Die Kerners
Analyse der Figuren und der Figurenkonstellation
Didaktischer Kommentar
Sich mit Mehrdeutigkeit und Fiktionalität auseinanderzusetzen, Alteritätserfahrungen machen zu können sowie eigene Welt- und Wertvorstellungen zu entwickeln, gehört zu den zentralen Zielen im Literatur- und Deutschunterricht. Der Film „GOOD BYE, LENIN!“ trägt schon bei der Auseinandersetzung mit den einzelnen Figuren dazu bei. Exemplarisch soll hier Alex Kerner als eine der Hauptfiguren genannt werden. Mit seinem Gefühlsleben, seinen Ängsten und Hoffnungen, seinen Gewissensbissen und seinen inneren Konflikten wird der Zuschauer von Anfang an konfrontiert, allerdings nicht oberflächlich-plakativ, sondern auch in vielen kleinen Details jenseits der Haupthandlung (vgl. z.B. die unterschiedlichen Szenen mit Lara in leerstehenden Wohnungen Ostberlins). Auch Alex’ Kommentare aus dem Off (vgl. auch Kap. 3.3) tragen dazu bei, dem Inneren seines Charakters auf die Spur kommen, ja auch seiner Entwicklung folgen zu können. Der Film muss und kann hier andere Methoden nutzen als beispielsweise im klassischen Drama. Diese Methoden nehmen die Schüler bereits bei der Auseinandersetzung mit den Figuren, später aber auch bei der Analyse der Bauform exemplarisch in den Blick. Dafür müssen die Schüler nicht zuletzt in der Lage sein, eigenständig ein Sequenzprotokoll erstellen zu können, das als Grundlage für die Analyse der Figuren/der Figurenkonstellation unerlässlich ist. Da die Basisfachschüler im Schuljahr 2019/20 bislang nicht nach dem BP 2016 unterrichtet worden sind, muss hier höchstwahrscheinlich „nachgearbeitet“ werden, damit Fachvokabular und Instrumentarium bekannt sind und von den Schülern angewendet werden können.
Bei der Beschäftigung mit den einzelnen Figuren sowie mit der Figurenkonstellation ist die Analyse von Dialogen unerlässlich. Spannend ist oft gerade auch das, was nicht gesagt wird. Filmdialoge sparen oft Wesentliches aus, mit dem Ziel, die Ergänzung der Fantasie der Zuschauer zu überlassen. Der nonverbalen Kommunikation kommt in AV-Medien demzufolge eine besonders hohe Bedeutung zu, zumal lange epische Blöcke im Spielfilm eher keinen Platz finden (so liest Ariane beispielsweise die Briefe des Vaters nicht vor, man kann sich auch so ausmalen, was darin steht). Auch die paralinguistischen Zeichen spielen eine Rolle: Sie können bei einem schriftlich festgehaltenen Dialog höchstens als Regieanweisung angeführt werden, die konkrete Ausgestaltung zeigt sich dem Zuschauer hör- und auch sichtbar im Film (z.B. ein hysterisches Kreischen, unterstützt von einem wutverzerrten Gesicht).
Mit Hilfe von Kommunikationsmodellen (z. B. Watzlawick, Schulz von Thun) sind die Schüler in der Lage, Dialoge in ihrer verbalen wie nonverbalen Ausgestaltung zu interpretieren. Dazu erstellen sie gegebenenfalls ebenfalls ein Sequenzprotokoll, in dem die narrativen, akustischen und visuellen Elemente festgehalten werden.
Umsetzung im Unterricht
Mit Hilfe von Frames werden die Hauptfiguren arbeitsteilig in sechs Gruppen analysiert (in PA oder auch in Dreiergruppen möglich): die Mutter Christiane, Alex, Ariane, Rainer, Lara und der Vater Robert. Die Ergebnisse werden im Anschluss im Gruppenpuzzle präsentiert. Zur weiteren Vertiefung soll jeder Schüler auf einer Din-A4-Seite eine Art Familienaufstellung zeichnen, bei der deutlich wird, wer von den sechs analysierten Figuren wem besonders nahesteht, wo Konflikte offen zutage treten oder auch latent schwelen und sich nur hin und wieder zeigen. Diese Aufgabe kann – je nach Stundenverlauf – auch als Hausaufgabe zur Vorbereitung aufgeben werden.
