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Syntaktische Valenz

Fachwissenschaftliche Orientierung

Das Konzept der syntaktischen Valenz drückt aus, dass Ausdrücke bestimmte syntaktische Anforderungen an die Wörter bzw. Wortgruppen stellen, mit denen sie kombiniert werden bzw. die sie selegieren. Die syntaktische Valenz von Verben, die hier im Vordergrund stehen soll, lässt sich durch Valenzangaben erfassen: Zunächst wird die Anzahl und Form der Ergänzungen des jeweiligen Verbs angegeben. Eine obligatorische Ergänzung ist dabei eine Wortgruppe, die notwendig ist, damit mit dem fraglichen Verb ein akzeptabler Satz gebildet werden kann. Beispielsweise fordert das Verb besiegen zwei obligatorische Ergänzungen: eine Nominalgruppe im Nominativ und eine Nominalgruppe im Akkusativ, wie an den ungrammatischen Sätzen (33b) und (33c) zu erkennen ist:32

(33)

a. Alexander der Große besiegte den Perserkönig Dareios

b. *Alexander der Große besiegte

c. *Den Perserkönig Dareios besiegte

Neben obligatorischen Ergänzungen kommen auch fakultative Ergänzungen vor. Eine fakultative Ergänzung wird zwar auch vom Verb selegiert, kann aber auch weggelassen werden.

(34)

a. Ede gestand der Polizei seine Tat.

b. Ede gestand die Tat.

c. Ede gestand.

Die Beispielsätze zum Vollverb gestehen zeigen, dass sowohl das Dativobjekt der Polizei als auch das Akkusativobjekt seine Tat weglassbar und damit fakultativ sind, wohingegen die Nominativergänzung Ede obligatorisch ist.

Von Ergänzungen sind Angaben zu unterscheiden, die nahezu bei jedem Verb auftreten können und nicht zum Valenzrahmen eines Verbs gehören:

(35)

a. Alexander der Große besiegte den Perserkönig Dareios ja vor langer Zeit

b. Ede gestand der Polizei seine Tat ja vor langer Zeit.

Zu den Angaben werden vor allem Adverbiale (z. B. vor langer Zeit) und Partikeln (z. B. ja) gerechnet, da ihre Kombinationsmöglichkeit mit Verben keine spezielle Eigenschaft des jeweiligen Verbs darstellt, sie also nicht vom Verb selegiert werden.

Damit lässt sich jetzt die syntaktische Valenz der Verben besiegen und gestehen durch folgende Angaben erfassen:33

besiegen syntaktische Valenz Nom Akk
gestehen syntaktische Valenzen Nom
Nom Akk/S±finit34
Nom Akk/S±finit Dat

Aus den Valenzangaben geht hervor, dass das Verb besiegen eine Nominalgruppe im Nominativ und eine Nominalgruppe im Akkusativ selegiert. Das Verb gestehen hat mehrere syntaktische Valenzen. Es kann einstellig sein und nur mit einer Nominalgruppe im Nominativ auftreten, es kann zweistellig sein und benötigt dann eine Nominativ- und eine Akkusativergänzung, schließlich kann es dreistellig vorkommen, indem es eine Nominativergänzung, eine Akkusativergänzung und eine Dativergänzung selegiert. Zu beachten ist, dass die Akkusativergänzung bei gestehen auch durch einen finiten oder infiniten Satz ausgedrückt werden kann:

(36)

a. Ede gestand der Polizei, dass er den Überfall begangen hat.

b. Ede gestand der Polizei, den Überfall begangen zu haben.

Valenz, d. h. die Fähigkeit eines Ausdrucks andere Ausdrücke in einer bestimmen Form zu selegieren, tritt nicht nur bei Verben, sondern auch bei Präpositionen, Adjektiven und Substantiven auf.35 Beispielsweise können Präpositionen Nominalgruppen in einem bestimmten Kasus selegieren. Nomen und Adjektive können fakultativ bestimmte Ergänzungen fordern.

(37)

a. zu ihm / *zu ihn

b. zufrieden mit / *zufrieden an

c. Hoffnung auf / *Hoffnung an

Die Präposition zu selegiert eine Nominalphrase im Dativ, das Adjektiv zufrieden sowie das Nomen Hoffnung fordern eine bestimmte Präpositionalphrase.

