Didaktischer Kommentar: Stunden 5-6
Eurasischer Handel im 18.Jhdt. und sein Niederschlag an regionalgeschichtlichen Beispielen
Mit dem Eindringen zunächst der Portugiesen, dann der Briten und Holländer in das Handelssystem des Indischen Ozeans entstand eine Handelsvernetzung zwischen Europa und Asien, die einen Waren- und Güteraustausch in bisher unbekanntem Ausmaß ermöglichte. Aus China wurden vor allem Seide und Baumwolle, als neues Gut vor allem Tee exportiert. Neue Produkte wie Vasen, Geschirr und Dekorationsgegenstände aus Porzellan, teilweise auch aus Jade und Edelstein fanden nun auch ihren Weg an die Fürstenhöfe Europas. Schätzungen zu Folge dürfte es sich dabei um mehrere Millionen Einzelstücke gehandelt haben, die den mehrere Monate dauernden Weg von China über die Südspitze Afrikas in die großen europäischen Häfen wie London und Rotterdam hinter sich ließen. Alljährlich verließen die Tee- und Porzellanflotten die chinesische Hafenstadt Guangzhou. Die chinesischen Exporte von Tee und Porzellan trugen in erheblichem Maße zu dem bei, was man in Europa eine Konsumrevolution genannt hat. Statt Wein und Bier wurde es nun nicht nur in England für die Oberschichten chic, Tee in Porzellan-Tassen zu konsumieren, meist noch ergänzt um einen Löffel Zucker, der in den Plantagen in der Karibik gewonnen und über den Atlantik nach Europa gebracht wurde. Mit den Waren und Produkten aus China kamen natürlich auch Berichte aus dem fernen Asien nach Europa, die die Vorstellung der Menschen hier tief veränderten. Innerhalb kürzester Zeit begannen die europäischen Adligen in China einen Ort der vollendeten Harmonie und perfekten Schönheit zu erblicken, was sich an den Porzellansammlungen vieler Schlösser im heutigen Baden-Württemberg noch aufzeigen lässt.
Das Vordringen der Portugiesen, Briten und Holländer in den Indischen Ozean blieb den Chinesen nicht verborgen, im Gegenteil: Schon früh versuchten die Kaiser und ihre politischen Berater zu ergründen, worin der Erfolg der Europäer seine Ursache hatte. Der Großvater des Kaisers Qianlong, Kangxi, hielt vor allem die Navigationstechnik und Kartographie der Europäer für ausschlaggebend, also ihre Fähigkeit schnelle Schiffe zu konstruieren, mit Hilfe von Sextanten etc. die Routen zu berechnen und danach auch zu segeln. Schon im 17. Jahrhundert wurden daher jesuitische Missionare, die eigentlich das Christentum in Asien verbreiten sollten, an den Kaiserhof geholt, um dort die neusten mathematischen und astronomischen Kenntnisse zu erläutern.
Einer dieser Jesuiten, der aus Deutschland stammende Adam Schall von Bell, wurde zum Vorsitzenden des kaiserlichen Kalenderamtes, gewissermaßen dem Wissenschaftsministerium der Chinesen, bestellt. Mit ihm und seinem belgischen Nachfolger Ferdinand Verbiest kam die Kenntnis vom heliozentrischen Weltbild und von den Umlaufbahnen der Planeten nach China. Aber nicht nur dies: Die beiden Jesuiten, beides studierte Mathematiker und Physiker, unterstützten die chinesische Armee bei der Entwicklung von Artillerie, bauten erste Dampfmaschinen und richteten ein erstes Himmels-Observatorium in Peking ein. Die Faszination für europäische Erfindungen oder Architektur wurde am Hofe der chinesischen Kaiser keineswegs von allen geteilt. Viele der hohen Hofbeamten (Mandarine) sahen die traditionelle chinesische Kultur in Gefahr und wollten den Einfluss der Jesuiten beschränken. Mehr als 99% der chinesischen Bevölkerung dürfte zunächst ohnehin kaum an diesem Austausch teilgehabt haben, er blieb auf den Kaiser und den unmittelbaren Hofstaat beschränkt.. Allerdings orientierte sich die aufsteigende Klasse der urbanen Kaufleute und des handelsorientierten Landadels am Westen. In ihren Häusern stellten sie Uhren, mechanisches Spielzeug und Kalender zur Schau, die aus Europa importiert worden waren. Der Handelsaustausch mit Europa, der schon seit der Ming-Dynastie blühte und vor allem auf dem globalen Silberaustausch basierte, brachte also auch in China eine neue Form der Konsumkultur hervor, die den erworbenen Reichtum für den Erwerb exotischer Produkte nutzte, nicht zuletzt um sich von der Masse der Bevölkerung abzugrenzen. Da Kaiser Qianlong den Handel mit Europa aber auf einen Hafen (Kanton) und eine Kaufmannsgilde per Verordnung beschränkt hatte, kamen nur wenige Kaufleute in Kontakt mit westlichen Gütern und Moden, d.h. der Umfang dieses europäischen Einflusses blieb eng begrenzt. (Vgl. AB 5)
