Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

Ar­beits­blatt 4: Me­di­cus

PDF Vorschau Diese Seite als PDF her­un­ter­la­den [PDF] [54 KB]

Ar­beits­blatt 4:

Wenn man dem Ge­schwätz der Leute glau­ben woll­te, dann war das Jahr des Herrn 1021, in dem Agnes Cole zum ach­ten­mal schwan­ger war, das Jahr des Sa­tans. Ver­häng­nis­vol­le Er­eig­nis­se und Na­tur­ka­ta­stro­phen kenn­zeich­ne­ten es. Schon im Vor­herbst war die Ernte auf den Fel­dern von bit­te­ren Frös­ten ver­nich­tet wor­den, die sogar die Flüs­se zum Ge­frie­ren brach­ten. Es fie­len so viele Nie­der­schlä­ge wie nie zuvor, und als das Tau­wet­ter ein­setz­te, führ­te die Them­se Hoch­was­ser, das Brü­cken und Häu­ser weg­riss. Stern­schnup­pen fie­len, deren Licht über ge­peitsch­ten Win­ter­wol­ken fla­cker­te, und ein Komet er­schien am Him­mel.

Agnes hatte ihrem äl­te­ren Sohn Rob ge­sagt, er solle dem Ge­re­de keine Be­ach­tung schen­ken. Wenn er je­doch etwas Un­ge­wöhn­li­ches sehe oder höre, hatte sie be­sorgt hin­zu­ge­fügt, müsse er ein Kreuz schla­gen. In die­sem Jahr ha­der­ten die Men­schen mit Gott, denn die Miss­ern­te hatte schlim­me Fol­gen ge­habt. (...)

Der Schmerz war un­er­träg­lich. Dies war ein an­de­rer, neuer Schmerz. Sie war an dicht auf­ein­an­der­fol­gen­de Wehen ge­wöhnt; nach den ers­ten bei­den Schwan­ger­schaf­ten waren die Ge­bur­ten etwas schwie­rig ge­we­sen; (...) Sie hatte vor und nach Anne Mary Fehl­ge­bur­ten ge­habt, (...) Bei fünf Ge­bur­ten hatte sie nichts Der­ar­ti­ges er­lebt. (...)

Ma sah am zwei­ten Tag bes­ser aus, aber sein Vater mein­te, die Farbe auf den Wan­gen komme vom Fie­ber. Sie zit­ter­te, und sie brei­te­ten zu­sätz­li­che De­cken über sie. Als Rob ihr am drit­ten Mor­gen Was­ser zu trin­ken gab, er­schrak er über die Hitze, die von ihrem Ge­sicht aus­ging. (...) Als er am nächs­ten Mor­gen auf­stand, war seine Mut­ter tot.

Als sie schließ­lich am drit­ten Mor­gen ins Tal nach Schi­ras hin­ab­rit­ten, sahen sie von wei­tem Rauch auf­stei­gen. Die Nä­her­kom­men­den tra­fen auf Män­ner, die au­ßer­halb der Mau­ern Lei­chen ver­brann­ten. (...)

Am Tor stand keine Wache, als sie in die Stadt ein­rit­ten. „Sind die Seld­schu­ken doch in die Stadt ein­ge­drun­gen?" frag­te Karim, denn Schi­ras wirk­te ge­plün­dert. (...) Sie rit­ten durch men­schen­lee­re Stra­ßen. (...)

"Wir waren vier­zehn­tau­send See­len" ant­wor­te­te Hafiz. "Als die Seld­schu­ken kamen, flüch­te­ten sich wei­te­re vier­tau­send in den Schutz un­se­rer Mau­ern. (...) Fast sechs­tau­send sind ge­stor­ben. Alle jene, die noch nicht er­krankt sind, ho­cken in ihren Woh­nun­gen und beten zu Allah - Er ist barm­her­zig! -, dass sie ver­schont blei­ben mögen." (...)

Auf­zeich­nun­gen der Me­di­zi­nerab­ord­nung aus Is­fa­han:

(...). Wir sind seit 4 Tagen in Schi­ras, wäh­rend denen al­lein 243 Men­schen ge­stor­ben sind. Die (...) be­ginnt als leich­tes Fie­ber, ge­folgt von Kopf­schmer­zen, manch­mal sehr schwe­ren. Das Fie­ber steigt, und kurz da­nach tritt eine krank­haf­te Ver­än­de­rung, für ge­wöhn­lich bubo ge­nannt, in der Leis­te, in der Ach­sel­höh­le oder hin­ter einem Ohr auf. (...). Sie kön­nen so groß wie eine Pflau­me wer­den, aber die meis­ten haben die Größe einer Linse. (...) Die meis­ten Opfer ster­ben in­ner­halb von zwei Tagen nach Auf­tre­ten eines bubo. Ei­ni­ge we­ni­ge haben Glück, weil das bubo ei­tert. Wenn die­ser Fall ein­tritt, ist es so, als würde ein schlech­ter Saft aus dem Pa­ti­en­ten ent­wei­chen, der dann viel­leicht ge­sun­det.

[bubo = Beule]

Auf­ga­ben:

Ana­ly­sie­ren Sie den Text­aus­zug aus "Der Me­di­cus" sowie bei­ge­füg­tes In­for­ma­ti­ons­ma­te­ri­al der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on unter nach­fol­gend auf­ge­führ­ten As­pek­ten:

  1. Ver­gleich der Le­bens­er­war­tung im 11. Jh. ge­gen­über heute in In­dus­trie­na­tio­nen: Geben Sie mög­li­che Ur­sa­chen für den Un­ter­schied an.
  2. Ver­gleich der Le­bens­er­war­tung im 11. Jh. ge­gen­über heute in der Drit­ten Welt.
  3. Fas­sen Sie ge­won­ne­ne Er­kennt­nis­se in einer Kern­aus­sa­ge zu­sam­men.

Quel­le:

Aus­zug aus "Der Me­di­cus" von Noah Gor­don, Dro­emer­sche Ver­lags­an­stalt Th. Knaur Nachf., Mün­chen, 1987