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Ar­beits­blatt 8: Mu­ta­ti­on ist nicht gleich Mu­ta­ti­on

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Ar­beits­blatt 8: Mu­ta­ti­on ist nicht gleich Mu­ta­ti­on

Mu­ta­tio­nen kön­nen eine Zelle aus dem phy­sio­lo­gi­schen Gleich­ge­wicht brin­gen, weil sich da­durch bei­spiels­wei­se die Menge oder Ak­ti­vi­tät pro­du­zier­ter Pro­te­ine än­dert.

Bei zwei Klas­sen von Genen, die für das nor­ma­le Zell­wachs­tum, die Zell­tei­lung und die Zell­dif­fe­ren­zie­rung wich­tig sind, kön­nen Mu­ta­tio­nen gra­vie­ren­de Fol­gen haben. Es han­delt sich um: a) Proto-On­ko­ge­ne (= Krebs­gen-Vor­läu­fer) und b) Tu­mor­sup­pres­sor­ge­ne (= tumor-unter-drü­cken­de Gene).

Proto-On­ko­gen:

Im häu­figs­ten Fall füh­ren Mu­ta­tio­nen in Proto-On­ko­ge­nen zu einem Funk­ti­ons­ver­lust des ent­spre­chen­den Pro­te­ins. Folge: die Zell­tei­lung wird nicht mehr ge­för­dert und die Zelle kann sich nicht mehr tei­len. Meist zieht das eine Apo­pto­se nach sich, was für den Or­ga­nis­mus kein Pro­blem dar­stellt, da sich nor­ma­ler­wei­se ge­nü­gend an­de­re teil­ba­re Zel­len in der Nach­bar­schaft be­fin­den. Proto-On­ko­ge­ne kön­nen durch Mu­ta­tio­nen je­doch auch in eine krebs­er­zeu­gen­de Form (= On­ko­gen) ver­wan­delt wer­den. Es sind mehr als 100 Proto-On­ko­ge­ne be­kannt (Stand: 2004).

Die Pro­te­ine, die von Proto-On­ko­ge­nen co­diert wer­den, haben im nor­ma­len Zu­stand einen wachs­tums­för­dern­den Ein­fluss auf Zel­len und kon­trol­lie­ren den Zell­zy­klus. Alle Zell­zy­klus-Kon­troll­ge­ne sind po­ten­zi­el­le Proto-On­ko­ge­ne, da ihre Ver­än­de­rung bzw. Fehl­funk­ti­on den Ver­lust der Kon­trol­le über die Zell­tei­lung be­deu­ten kann.

So haben sie z.B. die Auf­ga­be als Wachs­tums­fak­tor Zel­len zur Tei­lung an­zu­re­gen, als An­dock­stel­le auf der Zell­ober­flä­che (= Re­zep­tor) Wachs­tums­fak­to­ren zu bin­den, bei der kas­ka­den-ar­ti­gen Si­gnal­wei­ter­lei­tung von Zell­ober­flä­che zum Zell­kern mit­zu­wir­ken oder di­rekt als Tran­skrip­ti­ons­fak­tor im Zell­kern die Ex­pres­si­on be­stimm­ter Gene zu steu­ern.

Bei­spie­le zel­lu­lä­rer Proto-On­ko­ge­ne:

Typ
Name/Ab­kür­zung
Vom Proto-On­ko­gen zum On­ko­gen
mögl. Tumor
Wachs­tums­fak­tor EGF (epi­der­mal growth fac­tor) durch Über­ex­pres­si­on dau­er­haf­te Ak­ti­vie­rung der Re­zep­to­ren ver­schie­den
Re­zep­tor für Wachs­tums­fak­tor
EGF-R (epi­der­mal growth fac­tor re­cep­tor) durch Uber­ex­pres­si­on oder Ver­än­de­rung der Bin­dungs­do­mä­ne dau­er­haf­te Ak­ti­vie­rung des se­cond-mes­sen­ger-Me­cha­nis­mus z.B. Brust­krebs
Si­gnal­trans­duk­ti­on im Cy­to­plas­ma ras (rat sar­co­ma; ein GTP-bin­den­des Enzym) durch Mu­ta­ti­on sind die En­zy­me dau­er­ak­tiv Lun­gen-, Dick­darm­krebs
Tran­skrip­ti­ons­fak­tor myc
durch Mu­ta­ti­on ist die In­ter­ak­ti­on mit an­de­ren Pro­te­inen u./od. der DNA ver­än­dert, wo­durch die Re­gu­la­ti­on der Ge­n­ex­pres­si­on ge­stört wird Lun­gen-, Brust­krebs, Lym­pho­me

Auf­ga­ben:

  1. Er­läu­tern Sie die Vor­gän­ge in­ner­halb des Zell­zy­klus. Gehen Sie auf die ver­schie­de­nen Pha­sen ein.
  2. Man ver­gleicht die Funk­ti­on zel­lu­lä­rer Proto-On­ko­ge­ne gerne mit dem Gas­pe­dal eines Autos. Stel­len Sie in einem Sche­ma einer Zelle über­sicht­lich dar, auf wel­chen Ebe­nen die Zell­zy­klus-Kon­trol­le mu­ta­ti­ons­be­dingt ver­sa­gen kann (d.h. das Gas­pe­dal klemmt in ge­drück­tem Zu­stand).
  3. Re­tro­vi­ren kön­nen nach In­fek­ti­on einer Wirts­zel­le ihr vi­ra­les Erb­gut in die Wirts-DNA ein­bau­en. Das Vi­rus­ge­nom ent­hält mu­tier­te Ver­sio­nen zel­lu­lä­rer Proto-On­ko­ge­ne (so ge­nann­te v-On­ko­ge­ne (v = viral)). Nen­nen Sie mög­li­che Aus­wir­kun­gen einer re­tro­vi­ra­len In­fek­ti­on und er­läu­tern Sie den Vor­teil für das Virus.

