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Grund­kon­flikt

Di­dak­ti­scher Kom­men­tar und Um­set­zung im Un­ter­richt

Die Kon­zen­tra­ti­on auf einen Grund­kon­flikt ist – trotz einer Viel­zahl an De­fi­ni­tio­nen des Gat­tungs­be­griffs der No­vel­le – vie­len An­sät­zen ge­mein. Es ist un­ver­zicht­bar, dass den Schü­lern ei­ni­ge Kern­ele­men­te der No­vel­le trotz einer zeit­lich knapp be­mes­se­nen Un­ter­richts­ein­heit „Tho­mas Mann: Mario und der Zau­be­rer“ ver­mit­telt wer­den. We­sent­li­che Merk­ma­le wie der Rea­li­täts­be­zug der Hand­lung, die „un­er­hör­te Be­ge­ben­heit“ (vgl. Goe­the), die ge­schlos­se­ne Hand­lung, die sich zudem auf we­ni­ge Fi­gu­ren be­schränkt und eben ein zen­tra­ler Grund­kon­flikt kön­nen die Schü­ler si­cher­lich schnell am Text be­le­gen. Mit dem Grund­kon­flikt selbst wird zudem – an­knüp­fend an den Ein­stieg und die ers­ten Ge­sprä­che über den Ge­gen­stand des Er­zähl­ten (die Ge­schich­te: was wird er­zählt?) – der Blick ge­wei­tet: Die Macht­spie­le der Ein­hei­mi­schen (im Hotel, am Strand) dem Er­zäh­ler und sei­ner Fa­mi­lie ge­gen­über spie­geln die frem­den­feind­li­chen Ten­den­zen in­ner­halb der ita­lie­ni­schen Ge­sell­schaft wider, die Mann schon früh be­ob­ach­tet und auch 1926 in Brie­fen be­klagt.1 Die­ser Kon­flikt fin­det schließ­lich sei­nen Hö­he­punkt bei der Abend­ver­an­stal­tung mit Ci­pol­la, bei der das Spiel um Macht und Ohn­macht zwi­schen Men­schen immer deut­li­cher zu­ta­ge tritt. Ful­mi­nant ent­lädt sich der Grund­kon­flikt schließ­lich nach dem Kuss Ma­ri­os in dem Mo­ment, als die­ser Ci­pol­la er­schießt. Die Nähe der No­vel­le zum Auf­bau eines Dra­mas dürf­te den Schü­lern damit eben­falls leicht zu ver­mit­teln sein.
Mit dem AB zur No­vel­len­theo­rie (vgl. AB 1), das den Fokus eben­falls auf den Grund­kon­flikt legt, trai­nie­ren die Schü­ler, ihre Er­geb­nis­se am Text zu be­le­gen und diese auch schrift­lich aus­zu­for­mu­lie­ren. Die pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen im Be­reich Schrei­ben be­hal­ten auch im Ba­sis­fach einen hohen Stel­len­wert. Al­lein durch die ver­bind­li­che Vor­ga­be der Auf­satz­for­ma­te (z. B. In­ter­pre­ta­ti­on sowie auch Er­ör­te­rung li­te­ra­ri­scher Texte) wer­den ver­gleich­ba­re Stan­dards ge­setzt. Der Auf­bau eines In­ter­pre­ta­ti­ons­auf­sat­zes soll­te des­halb mög­lichst früh­zei­tig in­ner­halb der Un­ter­richts­ein­heit mit den Schü­lern be­spro­chen bzw. wie­der­holt wer­den.
An die Stun­de zum Grund­kon­flikt las­sen sich leicht The­men­be­rei­che wie die Fi­gu­ren­kon­stel­la­ti­on, der his­to­ri­sche Kon­text, aber auch psy­cho­lo­gi­sche In­ter­pre­ta­ti­ons­an­sät­ze an­knüp­fen. Zudem wird ein Grund­stein ge­legt, der die Schü­ler be­fä­hi­gen soll, spä­ter auch die Frage nach dem po­li­ti­schen Ge­halt der No­vel­le dis­ku­tie­ren zu kön­nen (vgl. auch ex­em­pla­ri­sche Auf­ga­be zum münd­li­chen Ab­itur).