In diesem Zusammenhang wird der Begriff der Rektion wichtig. Unter Rektion versteht man den Teilaspekt der syntaktischen Valenz, dass die selegierten Ausdrücke eine bestimmte Form aufweisen müssen. Beispielsweise wird bei selegierten Nominalgruppen ein bestimmter Kasus gefordert, bei selegierten Präpositionalgruppen eine bestimmte Präposition oder bei selegierten Verben ein bestimmter Status, d. h. ob das selegierte Verb als reiner Infinitiv (1. Status), als zu-Infinitiv (2. Status) oder als Partizip Perfekt (3. Status) gefordert wird.

(38)

a. Ich muss kommen (1. Status).

b. Niemand braucht zu kommen (2. Status).

c. Er ist gekommen (3. Status).

Das Modalverb muss selegiert einen einfachen Infinitiv (z. B. kommen), wohingegen das Modalverb brauchen ein Verb im 2. Status (z. B. zu kommen) fordert. Das Hilfsverb ist selegiert schließlich ein Verb im 3. Status (z. B. gekommen).

Didaktisch-methodische Hinweise

Valenzüberlegungen können didaktisch initiiert werden, indem die Lerngruppe den Auftrag erhält auf der Grundlage von situativ verankerten Verben im Infinitiv und vorgegebenen Wortgruppen passende Sätze zu formulieren (Wieland und Melzer 2013: 475). Dabei müssen die Lerner entscheiden, welche Wortgruppen mit welchem Verb kombinierbar sind und wie diese flektiert werden müssen. Ebenso sind Wortgruppen an die Kasusforderungen von Präpositionen anzupassen. Dadurch findet eine zunächst intuitive Auseinandersetzung mit dem Valenzforderungen des jeweiligen Verbs bzw. der jeweiligen Präposition statt.

Valenz 1

Mögliche Ergebnissätze wären beispielsweise:

  • Ich hoffe auf viele Geschenke.
  • Mein Freund hilft mir bei den Geburtstagsvorbereitungen.
  • Ich helfe einem Freund.
  • Ich helfe.
  • Ich schenke meinem Freund ein spannendes Buch.
  • Ich schenke ein spannendes Buch.

Mit Hilfe der Substitutionsprobe bzw. der Satzgliedbestimmung nach Anzahl, Form und Kasus lassen sich konkrete Realisierungen der Valenzforderungen in abstrakte überführen, sodass die Valenzangaben direkt abgelesen werden können:

Valenz 3

Zudem lässt sich auch die Valenz der auftretenden Präpositionen angeben.

Valenz 4

Damit hat die Lerngruppe den grundlegenden Begriff der syntaktischen Valenz kennengelernt, welche die Anzahl sowie die Form der vom Verb bzw. von einer Präposition selegierten Wortgruppen festlegt.37 Darauf aufbauend können die Begriffe der obligatorischen sowie der fakultativen Ergänzung eingeführt werden. Beispielsweise zeigen die Valenzangaben, dass beim Verb schenken die Nominativ- sowie die Akkusativergänzung obligatorisch sind, wohingegen die Dativergänzung fakultativ ist.

In einem weiteren Schritt ist die Differenzierung von Ergänzungen und Angaben zu leisten. Dazu kann untersucht werden, bei welchen Verben beispielsweise Temporalangaben wie heute möglich sind. Mit der Feststellung, dass Temporalangaben nahezu beliebig mit Verben kombiniert werden können, ist das zentrale Unterscheidungskriterium von Ergänzungen und Angaben gewonnen. Schließlich sollte auch die systematische Erstellung und Notation syntaktischer Valenzangaben thematisiert werden.

 


32 Bsp. mod. nach Pafel (2011: 29).

33 Vgl. Pafel (2011: 32).

34 Die Möglichkeit, dass das Akkusativobjekt bei gestehen auch die Form eines finiten oder infiniten Satzes annehmen kann wird durch AKK/S±finit ausgedrückt.

35 Vgl. Pafel (2011: 33).

36 Eventuell sind manche syntaktische Valenzangaben zu ergänzen.

37 In diesem Zusammenhang lässt sich auch der Begriff der Rektion hinsichtlich bestimmter Kasus- bzw. Statusforderungen des selegierenden Ausdrucks einführen.

 

Fachliche und didaktische-methodische Hinweise: Herunterladen [pdf][956 KB]

 

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