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Komplexe Sätze

Fachwissenschaftliche Orientierung

Ein komplexer Satz lässt sich bestimmen als Satz, der einen Teilsatz enthält. Bei komplexe Sätzen lassen sich zwei grundlegende Formen unterscheiden: Satzreihen und Satzgefüge. Ein Satzreihe werden mindestens zwei Teilsätze mit oder ohne Konjunktion verbunden. Ein Satzgefüge enthält einen Nebensatz, d. h. einen Teilsatz, der nicht mit einem anderen Satz koordiniert ist. Mit Hilfe des Einbettungsmodells, das dem in der Schule gebräuchlichen Verkettungsmodell gegenübergestellt wird, lassen sich die Begrifflichkeiten anschaulich machen.

(29)

Morgen regnet es oder es schneit.26

Mit Satz (29) liegt eine Satzreihe vor, die im Einbettungsmodell folgendermaßen dargestellt werden kann:

Einbettungsmodell Satzreihe (29)

Das Einbettungsmodell macht durch die ineinanderliegenden Boxen deutlich, dass es sich bei den beiden durch die Konjunktion oder syndetisch verbundenen Konjunkten Morgen regnet es und es schneit um Teilsätze des Gesamtsatzes bzw. der Satzreihe Morgen regnet es oder es schneit handelt. Ebenso lassen sich auch Satzgefüge visualisieren:

(30)

Ich weiß, dass sie kommt.27

Einbettungsmodell Satzgefüge (30)

Der Nebensatz dass sie kommt wird als Teilsatz des Gesamtsatzes bzw. des Satzgefüges Ich weiß dass sie kommt erkennbar.

Geht man von diesen Einbettungsstrukturen bei Satzreihen und Satzgefügen aus, lässt sich ein Hauptsatz als nicht eingebetteter und damit als selbständiger Satz von eingebetteten und dadurch unselbständigen Teilsätzen abgrenzen. Wendet man diese Begrifflichkeit auf Satzreihen und Satzgefüge an, ergibt sich folgendes Bild:

Einbettungsmodell Teilsätze

Damit besteht eine Satzreihe nicht aus der Verbindung von Hauptsätzen, sondern aus der Verbindung von Teilsätzen, die erst zusammen mit der Konjunktion den Hauptsatz bilden.28

Einbettungsmodell Konjunktion+Teilsatz

Ebenso besteht die Satzreihe nicht aus einem Hauptsatz Ich weiß und dem Nebensatz dass sie kommt. Stattdessen umfasst der Hauptsatz den Gesamtsatz, der aus der Sequenz Ich weiß und dem Teilsatz dass sie kommt gebildet wird.29

Zentral ist, dass der Hauptsatz sowohl bei Satzreihen als auch bei Satzgefügen der äußeren Box entspricht und sich innerhalb der äußeren Box nur Teilsätze befinden. Damit weicht das Einbettungsmodell von dem schulisch bedeutsamen Verkettungsmodell ab, das Satzreihen als Verkettung von Hauptsätzen und Satzgefüge als Verbindung von Haupt- und Nebensatz darstellt. Um die Unterschiede augenscheinlich zu machen, werden die Satzreihe sowie das Satzgefüge nachfolgend im Verkettungsmodell dargestellt:

Verkettungsmodell Satzreihe

Nach dem Verkettungsmodell besteht die Satzreihe aus den verknüpften Hauptsätzen Morgen regnet es und es schneit.

Verkettungsmodell Satzgefüge

Entsprechend werden Satzgefüge als nacheinanderstehende und voneinander abgegrenzte Einheiten be- stehend aus dem Hauptsatz Ich weiß und dem Nebensatz dass sie kommt analysiert.

Eine Problematik des Verkettungsmodells zeigt sich, wenn man die Satz- und Satzgliedanalyse des Satzes Ich weiß das der entsprechenden Satz- und Satzgliedanalyse des Satzes Ich weiß, dass sie kommt gegen- überstellt:

Satzglied- und Satzanalyse nach dem Verkettungsmodell

Abbildung 2: Satzglied- und Satzanalyse nach dem Verkettungsmodell

Ist das Objekt das zum Prädikat weiß nicht satzwertig, gehört es gemäß der Satzanalyse nach dem Verkettungsmodell zum Hauptsatz dazu. Ist das Objekt dass sie kommt zum selben Prädikat weiß jedoch satzwertig, gehört es nicht mehr zum Hauptsatz. Der Widerspruch zwischen Satzglied- und Satzanalyse besteht also darin, dass ein zum Satz gehörendes Satzglied aufgrund seiner Form einmal zum Satz und einem nicht zu demselben Satz gerechnet wird. Diese Widersprüchlichkeit zwischen Satzglied- und Satzanalyse nach dem Verkettungsmodell wird durch das Einbettungsmodell vermieden. Hier gehört der Objektsatz als Teilsatz ebenso zum Hauptsatz wie das entsprechende nichtsatzwertige Objekt.

