M3 – Sprachfähigkeit und Spracherwerb
→ Zentrale Fragestellungen25
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Worin besteht die Sprachfähigkeit als spezifisch menschliche Eigenschaft?
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Was bedeutet es, Sprachkompetenz einer spezifischen Sprache zu besitzen?
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Wie wird sprachliches Wissen (Sprachkompetenz) erworben?
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Wie wird das erworbene sprachliche Wissen angewendet?
1. Empiristisches Modell des Spracherwerbs
1.1 Grundannahme26
→ Kinder werden mit sprachlichen Daten konfrontiert
→ ausgehend davon: Generalisierungen
→ Reaktion der Umwelt als Kontrollinstrument, das den Lernprozess steuert: Bestätigung/Lob bei richtigen Generalisierungen und Korrektur falscher Generalisierungen
1.2 Kritik am empiristischen Modell des Spracherwerbs
1.2.1 Defizienz der Erfahrungsgrundlage27
→ richtige Regeln werden trotz defekter Daten erlernt
→ es stehen viel zu wenige Daten zur Verfügung (Spracherwerb bei Kindern dauert ca. 3-4 Jahre)
1.2.2 Kreativer Aspekt der Sprache28
→ neue, noch nie gehörte Sätze können korrekt gebildet werden
→ bestimmte noch nie gehörte Sätze werden nicht gebildet
2. Nativistisches Modell des Spracherwerbs
2.1 Grundannahme29
→ der Mensch ist von Geburt an mit einem geistigen Apparat der Sprachfähigkeit ausgestattet, dessen Mechanismen durch Konfrontation mit Erfahrungsdaten lediglich ausgelöst werden
→ zentrale Eigenschaften dieser Mechanismen
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restriktiv: Erklärung für die Aneignung einer Sprache in sehr kurzer Zeit
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liberal: Erklärung dafür, dass sie die sprachliche Vielfalt zulassen, deren Entwicklung von den jeweiligen Erfahrungsdaten abhängig ist
2.2 Argumente für das nativistische Modell des Spracherwerbs30
→ Erklärung, wieso ein Mensch in einem relativ kurzen Zeitraum (etwa bis zum 6. Lebensjahr) das überaus komplexe und kreative System einer Sprache erlernen kann
→ Annahme angeborener Fähigkeiten beispielsweise auch für das visuelle System
2.3 Universalgrammatik als angeborene Prinzipien der Sprachfähigkeit (Noam Chomsky)31
→ Vergleich der Universalgrammatik mit einem Computer32
Hardware ≙ „Verdrahtungen“ im menschlichen Gehirn → Neurolinguistik |
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anatomische Strukturen → Beschränkung der Möglichkeiten der Programmierung |
neurophysiologische Prozesse → Beschränkung der Möglichkeiten des Spracherwerbs |
Beschränkungen als allgemeine Prinzipien formulierbar, die die mögliche Software bestimmen |
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Software/Programme ≙ Sprache/Grammatik → kognitive Linguistik |
→ Sprachfähigkeit als eigenständiges Teilmodul der menschlichen Kognition33
→ Chomsky: Vergleich der Sprache mit einem Organ, das wächst
Linguistik als Teilbereich der kognitiven Psychologie
Erforschung der Sprache als Teilbereich der Humanbiologie
Aufgaben zum Spracherwerb
1. Erläutere jeweils, wieso die angeführten Befunde ganz klar für das nativistische Modell des Spracherwerbs sprechen!
1.1 Landau/Gleitman (1985) haben die Sprachentwicklung − insbesondere den Erwerb des perzeptuellen Vokabulars (Farbwörter, Verben der Wahrnehmung etc.) bei von Geburt an blinden Kindern untersucht. Sie konnten zeigen, dass diese Entwicklung im Großen und Ganzen dasselbe Muster aufweist wie bei nicht blinden Kindern.34
1.2 Vereinfacht kann die Bildung der W-Fragen im Englischen so beschrieben werden, dass ein Ausdruck durch ein W-Wort ersetzt wird und dieses an die Anfangsposition gebracht wird.
2. Erläutere, welche Schlussfolgerung das unten dargelegte Untersuchungsergebnis hinsichtlich des Verlaufs des Spracherwerbs bei Babys zulässt!
Japanische und amerikanische Babys im Alter von sieben Monaten konnten gleich gut zwischen r und l unterscheiden.
Bereits mit zehn Monaten aber konnten japanische Babys den Übergang von r zu l nicht mehr hören. Amerikanische Babys dagegen konnten den Übergang nun noch viel besser hören als zuvor.36
Kurzzusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes zum Spracherwerb bei Kleinkindern
Wenn wir Babys untersuchen, erkennen wir, dass unsere Sprechfertigkeit, mag sie uns als Erwachsene noch so selbstverständlich und instinktiv erscheinen, das Ergebnis eines aufwendigen Lernprozesses ist. … 37
(vollständiger Textauszug: Gopnik et al., Forschergeist in Windeln, S.159-160; zum Spracherwerb bei Kindern siehe S. 117-160)
25 Vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 16-17; Siehe auch Meibauer, Einführung in die germanistische Linguistik, S. 9.
26 Vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 17.
27 Vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 17-18.
28 Vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 18-19.
29 Vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 19; Dipper et al., Linguistik, S. 206.
30 Vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 20.
31 Vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 20-22.
32 Vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 21; Meibauer, Einführung in die germanistische Linguistik, S. 8; Dipper et al., Linguistik, S. 17-18.
33 Vgl. Dipper et al., Linguistik, S. 206.
34 Vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 20.
35 Zu einer Analyse anhand analoger Beispiele vgl. Grewendorf et al., Sprachliches Wissen, S. 18-19.
36 Vgl. Gopnik et al., Forschergeist in Windeln, S. 133.
37 Gopnik et al., Forschergeist in Windeln, S. 159.
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