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„GOOD BYE, LENIN!“ - zur Film­aus­wahl

Die Mauer war noch kein Jahr ge­fal­len, als Film­pro­du­zent Ste­fan Arndt, Mit­be­grün­der von „X Filme Crea­ti­ve Pool“, ge­mein­sam mit Tom Tykwer in Ber­lin dreh­te. In sei­ner Er­in­ne­rung ist es eine au­ßer­ge­wöhn­li­che, ge­ra­de­zu irr­wit­zi­ge Zeit ge­we­sen, da man in Ber­lin das Ge­fühl ge­habt hätte, all das kaum bild­haft dar­stel­len zu kön­nen, was sich so ra­sant schnell ver­än­dert hätte, ob­wohl man in der heu­ti­gen Bun­des­haupt­stadt mit­ten­drin ge­we­sen sei.1 Un­mit­tel­bar nach der Wende habe es viele Stof­fe rund um die DDR und den Mau­er­fall ge­ge­ben, bei kei­nem sei der Funke wirk­lich über­ge­sprun­gen. Dass dies beim kur­zen Exposé des Dreh­buch­au­tors Bernd Lich­ten­berg so­fort ge­sche­hen sei, schreibt Arndt auch dem zeit­li­chen Ab­stand zum Mau­er­fall zu, zehn Jahre seien bis dato ver­gan­gen ge­we­sen. Al­ler­dings sei es im Film „[...]viel schwie­ri­ger, eine Ge­schich­te zu er­zäh­len, die vor zehn Jah­ren pas­siert ist, als eine wirk­lich his­to­ri­sche Ge­schich­te. Für die­sen Zeit­raum hält sich jeder für einen Fach­mann, ob­wohl sich 90 Pro­zent der Leute falsch er­in­nern – man er­in­nert sich le­dig­lich an seine Ge­fühls­welt, aber nicht daran, was wirk­lich war.“2

Gerne fasst Arndt das Ge­sche­hen kurz nach dem Mau­er­fall unter dem Schlag­wort „Das ver­ges­se­ne Jahr“ zu­sam­men. His­to­ri­sches woll­ten die Ma­cher von „GOOD BYE, LENIN!“ mit Emo­tio­na­lem ver­knüp­fen – und es wurde ihnen klar: „Das Ganze pass­te nun eins zu eins zu­sam­men, und man konn­te Dinge zei­gen und zur Dis­kus­si­on stel­len, die mir po­li­tisch sehr wich­tig sind: Bei­spiels­wei­se, was wir blö­den West­deut­schen alles leicht­fer­tig über Bord ge­wor­fen haben – von der Grund­ge­setz­än­de­rung bis zu den guten Be­din­gun­gen für al­lein­er­zie­hen­de Müt­ter, von Wert­stoff­wirt­schaft bis zum so­zia­len Um­gang mit­ein­an­der. Da ist uns West­deut­schen etwas ent­gan­gen, das wir durch die Wie­der­ver­ei­ni­gung ei­gent­lich hät­ten dazu ge­win­nen kön­nen. So haben wir nur die Mil­li­ar­den ge­zahlt, ohne etwas We­sent­li­ches davon ge­habt zu haben. Das steckt für mich alles in die­sem Stoff.“3

His­to­risch – das dürf­ten der Mau­er­fall und die Zeit der Wie­der­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands in den Augen der Schü­le­rin­nen und Schü­ler (im Fol­gen­den nur „Schü­ler“ ge­nannt, die weib­li­che Form ist hier mit ein­be­zo­gen) heute sein. Die ers­ten Schü­ler, die in Baden-Würt­tem­berg im Schul­jahr 2019/20 erst­mals das Ba­sis­fach Deutsch be­le­gen wer­den, waren zum Zeit­punkt der Wie­der­ver­ei­ni­gung noch gar nicht ge­bo­ren. Die Bun­des­haupt­stadt Ber­lin be­su­chen Schü­ler nicht sel­ten erst­mals mit der Schu­le bei einer Stu­di­en­fahrt (häu­fig in Klas­se 10). Die in­ten­si­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Film „GOOD BYE, LENIN!“ bie­tet sich des­halb aus un­ter­schied­li­chen Grün­den an: Die Be­schäf­ti­gung mit der jün­ge­ren Ge­schich­te des ei­ge­nen Lan­des dient nicht zu­letzt auch der Aus­bil­dung der ei­ge­nen Iden­ti­tät. Auch im Bil­dungs­plan 2016 rü­cken die Leit­ge­dan­ken zum Fach Deutsch den In­di­vi­dua­ti­ons­pro­zess und die Iden­ti­täts­bil­dung in den Fokus.