Satzglied- und Satzanalyse nach dem Einbettungsmodell

Abbildung 3: Satzglied- und Satzanalyse nach dem Einbettungsmodell

Der Vorteil des Einbettungsmodells ist somit darin zu sehen, dass es die Einbettungsstruktur von Satzreihen und Satzgefügen erfasst. Indem Teilsätze als in den Hauptsatz eingebettete Sätze aufgefasst werden, werden Widersprüche zwischen Satzgliedanalyse und Satzanalyse vermieden.

Liegen mehrfache Einbettungsstrukturen vor, wird der Begriff des Trägersatzes bzw. des Matrixsatzes relevant. Dabei bezeichnet der Trägersatz eines Teilsatzes den Satz, in den der Teilsatz unmittelbar eingebettet ist. Dies wird anhand des folgenden Beispiels deutlich:30

(31)

[S0 Er weiß, [S1 dass ich weiß, [S2 das sie kommt]]]

Der Teilsatz S2 in den Teilsatz S1 unmittelbar eingebettet. Damit ist S1 der Trägersatz von S2. Entsprechend ist S0 Trägersatz des unmittelbar eingebetteten Teilsatzes S1, nicht aber von S2. Schließlich ist noch zu beachten, dass Nebensätze nicht ausschließlich als VE-Sätze auftreten, sondern auch als V1- und V2-Sätze sein können.31

(32)

a. [S0 Ich weiß, [S1 er wird morgen kommen.]]

b. [S0 [S1 Kommst du nicht rechtzeitig], dann fangen wir an.]

In (32a) liegt ein eingebetteter V2-Objektsatz vor. Dass auch V1-Nebensätze auftreten können, zeigt der konditionale V1-Nebensatz in (32b).

Didaktisch-methodische Hinweise

Didaktisch ist es für die Lerngruppe eine Herausforderung, komplexe Sätze entgegen ihrer bisherigen Analysegewohnheit als Einbettungsstrukturen aufzufassen. Um diese Satzkonzeption anzubahnen, kann das Einbettungsmodell zunächst bei der Satzgliedanalyse einfacher Sätze angewendet werden, indem die einzelnen Satzglieder sowie der Gesamtsatz in Boxen dargestellt werden. In einem zweiten Schritt können nichtsatzwertige Satzglieder durch satzwertige ersetzt werden, wobei diese dann in denselben Boxen wie die entsprechenden nichtsatzwertigen Satzglieder erfasst werden. Dadurch kann sich die Erkenntnis anbahnen, dass sich auch satzwertige Satzglieder innerhalb des Gesamtsatzes befinden. Der weitere Schritt besteht dann darin, dass nur noch die Teilsätze markiert werden. Schließlich kann dann das Einbettungsmodell hinsichtlich der indizierten Klammerung abstrahiert werden. Die folgenden Abbildungen verdeutlichen diese Vorgehensweise.

Komplexe Sätze 1

Die Einbettungsstruktur von Satzreihen lässt sich analog zu Satzgefügen einführen. Zunächst sollen die koordinierten Sätze durch Boxen markiert werden. Auf die Frage, wie man die Zusammengehörigkeit der koordinierten Sätze markieren kann, kann eine umfassende Satzbox, welche die beiden Konjunkte sowie die Konjunktion beinhaltet, als Lösung angeboten werden. Die indizierte Klammerung ergibt sich wiederum als Abstraktion des visuellen Einbettungsmodells, indem jedem Kasten eine Klammer zugeordnet wird.

Komplexe Sätze 2

Auf dieser Grundlage lassen sich dann die Begriffe Hauptsatz vs. Teilsatz, selbstständiger versus unselbst- ständiger Satz, einfacher versus komplexer Satz sowie Trägersatz einführen.

 


26 Bsp. mod. nach Pafel (2011: 78).

27 Bsp. mod. nach Pafel (2011: 79).

28 Werden die koordinierten Teilsätze durch eine Konjunktion verbunden, spricht man von Syndese, sind sie ohne Konjunktion verbunden, liegt eine Asyndese vor.

29 Die Sequenz Ich weiß, die übrig bleibt, wenn man den Teilsatz wegnimmt, wird auch als Gerüst des Trägersatzes bezeichnet.

30 Bsp. mod. nach Pafel (2011: 81).

31 Bsp. mod. nach Pafel (2011: 83).

 

Fachliche und didaktische-methodische Hinweise: Herunterladen [pdf][956 KB]

 

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