben dem Spaß, den ein solches Projekt mit sich bringt, auch SchülerInnen Zugangsmöglichkeiten zu Texten aufgezeigt, die sich durch herkömmliche Interpretationsmethoden nur wenig motiviert fühlten, sich mit Texten auseinander zu setzen.