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Selbst­deu­tun­gen Tho­mas Manns

Auch wenn sich die Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­reits in den 20er Jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts meh­ren, der Schrift­stel­ler sich immer stär­ker po­li­tisch recht­fer­ti­gen muss (vgl. auch Tho­mas Mann: Deut­sche An­spra­che aus dem Jahr 1930), so denkt Tho­mas Mann bei Hit­lers Er­nen­nung zum Reichs­kanz­ler noch gar nicht ans Exil, in dem er sich den­noch nur kurze Zeit spä­ter wie­der­fin­det.1 Sein Be­sitz und das Haus in Mün­chen wer­den zu­nächst be­schlag­nahmt (ein lan­ger Rechts­streit darum folgt), mit der Aus­bür­ge­rung ver­liert Mann zudem seine Hei­mat.
Vor die­sem Hin­ter­grund sowie vor dem Hin­ter­grund des Zwei­ten Welt­kriegs müs­sen denn auch die Äu­ße­run­gen Tho­mas Manns be­trach­tet wer­den, in denen er sich un­ter­schied­lich zu „Mario und der Zau­be­rer“ po­si­tio­niert. Will er sie zu Be­ginn der 30er Jahre des 20. Jahr­hun­derts noch als klei­ne per­sön­li­che Ge­schich­te mit Sym­bol­cha­rak­ter und einem ethi­schen Ge­halt ver­stan­den wis­sen, at­tes­tiert er ihr 1941 und 1947 einen mo­ra­lisch-po­li­ti­schen Sinn. Im Rück­blick ist er sich si­cher, die Deut­schen da­mals über­schätzt zu haben, da er – und hier setzt er selbst Hit­ler mit Ci­pol­la gleich – ge­glaubt habe, dass solch eine Füh­rer­fi­gur in Deutsch­land keine Chan­ce habe.2

Di­dak­ti­scher Kom­men­tar und Lö­sungs­hin­wei­se

Be­schäf­tigt man sich in­ten­si­ver mit Manns Bio­gra­phie, so wird schnell klar, dass er sich nicht erst in der Zeit, in der er 1926 Ur­laub mit sei­ner Fa­mi­lie in Ita­li­en mach­te, einem gro­ßen po­li­ti­schen Druck aus­ge­setzt sah. Im Jahr 1929, als Mann die No­vel­le nie­der­schrieb, war die­ser für ihn immer noch be­deut­sam, wenn nicht sogar noch in der In­ten­si­tät ge­stie­gen.
Al­ter­na­tiv kann für die­sen Bau­stein sowie für Bau­stein 3.8 eine In­ter­net­re­cher­che ein­ge­plant wer­den (be­nö­tigt wird dann ein PC-Raum). Hier­für ist das „AB 4b Tho­mas Mann“ ge­dacht.
Mit den Schü­lern soll­te des­halb die Am­bi­va­lenz sei­ner deu­ten­den Äu­ße­run­gen zum ei­ge­nen li­te­ra­ri­schen Text gut be­spro­chen wer­den. Es greift si­cher­lich zu kurz, wenn man die deut­lich ver­än­der­ten Äu­ße­run­gen al­lein den Er­fah­run­gen des Zwei­ten Welt­kriegs zu­schreibt. Tho­mas Mann be­fand sich von 1933 an im Exil und galt noch immer als kla­rer Ver­fech­ter der Wei­ma­rer Re­pu­blik. In der ers­ten Zeit (vgl. auch Rechts­streit über sein Hab und Gut) mögen si­cher­lich auch tak­ti­sche Grün­de (vgl. auch Mög­lich­kei­ten, mit sei­nem li­te­ra­ri­schen Schaf­fen Geld zu ver­die­nen) eine Rolle ge­spielt haben, den po­li­ti­schen Cha­rak­ter sei­ner No­vel­le – der von na­tio­na­len wie in­ter­na­tio­na­len Kri­ti­kern durch­aus er­kannt und ent­spre­chend the­ma­ti­siert wurde – ge­ra­de­zu zu ne­gie­ren. Im ame­ri­ka­ni­schen Exil und mit Be­ginn des Zwei­ten Welt­kriegs bezog Tho­mas Mann wie­der öf­fent­lich klar Stel­lung und kri­ti­sier­te den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ve­he­ment (vgl. „Bru­der Hit­ler“ (vgl. Kap. 3.8) oder auch „Deut­sche An­spra­che“ von 1930).
Die zeit­po­li­ti­sche Ak­tua­li­tät der No­vel­le ist letzt­lich weder von Tho­mas Mann selbst, noch von der Mehr­zahl der Re­zen­sio­nen ver­kannt wor­den, auch wenn mit dem po­li­ti­schen Ge­halt mit Si­cher­heit un­ter­schied­lich um­ge­gan­gen wurde. Span­nend dürf­te des­halb sein, wie die Schü­ler die The­ma­tik ein­schät­zen. Nach­dem sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren für Schü­ler in Baden-Würt­tem­berg die Chan­ce er­ge­ben hatte, di­rekt mit einem noch le­ben­den Autor ins Ge­spräch zu kom­men (vgl. Peter Stamm, „Agnes“) und die­ser dabei immer wie­der be­tont hat, dass es auf seine Art der Deu­tung beim In­ter­pre­tie­ren sei­nes Erst­lings­ro­mans nicht an­kom­me, soll genau diese Frage mit den Schü­lern dis­ku­tiert wer­den. Dabei be­grün­den sie, ob sich ihr ei­ge­nes Ver­ständ­nis der No­vel­le ver­än­dert hat, nach­dem sie nun Manns un­ter­schied­li­che Kom­men­ta­re ken­nen.

