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Politolinguistik

Grundlegendes

  • Gegenstandsbereiche der Politolinguistik : nicht nur der Sprachgebrauch der Politiker, sondern auch Sprechen über Politik und politische Mediensprache (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 16-17)

  • Funktionen politischer Sprache : Dominanz der Appellfunktion gegenüber der Darstellungs- und Ausdrucksfunktion (siehe Karl Bühlers Organon-Modell)

    → in politischer Argumentation häufige Behauptung: Darstellungsfunktion sei der zentrale Zweck der Sprache (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 18)

  • Abgrenzung zur Rhetorik : Politolinguistik als Teil der deskriptiven Linguistik, die sprachliche Phänomene beschreibt und erklärt, hierbei jedoch keine Wertung vornimmt (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 18)

Methodik der politolinguistischen Analyse

Wortebene

Politischer Wortschatz

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 64-66)

  • Institutionsvokabular ( präsidentielle Demokratie , Ministerpräsident )

  • Ressortvokabular ( Abwrackprämie , Hartz IV )

  • Ideologievokabular ( Menschenrechte , Terrorist vs. Freiheitskämpfer )

  • Allgemeines Interaktionsvokabular

Denotation – Konnotation – Deontik

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 67-69)

konnotative „Nebenbedeutungen“

  1. Nicht definitorische, gegenstandsbezogene Merkmale, z. B. Hund : [treu]

  2. Evaluative Merkmale, z. B. Arbeitslosigkeit : [schlecht]

Deontische Bedeutungsbestandteile

(gr. το δέον : ‚das Nötige, das Schickliche, die Pflicht‘)

→ werden zusätzlich als Appell wahrgenommen:

Adjektive wie lobenswert (etwas Lobenswertes sollte gelobt werden)

Einbahnstraße (‚Straße, die nur in eine Richtung befahren werden darf‘)

Schlagwörter

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 69-75)

Möglichst genaue Analyse der Bedeutungskomponenten der Verwendung bestimmter Ausdrücke erlaubt Rückschlüsse auf die zugrundeliegende Strategie der Sprecherin/des Sprechers

Funktionen:

  • Emotionalisierung und Kontrolle: z. B. Ausblendung von Differenzierungen durch scheinbar plausible Gegensatzpaare wie im CDU-Slogan Freiheit statt Sozialismus (1976)

  • Grob vereinfachende Darstellung komplizierter Sachverhalte

Frames

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 76-80)

Strukturzusammenhänge bzw. Wissensstrukturen, die beim Verstehen von sprachlichen Ausdrücken aktiviert werden

Beispiel: Ist von Entführung die Rede, so erwartet man, etwas über Täter, Opfer und Forderung zu erfahren.

Strategien im politischen Sprachgebrauch

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 80-87)

  • Analyse des Umgangs mit den Grice’schen Konversationsmaximen und Implikaturanalyse (siehe auch Liedtke, Moderne Pragmatik , S. 215-217; Hagemann, „Implikaturanalyse“)

  • Sprechakte in der politischen Sprache (vgl. Liedtke, Moderne Pragmatik , S. 218-221; Staffeldt, „Sprechakttheoretisch analysieren“; Hindelang/Yang, „Sprechakttheoretische Dialoganalyse“)

  • Gebrauch deiktischer Ausdrücke (vgl. Liedtke, Moderne Pragmatik , S. 211-214)

Begriffe besetzen

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 87-98)

Semantische Kämpfe auf lexikalischer Ebene zur Stärkung seiner eigenen sprachlichen Ressourcen und zur Schwächung derer der politischen Konkurrenten:

  • Begriffsprägung ( Soziale Marktwirtschaft )

  • Parteiliches Prädizieren ( Kronzeugenregelung vs. Verräterbonus )

  • Begriffsumdeutung ( Kommunismus vs. Gemeinschaftseigentum )

  • Begriffsumwertung (z. B. konservativ )

