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Ma­te­ria­li­en

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.


M 1: Grund­ge­setz

M 2: Kom­men­tar zum EU-Gip­fel: Hand­lungs­fä­hig, aber mut­los

Chris­to­pher Zied­ler, 08.02.2013 19:40 Uhr (StZ 9.2.2013)
© Mit freund­li­cher Ge­neh­mi­gung des Ver­lags.
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Brüs­sel - Ein Haus­halt ist in Zah­len ge­gos­se­ne Po­li­tik. Jeder ein­zel­ne Be­trag steht für In­ter­es­sen­kon­flik­te, die mal leise, mal laut aus­ge­foch­ten wer­den. Das gilt für die Eu­ro­päi­sche Union, wo 27 mit Ve­to­recht aus­ge­stat­te­te Staats- und Re­gie­rungs­chefs am Tisch sit­zen, sogar in be­son­de­rem Maße. Ge­wiss, auch in der Bun­des­re­gie­rung in Ber­lin ge­ra­ten Mi­nis­ter an­ein­an­der, und es geht um viel mehr Geld. Am Ende aber gibt es eine ei­nen­de Par­tei­rä­son und nicht zu­letzt die Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz von Kanz­ler oder Kanz­le­rin.

Wer das Er­geb­nis des EU-Gip­fels be­trach­tet, kommt nicht umhin zu kon­sta­tie­ren, dass An­ge­la Mer­kel ihre Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz auf Eu­ro­pa aus­ge­dehnt hat. Sie hat ihre Ziele voll er­reicht: Der Etat 2014 bis 2020 soll­te ein Pro­zent der Wirt­schafts­leis­tung nicht über­stei­gen – es sind exakt 1,00 Pro­zent des Brut­to­na­tio­nal­ein­kom­mens ge­wor­den. Die ost­deut­schen Län­der be­kom­men mehr Geld, als ihnen wegen ihrer wirt­schaft­li­chen Auf­hol­jagd ei­gent­lich zu­stün­de. Und Mer­kel konn­te gar noch die ge­wal­ti­gen Kür­zun­gen bei den Mit­teln für den länd­li­chen Raum, die Bun­des­län­der wie Baden-Würt­tem­berg im Vor­feld hef­tig kri­ti­siert haben, ein wenig re­du­zie­ren.

Ca­me­ron schul­det Mer­kel nun einen Ge­fal­len

Po­li­tisch noch be­deut­sa­mer ist es al­ler­dings, dass mit die­ser ers­ten rea­len Kür­zung eines EU-Haus­halts über­haupt dem Bri­ten David Ca­me­ron ein in­nen­po­li­ti­scher Er­folg be­schert wurde. Der für Deutsch­land so wich­ti­ge Ver­bleib Groß­bri­tan­ni­ens in der Ge­mein­schaft ist damit auch mit dem an­ge­kün­dig­ten Re­fe­ren­dum wahr­schein­li­cher ge­wor­den – schlicht des­halb, weil Ca­me­ron Mer­kel etwas schul­det.

Der Preis für die­ses stra­te­gi­sche Ma­nö­ver ist hoch. Im Glau­bens­krieg um das Geld galt die wirt­schafts­po­li­ti­sche Ver­nunft wenig. Die bri­ti­sche Ex­trem­po­si­ti­on, die jeden zu­sätz­li­chen Euro für Eu­ro­pa als Geld­ver­schwen­dung brand­markt, wird ge­adelt. Na­tür­lich klingt es zu­erst lo­gisch, dass auch die EU den Rot­stift an­set­zen muss, wenn die Mit­glied­staa­ten spa­ren. Es bleibt den­noch Unfug, weil das Ge­mein­schafts­bud­get in wei­ten Tei­len ganz an­ders funk­tio­niert. Mit sei­nem Prin­zip der Co-Fi­nan­zie­rung löst es hö­he­re Ge­samt­in­ves­ti­tio­nen aus und kommt damit einem Kon­junk­tur­pro­gramm gleich. Nun ist das Ver­spre­chen der Staats- und Re­gie­rungs­chefs vom Som­mer, einen Wachs­tums­pakt auf die Beine zu stel­len, kaum noch zu er­fül­len. Wie soll die Re­zes­si­on in Eu­ro­pa über­wun­den wer­den?

Eine Pro­vo­ka­ti­on für das Eu­ro­pa­par­la­ment

Ge­ra­de die Pos­ten, die eu­ro­päi­schen Mehr­wert hät­ten schaf­fen kön­nen, wur­den immer wei­ter zu­sam­men­ge­stri­chen. Die Mit­tel für die For­schung, grenz­über­schrei­ten­de Strom­tras­sen oder eu­ro­päi­sche Ver­kehrs­we­ge stei­gen ge­gen­über dem Ist-Wert zwar deut­lich. Doch ist vom an­ge­kün­dig­ten Auf­bruch in eine wis­sens­ba­sier­te, di­gi­ta­le, nach­hal­ti­ge Zu­kunft nicht mehr viel zu spü­ren – zumal die Auf­sto­ckung zu Las­ten der Re­gio­nal­för­de­rung geht.

Auf der Ha­ben­sei­te blei­ben neue Re­geln, die zu sorg­fäl­ti­ge­rem Um­gang mit den EU-Struk­tur­mit­teln füh­ren wer­den, und der neue Fonds zur Be­kämp­fung der hohen Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit. Doch auch hier gilt: wer eine ver­lo­re­ne Ge­ne­ra­ti­on und po­li­ti­sche In­sta­bi­li­tät am Ho­ri­zont sieht, muss mehr als sechs Mil­li­ar­den Euro in die Hand neh­men. Die In­ter­na­tio­na­le Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on sieht einen Be­darf von 21 Mil­li­ar­den Euro, um das Pro­blem ernst­haft an­zu­pa­cken. Eu­ro­pa de­mons­triert Hand­lungs­fä­hig­keit und Mut­lo­sig­keit zu­gleich.

Auch des­halb ist das Gip­fel­er­geb­nis für das Eu­ro­pa­par­la­ment eine Pro­vo­ka­ti­on. Daran än­dert wenig, dass der Etat künf­tig fle­xi­bler auf neue Um­stän­de re­agie­ren kann. Die Ab­ge­ord­ne­ten ste­hen vor einer schwie­ri­gen Wahl: Las­sen sie den Etat zäh­ne­knir­schend pas­sie­ren, um Eu­ro­pa nicht in die nächs­te Ver­trau­ens­kri­se zu stür­zen? Oder leh­nen sie ihn ab, weil ge­sun­des öko­no­mi­sches Mit­tel­maß und eu­ro­päi­scher Ge­stal­tungs­wil­le nicht bri­ti­scher In­nen­po­li­tik ge­op­fert wer­den soll­ten?

 

Wei­ter mit Vor­ge­ge­be­nes Wis­sen I