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Einleitung

Bildungsplan der Jahrgangstufe und Schwerpunktthemen für das Abitur im Fach Bildende Kunst in Widerstreit und Einklang

Hartmut Preuß, September 2019

Bei genauem Hinsehen und guter Überlegung ergibt sich angesichts der Umsetzung des Bildungsplanes 2016 in der Jahrgangstufe des Gymnasiums ein breites Feld an Bezugsgrößen und Vorgaben, die zu beachten und miteinander in Einklang zu bringen sind.

Wie in allen anderen Klassenstufen gliedert sich der Bildungsplan auch für die Jahrgangsstufe neben den prozessbezogenen Kompetenzen in die vier Bereiche der inhaltsbezogenen Kompetenzen: Bild, Fläche, Raum und Zeit. Die prozessbezogenen Kompetenzen sind für die Bildende Kunst als wesentliche, besonders die praktisch-handelnden Bereiche spiralcurricular gedacht, also auf elementare Erfahrungen aufgebaut, über erweiterten Kompetenzerwerb auf zunehmend komplexe Fähigkeiten und differenzierte Fertigkeiten gerichtet und so idealerweise am Ende der Schullaufbahn zu einer Vollendung zu bringen. Die inhaltsbezogenen Kompetenzen erfassen altersgerecht und stufenspezifisch zum einen im Bereich Bild die theoretisch-reflektierenden Aspekte der Auseinandersetzung mit dem Visuellen, zum anderen in Fläche, Raum und Zeit die große Bandbreite der Inhalte und Themen von Kunst und angewandter Gestaltung. Sie alle zusammen formulieren die fachlichen Vorgaben des Bildungsplanes für das Fach Bildende Kunst. Der Anspruch ist hoch.

Im Unterrichtsalltag der Jahrgangstufe, also in der Umsetzung von künstlerischen Inhalten und Gestaltungsprozessen ist und bleibt auch weiterhin die ministerielle Vorgabe der Schwerpunktthemen eine bedeutende Richtschnur für den Kunstunterricht. Bei genauerer Betrachtung der jeweils gültigen und im zwei- bzw. sechsjährigen Wechselrhythmus sich verändernden Schwerpunktthemen wird offenbar, dass die Inhalte nicht immer oder wenigstens nicht vollständig mit dem umfassenden Anspruch des Bildungsplans in Deckung zu bringen sind. Die entstehende Kluft zwischen Bildungsplanvorgaben und Schwerpunktthemen verschärft sich zusätzlich, seit der Schwerpunktthemenerlass vorgibt, dass von den drei Schwerpunktthemen nur zwei für den Unterricht in Klasse 11 und 12 auszuwählen und folglich für die Abiturprüfungen von besonderer Relevanz sind. Der Bildungsplan fordert die Umsetzung der Breite der Inhaltsbereiche ein, die Schwerpunktthemen sind jeweils auf einen inhaltlichen Aspekt fokussiert.

Ob im Kunstunterricht der Jahrgangstufe alle geforderten Bereiche des Bildungsplanes und der Schwerpunktthemen abgedeckt werden und somit auch die beiden unterschiedlichen Vorgabenkomplexe erfüllt werden, hängt von einer umsichtigen und geschickten Unterrichtsplanung ab. Am häufigsten wird sich die Frage ergeben, ob z.B. der Bereich Architektur oder das Themenfeld Zeit überhaupt berücksichtigt werden. Hier führt ein Taktieren bei der Auswahl der Schwerpunktthemen glücklicherweise nicht zu einem guten Ziel, da alternative Auswahl nur alternative Lücken hervorruft und nicht aus dem bestehenden Konflikt befreit. Deshalb ist es notwendig, sich andere Möglichkeiten zu erschließen und in Erinnerung zu rufen.

Erleichternd ist in diesem Zusammenhang übrigens anzusehen, dass alle Vorgaben und Regelungen für den fünfstündigen und zweistündigen Kunstunterricht in gleicher Form gelten, der fünfstündige Leistungskurs Bildende Kunst sich also nicht in der Menge der zu behandelnden Inhalte, sondern, wie es dem Fach entspricht, in der Tiefe der Auseinandersetzung und in der Vielfalt und Intensität der Gestaltungsmöglichkeiten vom zweistündigen Basiskurs unterscheiden soll.

Häufig bieten die traditionellen Felder der Schwerpunktthemen bei genauerer Betrachtung gute Anlässe, innovative Abstecher in andere Gestaltungs- und Handlungsbereiche zu wagen. So kann etwa die Gestaltung einer Fläche durch eine spielerische Aktion initiiert, kann Architektur mit elementaren plastischen Materialien veranschaulicht oder mit digitalen Mitteln konzipiert werden. Hierbei ist zielführende Kreativität der Unterrichtenden gefordert.

Hierarchisch steht die Umsetzung des Bildungsplanes sicherlich über der Behandlung der Schwerpunktthemen, auch wenn diese hinsichtlich des fachlichen Prüfungserfolges im Abitur bei Schüler*innen und Lehrer*innen von größerem Interesse bleiben werden. Der Bildungsplan geht in seiner Anlage allerdings davon aus, dass etwa drei Viertel der Unterrichtszeit für die Umsetzung seiner Inhalte verwendet werden, ein Viertel bleibt dem Schulcurriculum vorbehalten. Entsprechend offene Formulierungen im Schulcurriculum unterstützen hier die Handlungsmöglichkeiten der Unterrichtenden und geben notwendige Freiräume für den Kunstunterricht in der Kursstufe.

Auf längere Sicht wäre es wünschenswert, bei der Auswahl und Zusammenstellung neuer Schwerpunktthemen die Breite des Bildungsplans besonders im Blick zu behalten und somit Konfliktpotential einzudämmen. Dazu kann eine ausgewogen gewichtete Berücksichtigung historischer wie zeitgenössischer Künstler*innen und deren Arbeits- und Ausdrucksformen deutlich beitragen.

 

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