Äs­the­ti­sche Kom­pe­ten­zen zu er­wer­ben, ge­hört eben­so zu den we­sent­li­chen Zie­len des Deutsch­un­ter­richts, der ver­schie­de­ne Me­di­en­for­ma­te zu in­te­grie­ren hat. Dass dem Me­di­um Film mit dem neuen Bil­dungs­plan 2016 ein be­son­de­rer Stel­len­wert ein­ge­räumt wurde, trägt nicht zu­letzt dem er­wei­ter­ten Text­be­griff und der Me­di­en­di­dak­tik als un­ver­zicht­ba­rer Be­stand­teil des Deutsch­un­ter­richts Rech­nung. Es geht für Ulf Abra­ham nicht zu­letzt darum, Schü­lern, die heute me­di­al ganz an­ders her­an­wach­sen, mit „An­kern“ dabei zu hel­fen, mit die­sem schnel­len Me­di­um um­zu­ge­hen, die Flut der Bil­der be­wuss­ter wahr­neh­men und ein­ord­nen zu kön­nen.4

Einen Film als Gan­zes zu in­ter­pre­tie­ren, er­for­dert eben­so um­fas­sen­de Kom­pe­ten­zen wie bei der In­ter­pre­ta­ti­on von Li­te­ra­tur, auch wenn bei der tech­nisch ge­ne­rier­ten audio-vi­su­el­len Mul­ti­me­dia­li­tät die Her­an­ge­hens­wei­se zwangs­läu­fig eine an­de­re sein muss. Und auch wenn der klas­si­sche Ki­no­be­such si­cher­lich heute nicht mehr ganz so weit oben auf der Liste der Frei­zeit­be­schäf­ti­gun­gen bei Schü­lern steht, so ist im Jahr 2017 den­noch fast jeder vier­te Ki­no­be­su­cher unter 30 Jahre alt ge­we­sen, wie es Daten der Film­för­de­rungs­an­stalt be­le­gen.5 Das Kino hat dem­zu­fol­ge nichts von sei­ner Fas­zi­na­ti­on ein­ge­büßt. Filme aller Art zäh­len nach wie vor zu den von Schü­lern am häu­figs­ten ge­nutz­ten AV-Me­di­en.

Bei „GOOD BYE, LENIN!“ führ­te Wolf­gang Be­cker Regie: Für sei­nen Film, der bei der Ber­li­na­le 2003 ur­auf­ge­führt wurde, er­hielt er zahl­rei­che nam­haf­te Prei­se, u. a. neun Mal den Deut­schen Film­preis, dar­un­ter „Bes­ter Film“ und „Beste Regie“.

Bei der Spiel­film­ana­ly­se als Pro­dukt­ana­ly­se6 bie­tet „GOOD BYE, LENIN!“ eine brei­te Pa­let­te an Mög­lich­kei­ten und An­knüp­fungs­punk­ten: Von der Dra­ma­tur­gie des fil­mi­schen Er­zäh­lens über die Fi­gu­ren­zeich­nung und dem Span­nungs­feld von Fik­ti­on und Wirk­lich­keit bis hin zu ge­sell­schaft­lich-po­li­ti­schen Fra­gen rund um De­mo­kra­tie, al­ter­na­ti­ve Fak­ten/fake news und Fa­mi­li­en­bil­der. Darf ein Staat „Fa­mi­li­en­nach­zug“ ver­hin­dern? „GOOD BYE, LENIN!“ lässt Raum für Dis­kus­sio­nen, die weit über den Tel­ler­rand der ei­ge­nen Na­ti­on rei­chen und die ein hohes Maß an Ak­tua­li­tät be­sit­zen.

Die im Fol­gen­den ent­wi­ckel­ten Ma­te­ria­li­en/Ar­beits­blät­ter (so­fern sie un­ver­än­dert blei­ben) sowie die ge­nann­ten Film­aus­schnit­te dür­fen im Rah­men der Leh­rer­fort­bil­dun­gen zum Ba­sis­fach Deutsch in Baden-Würt­tem­berg ge­zeigt und auch für Un­ter­richts­zwe­cke ver­wen­det wer­den.

Hier­für wird auch an die­ser Stel­le der „X Ver­leih AG“ in Ber­lin herz­lich ge­dankt.

 

1 vgl. Arndt, Ste­fan: Das ver­ges­se­ne Jahr. In: Tö­te­berg, Mi­cha­el: GOOD BYE, LENIN! Ber­lin 2003, S. 146

2 Arndt, Ste­fan: Das ver­ges­se­ne Jahr. In: Tö­te­berg, Mi­cha­el: GOOD BYE, LENIN! Ber­lin 2003, S. 147

3 ebd.; S. 146

4 vgl. Abra­ham, Ulf: Filme im Deutsch­un­ter­richt. Seel­ze 20016, 3. Ak­tua­li­sier­te und er­wei­te­re Aus­ga­be, S. 7

5 vgl. https://​www.​ffa.​de/​der-​kin​obes​uche​r-​2017.​html (Zu­griff am 10.08.18)

6 Auch die Pro­duk­ti­on oder Dis­tri­bu­ti­on von (Kino-)Fil­men kön­nen Ge­gen­stand der Ana­ly­se sein.

 

GOOD BYE, LENIN! - Kon­zep­ti­on: Her­un­ter­la­den [docx][448 KB]

GOOD BYE, LENIN! - Kon­zep­ti­on: Her­un­ter­la­den [pdf][830 KB]

 

Wei­ter zu Di­dak­ti­scher Kom­men­tar