Un­ter­richts­ver­lauf

Aus Zeit­grün­den wer­den die wi­der­sprüch­li­chen Äu­ße­run­gen von Tho­mas Mann in einem kur­zen Leh­rer­vor­trag ver­mit­telt. Bei Be­darf kann auch noch ein­mal die ge­ne­rel­le Not­wen­dig­keit, Autor und Er­zäh­ler nicht au­to­ma­tisch gleich­set­zen zu dür­fen, mit den Schü­lern be­spro­chen wer­den. Gleich­zei­tig sol­len sie sich be­wusst ma­chen, dass der bio­gra­phi­sche wie zeit­ge­nös­si­sche Kon­text als mög­li­cher In­ter­pre­ta­ti­ons­an­satz durch­aus eine Rolle spielt.
Im An­schluss set­zen sich die Schü­ler zu­nächst in Ein­zel­ar­beit mit ihrem ei­ge­nen Stand­punkt aus­ein­an­der und legen sich eine Ar­gu­men­ta­ti­ons­stra­te­gie zu­recht. Da­nach wird das Thema im Ple­num dis­ku­tiert. Dabei soll auch hier der Schwer­punkt wie­der auf die ge­ne­rel­le Not­wen­dig­keit der Struk­tu­rie­rung ei­ge­ner Re­de­bei­trä­ge ge­legt wer­den, um einer kon­ti­nu­ier­li­chen Vor­be­rei­tung auf das münd­li­che Ab­itur ge­recht zu wer­den.3
Aus­ge­hend von die­ser Dis­kus­si­on kann naht­los zum letz­ten Bau­stein der Un­ter­richts­ein­heit über­ge­gan­gen wer­den.

1Kurz­ke, Her­mann. Tho­mas Mann. Das Leben als Kunst­werk. Eine Bio­gra­phie. Frank­furt am Main, 2013, 5. Auf­la­ge, S. 392

2vgl. Dich­ter über ihre Dich­tun­gen. Tho­mas Mann, Teil II: 1918 – 1943. Mün­chen 1979, S. 372 (An­mer­kung: nur noch an­ti­qua­risch zu er­wer­ben; Aus­zü­ge fin­den sich aber auch in den Ver­öf­fent­li­chun­gen zu „Mario und der Zau­be­rer“ di­ver­ser Schul­buch­ver­la­ge).

3Vgl. auch hier­zu Abra­ham, Ulf: Spre­chen als re­fle­xi­ve Pra­xis. Münd­li­cher Sprach­ge­brauch in einem kom­pe­tenz­ori­en­tier­ten Deutsch­un­ter­richt. Stutt­gart 2016. 2. über­ar­bei­te­te und er­wei­ter­te Auf­la­ge, S. 59f. Auch wenn nicht jede münd­li­che Prü­fung au­to­ma­tisch die Münd­lich­keit selbst ab­prüft, so ist es den­noch ent­schei­dend, dass die Schü­ler gut dar­auf vor­be­rei­tet wer­den, WIE sie ihr fach­li­ches Wis­sen und die im Deutsch­un­ter­richt er­wor­be­nen Kom­pe­ten­zen an­brin­gen und ein­set­zen kön­nen.

 

Mario und der Zau­be­rer – Kon­zep­ti­on: Her­un­ter­la­den [docx][3 MB]

Mario und der Zau­be­rer – Kon­zep­ti­on: Her­un­ter­la­den [pdf][9 MB]

 

Wei­ter zu Der po­li­ti­sche Ge­halt der No­vel­le