Lö­sungs­hin­wei­se

Im Som­mer 1926 ver­brin­gen Tho­mas und Katia Mann einen Ba­de­ur­laub ge­mein­sam mit den bei­den jüngs­ten Kin­dern, Eli­sa­beth (acht Jahre alt) und Mi­cha­el (sie­ben Jahre alt), im ita­lie­ni­schen Forte dei Marmi. Die Stim­mung im Ba­de­ort am Tyr­rhe­ni­schen Meer be­schreibt Tho­mas Mann in di­ver­sen Brie­fen als „un­er­freu­lich über­spannt“, ge­ra­de­zu als frem­den­feind­lich.2 Die un­schö­nen Er­leb­nis­se der Fa­mi­lie Mann fin­den sich in der No­vel­le wie­der,  womit sich der Rea­li­täts­be­zug der Hand­lung leicht be­le­gen lässt (bei­spiels­wei­se die Keuch­hus­ten-Epi­so­de oder das Er­leb­nis sei­ner klei­nen Toch­ter am Strand). Auch das über­schau­ba­re Fi­gu­r­en­set­ting, das Mann 1929 im Som­mer­ur­laub an der Ost­see nie­der­schreibt, passt zum Gat­tungs­be­griff der No­vel­le. Mario und Ci­pol­la kön­nen als die bei­den Ge­gen­spie­ler ge­se­hen wer­den, bei deren Auf­ein­an­der­tref­fen sich der Grund­kon­flikt am Ende auf tra­gi­sche Weise ent­lädt (vgl. auch dazu pas­sen­de Ding­sym­bo­le wie bei­spiels­wei­se Ci­pol­las Reit­peit­sche). Der Mord an Ci­pol­la ist Goe­thes „un­er­hör­te Be­ge­ben­heit“. Der Er­zäh­ler emp­fin­det diese Auf­lö­sung ge­ra­de­zu als Er­leich­te­rung, auch wenn er sich dafür schämt.

Aus der Er­in­ne­rung her­aus be­rich­tet der Er­zäh­ler vom Ba­de­ur­laub sei­ner Fa­mi­lie in Torre di Ve­ne­re. Hier soll­te den Schü­lern be­reits erst­mals auf­fal­len, dass der Er­zäh­ler kei­nes­wegs ein neu­tra­ler ist. Er be­wer­tet das Ge­sche­hen immer wie­der. Die ein­zel­nen Epi­so­den, von denen er be­rich­tet, zie­len alle auf den Grund­kon­flikt, der bei Ci­pol­las Abend­ver­an­stal­tung für Er­zäh­ler wie den Leser am deut­lichs­ten sicht­bar wird. Die straf­fe Hand­lungs­füh­rung ist am Auf­bau der No­vel­le klar zu er­ken­nen. Hinzu kommt der Rea­li­täts­be­zug: Die zeit­li­che Ein­ord­nung ge­lingt mü­he­los, eben­so er­zeugt die Wahl des Ortes mit kon­kre­ter Na­mens­nen­nung für Au­then­ti­zi­tät. Die Fi­gu­ren tra­gen größ­ten­teils Namen, man er­fährt De­tails aus ihrem Leben (die größ­te Ab­wei­chung hier­von ist beim Er­zäh­ler und sei­ner Fa­mi­lie fest­zu­stel­len). Der Hand­lungs­ver­lauf ist eben­falls rea­lis­tisch, die No­vel­le weist keine mär­chen­haf­ten oder fan­tas­ti­schen Merk­ma­le auf.

1Vgl. Ko­op­mann, Hel­mut: Tho­mas Mann. Mario und der Zau­be­rer. Stutt­gart 1993, S. 11 (noch lie­fer­ba­re di­gi­ta­le Aus­ga­be von 2001) sowie Mom­mert, Mi­cha­el: Tho­mas Mann. Mario und der Zau­be­rer, Stutt­gart 2004, S. 17ff

2vgl. Vaget, Hans Ru­dolf: Tho­mas Mann. Kom­men­tar zu sämt­li­chen Er­zäh­lun­gen. Mün­chen 1984, S. 222

 

Mario und der Zau­be­rer – Kon­zep­ti­on: Her­un­ter­la­den [docx][3 MB]

Mario und der Zau­be­rer – Kon­zep­ti­on: Her­un­ter­la­den [pdf][9 MB]

 

Wei­ter zu Fi­gu­ren und Fi­gu­ren­kon­stel­la­ti­on