Stunden 13-14
Migration
Die große Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken hat [im April 2017] für die Einführung des Präsidialsystems gestimmt. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, nach Auszählung von deutlich mehr als der Hälfte der in Deutschland abgegebenen Stimmen komme das Erdogan-Lager auf 63,2 Prozent. Die Gegner des Präsidialsystems konnten demnach 36,8 Prozent verbuchen. Die Wahlbeteiligung lag in Deutschland bei knapp 50 Prozent.
Dieses Ergebnis wirft die Frage auf, warum die seit teilweise drei Generationen in Deutschland lebenden Türken eine offen antidemokratische Verfassungsreform mehrheitlich unterstützen und damit die Fragen nach dem historischen Hintergrund der Migration sowie nach den Hintergründen der (Nicht-) Integration der türkischen Migranten.
Gleichzeitig wird deutlich, dass die “Modernisierung von oben” mit dem Sieg der konservativ-islamischen Gegenbewegung beim Verfassungsreferendum auf Dauer in Frage gestellt wird. Dadurch ist auch in Zukunft wieder damit zu rechnen, dass die imperial-osmanische Vergangenheit zur Legitimierung der aktuellen Politik herangezogen wird, die aber weiterhin von kemalistischen Strukturen geprägt bleibt, insbesondere was die autokratischen und charismatischen Züge der Politik Erdogans angeht.
Ausgehend hiervon kann/muss in einem weiteren Schritt erörtert werden, wie Europa mit diesem “imperialisierenden Nationalstaat” (Leonhard/Hirschhausen) umgehen soll.
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