Tu­mor­sup­pres­sor­gen:

Die Pro­te­ine, die von Tu­mor­sup­pres­sor­ge­nen co­diert wer­den, haben im nor­ma­len Zu­stand einen wachs­tums­hem­men­den Ein­fluss auf Zel­len. Bis­her sind über 170 Tu­mor­sup­pres­sor­ge­ne bei Men­schen und an­de­ren viel­zel­li­gen Or­ga­nis­men be­kannt.

Wäh­rend bei Proto-On­ko­ge­nen die Mu­ta­ti­on von einem der bei­den Al­le­le aus­reicht, um es als On­ko­gen zu ak­ti­vie­ren, müs­sen bei Tu­mor­sup­pres­sor­ge­nen beide Al­le­le mu­tiert sein, damit das Tu­mor­sup­pres­sor­pro­te­in seine wachs­tums­hem­men­de Ei­gen­schaft ver­liert (Two-Hit-Hy­po­the­se). Letz­te­res kann auch als Grund her­an­ge­zo­gen wer­den, wes­halb Krebs eine Er­kran­kung der zwei­ten Le­bens­hälf­te ist. Je­doch wer­den etwa 10% der Men­schen mit einem mu­tier­ten Alle! für Tu­mor­sup­pres­sor­ge­ne ge­bo­ren; sie haben eine ver­erb­te Prä­dis­po­si­ti­on für Krebs. Dies be­deu­tet bei­spiels­wei­se für die 9% Frau­en, die ein mu­tier­tes Allel des Tu­mor­sup­pres­sor­gens BRCA-1 ge­erbt haben, dass sie mit 60%-iger Wahr­schein­lich­keit bis zum Alter von 50 Jah­ren und mit 82%-iger Wahr­schein­lich­keit bis zum 70. Le­bens­jahr Brust­krebs ent­wi­ckeln. Für Frau­en mit zwei nor­ma­len Al­le­len des BRCA-1-Gens sind die Wahr­schein­lich­kei­ten 2% bzw. 7%.

Bei­spie­le zel­lu­lä­rer Tu­mor­sup­pres­sor­ge­ne:

Typ
Name/Ab­kür­zung
Von nor­mal zu mu­tiert
mögl. Tumor
Zel­lad­hä­si­ons-mo­le­kül
DCC (de­le­ted in colon car­ci­no­ma) Ver­lust der An­hef­tung an Nach­bar­zel­len Dick­darm­krebs
DNA-Re­pa­ra­tur BRCA-1, BRCA-2 (bre­ast can­cer) Ver­lust der DNA-Re­pa­ra­tur­funk­ti­on Brust-, Pro­sta­ta­krebs
Kon­trol­le des Zell­zy­klus p53 (Pro­te­in mit Mo­le­kül­mas­se von 53.000 y) Zell­tei­lung kann in G 1 -Phase des Zell­zy­klus nicht mehr an­ge­hal­ten wer­den ver­schie­den (bei über 50% aller menschl. Tu­mo­re)

Tu­mor­sup­pres­sor­ge­ne haben die Auf­ga­be als Wachs­tums­hem­mer in Zel­len Tei­lun­gen zu ver­hin­dern bzw. mu­tier­te Zel­len zu ver­an­las­sen, das Selbst­mord­pro­gramm (= Apo­pto­se) zu star­ten. Eine Fehl­funk­ti­on ist mit einem Auto ver­gleich­bar, bei dem die Brem­se nicht mehr funk­tio­niert.

Quel­len (ver­än­dert Dez. 2008):

(1) Le­xi­kon der Bio­lo­gie, Spek­trum Aka­de­mi­scher Ver­lag, Hei­del­berg, 2002

(2) Pur­ves et al., Bio­lo­gie, 7. Auf­la­ge, Ei­se­vier GmbH, Spek­trum Aka­de­mi­scher Ver­lag Hei­del­berg, 2006

(3) http://​de.​wi­ki­pe­dia.​org/​wiki/​On­ko­gen

Glos­sar:

epi­der­mal growth fac­tor . Wachs­tums­fak­tor, der an der An­gio­ge­ne­se, Wund­hei­lung und wäh­rend der Em­bryo­nal­ent­wick­lung be­tei­ligt ist

GTP (Gua­nos­in­tri­phos­phat): Bau­stein für DNA- und RNA-Syn­the­se; en­er­gie­rei­ches Stoff­wech­sel­pro­dukt (vgl. ATP)

Prä­dis­po­si­ti­on : ge­ne­ti­sche Ver­an­la­gung, die die Ent­ste­hung einer Krank­heit be­güns­tigt

Wei­ter­füh­ren­de Li­te­ra­tur:

Chaos in der Erb­sub­stanz, Spek­trum der Wis­sen­schaft, Spe­zi­al 3: Krebs­me­di­zin II, s. S. 12-22, 2003

Früh­er­ken­nung und Dia­gnos­tik mit Tu­mor­mar­kern, Spek­trum der Wis­sen­schaft, Spe­zi­al 2: Krebs­me­di­zin, S. 47-52, 1996

Sche­ma­ti­sche Dar­stel­lung der In­itia­ti­on einer Zell­tei­lung (nor­mal vs. ver­än­dert):

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