Die wirtschaftliche Vernetzung zwischen Asien und Europa funktioniert also, trotz der chinesischen Abschottung, in zwei Richtungen, allerdings mit erheblichen sozialen Unterschieden. Auf beiden Seiten sind Veränderungen im Alltagsleben (Konsumrevolution), in der Wissenschaft und in der Vorstellungswelt (Selbstbild-Fremdbild) als unmittelbare Folgen ableitbar. Das gewaltige Außenhandelsdefizit v.a. Großbritanniens erweist sich Stimulus für eine neue, nun gewalttätig vorgehende imperiale Politik der von der Industrialisierung profitierenden Engländer.(Vgl. AB 6)
- Osterhammel, Jürgen, Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert, München 2013
- Waley-Cohen, Joanna, The Sextants of Beijing. Global Currents in Chinese History, New York 1999, S. 55-128
- Europa und die Kaiser von China. Ausstellungskatalog Berliner Festspiele, Berlin 1985
Schmugglerbekämpfung oder Kolinialismus? GB und China im 1.Opiumkrieg
Die Korrektur der Zahlungsbilanz wurde zur wichtigsten außenpolitischen Maxime Englands in Asien. Gezielt wurde in Indien Opium angebaut, das dann bis an die chinesische Südküste gebracht wurde. Nachts wurde die Schmuggelware auf kleinen bewaffneten Ruderbooten („schnelle Krabben“) von Indien aus an die chinesischen Küsten gebracht und von dort über organisierte Drogennetzwerke ins Landesinnere. In China hatte sich so seit Anfang des 19.Jahrhunderts der Konsum von Opium sehr schnell verbreitet. Es war zu einer Volksdroge geworden, von der etwa 3-5% der Bevölkerung, also in China immerhin 10-15 Millionen Menschen abhängig waren. Der wirtschaftliche und moralische Schaden war enorm, außerdem floss nun Silber in erheblichem Maße ins Ausland ab und die Zahlungsbilanz mit Großbritannien hatte sich umgekehrt. Die Bekämpfung der Droge wurde zur obersten innenpolitischen Priorität der Beamten am Kaiserhof und Kaiser Daoguang (1820-1850) ging mit aller Gewalt gegen den Opium-Schmuggel vor. (vgl. AB 7)
Dieses Vorgehen, bei dem auch europäische Kaufleute zu Schaden kamen, war der Anlass für die britischen Freihandelskreise und Außenminister Palmerston, 1839 eine bewaffnete Flotte in Marsch zu setzen, die in mehreren Gefechten schließlich die chinesische Flotte zerstört und die Lebensader Chinas, den Kaiserkanal, blockiert hat. Der britische Erfolg war unmittelbar auf den Einsatz des eisernen Dampfbootes Nemesis zurückzuführen, das mehrere Seegefechte entscheidend bestimmte. Mit dem abschließenden Vertrag von Nanjing begann ein neues Kapitel der britischen und europäischen Kolonialgeschichte in Asien, China sollte sich von dieser Niederlage moralisch, wirtschaftlich und militärisch lange nicht erholen. (vgl. AB 8)
Der 1. Opium-Krieg zeigt in besonderem Maße, dass das chinesische Imperium „alten Typs“ im Konflikt mit dem industrialisierten und modernisierten britischen Empire „neuen Typs“ unterliegt. Die mit staatlichen Kanonen unterstützte Form des Freihandels setzte sich gegen eine Moralökonomie durch, die gewohnt war, die wirtschaftlichen Akteure eng zu kontrollieren. Spätestens jetzt kann vom Aufstieg Europas, besonders GBs, als Kolonialimperium ausgegangen werden (Beginn der „great divergence“). (vgl. AB 9)
- Fairbank, John K., Geschichte des modernen China 1800 – 1985, Nördlingen 1989, S. 25-131
- Spence, Jonathan D., Chinas Weg in die Moderne. München 1995, S. 151-204
- Rowe, William T., China‘s Last Empire. The Great Qing, Harvard 2009
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