Aus diesen Ergebnissen wählt der Kurs im Idealfall eines aus, das viele im Kurs als zutreffend wahrnehmen. Dieses wird im Raum am Boden ausgelegt/nachgestellt (dazu sechs DinA4-Blätter mit den jeweiligen Namen vorbereiten). Sechs Schüler nehmen die Position im Klassenzimmer ein und äußern sich als Christiane, als Alex, als Rainer etc. begründet darüber, wie sie sich in dieser Familienkonstellation fühlen, was sie sich wünschen, was sie emotional beschäftigt, ihnen Angst bereitet oder auch größtes Glück. Dadurch erhält die Lehrkraft auch noch einmal einen Überblick darüber, welche Ergebnisse die Vorarbeiten zu den einzelnen Figuren erbracht haben. Zudem üben die Schüler ein, sich strukturiert mündlich zu äußern, weil sie den Charakter einer Figur in eigenen Worten auf den Punkt bringen müssen. Eine abschließende Diskussion im Plenum bietet sich ebenfalls an.
Darauf aufbauend wird der Grundkonflikt (die noch immer schwerkranke Mutter will nach dem Krankenhausaufenthalt nach Hause zurück, hat aber den Mauerfall und die Wende „verschlafen“) mit Hilfe einer Dialoganalyse noch einmal intensiv betrachtet. Die Schüler erhalten den Dialog schriftlich, sollen aber auch die Szene zunächst noch einmal (bzw. mehrmals) anschauen, dabei auf Körpersprache, Gestik, Mimik und Status der einzelnen Figuren achten.
Die gewählte Szene soll zunächst kurz in den Kontext eingeordnet werden, bevor der Dialog und seine Bedeutung für den weiteren Verlauf der Handlung analysiert werden. Um auch hier die Mündlichkeit zu trainieren, ist es sinnvoll, diese Aufgabe zwar schriftlich vorzubereiten, aber mit dem klaren Auftrag für die Schüler, ihre Ergebnisse im Anschluss aspektorientiert mündlich vorzutragen. Da dies einigen Schülern mitunter sehr schwerfällt, kann auch im Vorfeld im Unterrichtsgespräch geklärt werden, welche Aspekte sinnvollerweise ausgewählt werden sollten.
Dialog (vgl. AB 8): Ariane und Alex, später noch mit Rainer; von 31:51 bis 33:06 (VCL-Mediaplayer).
Alternativ kann auch der Dialog zwischen Rainer und Alex gewählt werden, bei dem Ariane noch hinzukommt: Szene von 1:10:15 bis 1:11:09.
Im Anschluss wird noch einmal die Szene „Lügen und Geheimnisse“ von 1:27:10 bis 1:29:46 (eventuell auch bis 1:30:26) gezeigt (möglichst mehrmals, damit sich die Schüler entsprechend Notizen machen, vgl. AB 9 Szenenprotokoll), als die Mutter bei der Datsche ihren Kindern die Wahrheit beichtet, warum ihr Vater damals in den Westen ging und sie angeblich ohne Nachricht zurückließ. Diese Szene soll schriftlich interpretiert werden (Hausaufgabe).
Im Anschluss wird noch einmal die Szene „Lügen und Geheimnisse“ von 1:27:10 bis 1:29:46 (eventuell auch bis 1:30:26) gezeigt (möglichst mehrmals, damit sich die Schüler entsprechend Notizen machen, vgl. AB 9 Szenenprotokoll), als die Mutter bei der Datsche ihren Kindern die Wahrheit beichtet, warum ihr Vater damals in den Westen ging und sie angeblich ohne Nachricht zurückließ. Diese Szene soll schriftlich interpretiert werden (Hausaufgabe).
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