Textebene

Analyse politischer Sprache im Hinblick auf die Erfüllung oder Nichterfüllung von Erwartungen im Hinblick auf bestimmte Textsorten

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 99-112)

Beispiele:

  • Funktionen von Parteiprogrammen

    Nach innen: Integrationsfunktion, Identifikationsfunktion, Herrschaftsfunktion, Legitimationsfunktion, Stimulationsfunktion

    Nach außen: Werbefunktion, Profilfunktion, Agitationsfunktion, Operationsbasisfunktion

  • 2. Funktionen von Parlamentsdebatten

    Fiktion einer realen Argumentationssituation vs. Funktion der Bestätigung von Entscheidungen

    (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 112-121)

Intertextualität

Analyse des Zusammenhangs verschiedener Texte untereinander: hohes Maß an Intertextualität z. B. bei Hyper-Texten im Internet (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 121-124)

Diskursebene

„Diskurs ist ein Geflecht von thematisch zusammengehörigen Aussagen, die über Textkorpora zu erschließen sind. Quantitativ sind dabei die Grenzen prinzipiell nach oben wie unten verschiebbar.“

(Niehr, Politolinguistik , S. 127)

Aufgabe der linguistischen Diskursanalyse: Beschreibung von Diskursen (sie darf nicht die dort vertretenen Positionen kritisieren oder Partei ergreifen) (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 127)

Erstellung eines konkreten Textkorpus als gestufter Einschränkungsprozess im Hinblick auf Thema, Zeitraum, Medien, Textsorten etc. (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 132)

Diskursrelevante Lexik

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 136-143)

Indizien für diskursrelevantes Vokabular (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 136-137)

  • Explizite Thematisierung ( Kommunismus )

  • Implizite Thematisierung ( Leibesübungen: ironisierend für Sport )

  • Gelegenheitskomposita ( Too-big-to-fail-Problematik )

  • Neologismen ( Euro-Rettungsschirm )

Diskursrelevante Metaphorik

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 144-151)

  • Zentrale Bedeutung von Metaphernnetzen bzw. -feldern, wie z. B. als geflügelte Worte verbreitete Einsichten (z. B. Zeit ist Geld )

  • Kommunikationsstrategisch nutzbares Implikationspotenzial

  • Hervorhebung und Ausblendung bestimmter Eigenschaften am metaphorisierten Gegenstand (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 144, unter Berufung auf Lakoff, George/Johnson, Mark, Leben in Metaphern . Heidelberg: Carl-Auer-Systeme, 2000.)

Diskursrelevante Argumentation

(vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 151-159)

Verdeutlichung der argumentativen Eigenheiten der Gesamtargumentation eines Diskurses oder mehrerer Diskurse zu einem bestimmten Thema durch Analyse prototypischer Argumente (vgl. Niehr, Politolinguistik , S. 158, zu den für die Analyse zentralen Fragestellungen vgl. S. 157-158)

Mögliche Ausgangspunkte für die schriftliche Hausarbeit

Wortebene: zahlreiche Möglichkeiten der Analyse, insbesondere auf der Grundlage semantischer und pragmatischer Theorien, z. B.:

  • Konversationsmaximen und Implikaturen

Pragmatik (2)
  • Sprechakte

Pragmatik (3); Vertiefung Pragmatik
  • Deixis

Vertiefung Pragmatik
  • Konversationsanalyse

Pragmatik (4); integrative Anwendung der zentralen Theorien der Pragmatik
  • Figurative Bedeutung

Semantik (5)
  • Frames

Vertiefung Semantik

Textebene: Untersuchungen ausgehend von ausgewählten Textsorten; Analyse von Intertextualität anhand von Einzelaspekten

Diskursebene: Analyse durch die Schülerinnen und Schüler nur auf der Grundlage eines zur Verfügung stehenden Korpus möglich (bei der Suche nach einem geeigneten Korpus relativ viel Unterstützung seitens der Lehrkraft erforderlich)

 

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