Die Datenbasis des Omega
Ausgehend von der Tatsache, dass bei der Lektüre im Griechischunterricht zunächst Platon und die Person des Sokrates im Vordergrund stehen, wurde eine neue statistische Erhebung der Vokabelfrequenzen in den lektürerelevanten Schriften Platons durchgeführt. Hierzu wurde das Vokabelwerkzeug der Perseus-Bibliothek (http://www.perseus.tufts.edu/hopper/vocablist) verwendet. Dessen Ergebnis für die oberen 92% aller Vokabeln in den Tetralogien I, IV, V und VI des platonischen Corpus bildete den statistischen Ausgangspunkt für die Erstellung des Wortschatzes. Zu den genannten Tetralogien zählen folgende platonische Schriften: Euthyphron, Apologie, Kriton, Phaidon (Tetralogie I); Alkibiades I, Alkibiades II, Hipparchos, Anterastai (Tetralogie IV); Theages, Charmides, Laches, Lysis (Tetralogie V); Euthydemos, Protagoras, Gorgias, Menon (Tetralogie VI). Die Lektürerelevanz dieser Auswahl wird durch einen Blick auf die in Graecum und Abiturübersetzung vorgelegten Textstellen[7] unterstrichen; dass in der Auswahl auch Spuria enthalten sind und aus dem Phaidon wohl nur mit seiner Rahmenpartie in der Schule gelesen wird, spielt für den vorliegenden Zweck kaum eine Rolle.Durch den Computer hergestellte Vokabelstatistiken sind mitunter fehlerhaft, da die Wortformen nicht immer dem richtigen Lemma zugeordnet werden und mehrdeutige Formen zudem nicht immer auf das kontextspezifisch richtige Lemma bezogen werden. Ein im Ganzen recht zuverlässigen Ausgleich hierfür schafft das digitale Instrument der Weighted Frequency.[8] Dennoch wurde darüber hinaus die durch das Vokabelwerkzeug hergestellte Liste sorgfältig manuell überprüft und bereinigt.
Eine weitere Überprüfung des Ergebnisses fördert jedoch zutage, dass eine ausschließliche Stützung des Grundwortschatzes auf die frühen und mittleren Dialoge Platons anderen Zielen der Wortschatzarbeit im Griechischunterricht zuwiderliefe. Hier ist insbesondere der Erwerb eines für das Deutsche relevanten griechischen Kulturwortschatzes einerseits[9] und eines Wortschatzes, der wesentliche Aspekte der griechischen Kultur erfasst, andererseits[10] zu nennen. So enthielte ein rein platonischer Grundwortschatz von 800 Wörtern etwa Begriffe wie θέατρον, ὀρχήστρα oder ἀγών nicht.
Eine sorgfältige Prüfung des griechischen Gesamtwortschatzes auf solche unverzichtbaren Kultur- und Grundbegriffe, die nach rein statistischen, auf die platonischen Schriften gestützten Kriterien nicht aufgenommen worden wären, ergab ein Corpus von zunächst etwa 200 Lemmata. Bei einer Zielgröße von 800 Lemmata für den neuen Grundwortschatz ergab sich durch sukzessives Annähern von reduziertem Platonwortschatz und angewachsenem Kulturwortschatz (wiederum im doppelten Sinne der Relevanz für die europäische und die griechische Kultur) ein Verhältnis von 500 Platonvokabeln und 310 Kulturwörtern. Es versteht sich, dass der Auswahl der Kulturwörter ein arbiträres Moment innewohnt, aber durch die Kombination mit der rein statistischen Erhebung dürfte dies ausgeglichen werden.
Der neue Grundwortschatz umfasst daher insgesamt 810 Lemmata und entspricht damit den Vorgaben des neuen Bildungsplans. Entsprechend dem griechischen Zahlzeichen für 800 (ω') trägt der neue Grundwortschatz den Namen Omega.
Die deutschen Bedeutungsangaben des Omega sind unabhängig von einzelnen Lehrbüchern und orientieren sich an den für das klassische Griechisch und insbesondere Platon wichtigsten Bedeutungen.
Gegen das beschriebene Verfahren ließe sich einwenden, dass die Angabe der Wortbedeutungen nicht exakt den Angaben in den Lehrbüchern entspricht. Der Einwand ist grundsätzlich zutreffend; allerdings wurden die Bedeutungsangaben aller Lemmata weitgehend auf Vollständigkeit sowie auf grundsätzliche Kompatibilität mit gängigen Lehrbuchangaben überprüft. Alles Weitere bleibt der Entscheidung der Lehrkraft überlassen.
Weiterhin ließe sich einwenden, dass der Omega-Wortschatz Vokabeln enthält, die entweder in einem Lehrbuch nicht vorkommen oder in Lektionen, die bereits nach dem Ausstieg aus dem jeweiligen Lehrbuch liegen. Dieser Einwand trifft freilich nicht eigentlich den neuen Grundwortschatz, sondern beschreibt ein Problem, das ohnedies bereits vorliegt. Dem ließe sich beispielsweise dadurch begegnen, dass Vokabular aus dem Omega bereits zuvor sukzessive und wohldosiert mitgelernt wird oder in Übungen integriert wird.
[7]Häufigkeit in Hauptterminen von Graecum und Griechischabitur seit 1992 in Baden-Württemberg: Gorgias 9, Protagoras 6, Euthyphron 4, Phaidon 4, Apologie 4, Kriton 4,Laches 3, Euthydemos 3, Charmides 3, Menon 2, Lysis 2, Alkibiades I 2, Theages 1; aus den in der Auswahl nicht berücksichtigten Schriften wurden nur vereinzelt Textstellen vorgelegt: Politeia 3, Ion 2, Symposion 1, Hippias maior 1, Hippias minor 1 und Phaidros 1.
[8]Für nähere Informationen zur Frequenzberechnung siehe http://www.perseus.tufts.edu/hopper/help/vocab#wft (zuletzt abgerufen am 24.04.2016).
[9]Vgl. Bildungsplan Griechisch 3.1.1 (11) und (12).
[10]Vgl. Bildungsplan Griechisch 3.1.1 (13).
Grundwortschatz und individualisierte Wortschatzarbeit: Herunterladen [odt][35 KB]
Grundwortschatz und individualisierte Wortschatzarbeit: Herunterladen [pdf][82 KB]
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