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Di­dak­ti­scher Kom­men­tar: Stun­den 3-4

Das chi­ne­si­sche Im­pe­ri­um und die chi­ne­si­sche Selbst­sicht: nur Ar­ro­ganz oder echte Größe?

Als die Eu­ro­pä­er, ins­be­son­de­re die Eng­län­der, den Han­del im In­di­schen Ozean im 17. und 18. Jhdt. zu kon­trol­lie­ren be­gan­nen, ent­stand ein enor­mes Au­ßen­han­dels­de­fi­zit v.a. Eng­lands ge­gen­über China, das im We­sent­li­chen im Tee­ex­port der Chi­ne­sen und deren Wei­ge­rung, eng­li­sche Waren auf ihrem Markt zu­zu­las­sen, be­grün­det war. Um die­ses Miss­ver­hält­nis auf­zu­bre­chen er­folg­te eine Mis­si­on von Lord Mac­cart­ney im Auf­trag des eng­li­schen Kö­nigs, der den chi­ne­si­schen Kai­ser Qi­an­long zu einer Öff­nung Chi­nas be­we­gen soll­te – je­doch unter Be­ru­fung auf die chi­ne­si­sche Vor­herr­schaft in der Welt zu­rück­ge­wie­sen wurde. Die Wei­ge­rung Mac­cart­neys, den Kotau vor dem Kai­ser durch­zu­füh­ren, wurde von den Chi­ne­sen als Af­front emp­fun­den, um­ge­kehrt be­trach­te­ten auch die Eng­län­der die brüs­ke Ab­wei­sung ihres Han­dels­an­ge­bots mit Ver­weis auf die chi­ne­si­sche Welt­herr­schaft als un­ge­bühr­li­che Ar­ro­ganz. (vgl. AB 3a)

Eine Un­ter­su­chung des chi­ne­si­schen Im­pe­ri­ums zur Zeit des Kai­sers Qi­an­long of­fen­bart die ty­pi­schen Merk­ma­le und auch die her­aus­ra­gen­de Stel­lung Chi­nas zu die­ser Zeit – auch wenn ein Welt­herr­schafts­an­spruch nur re­li­gi­ös-ideo­lo­gisch, nicht aber rea­li­ter be­grün­det war.

Kai­sers Qi­an­long (1711-1799), was auf Deutsch so viel be­deu­tet wie „Blüte des Him­mels“, herrsch­te von 1736 bis 1799, also über 60 Jahre, und war einer der mäch­tigs­ten und ein­fluss­reichs­ten Kai­ser Chi­nas über­haupt. (vgl. AB 3) Er ge­hör­te zu der aus der Man­dschu­rei stam­men­den Dy­nas­tie der Qing (1644 bis 1911), und war – da selbst als fremd an­ge­se­hen - an­de­ren Re­li­gio­nen ge­gen­über sehr auf­ge­schlos­sen. Qi­an­long rich­te­te ein ei­ge­nes Re­li­gi­ons­mi­nis­te­ri­um ein, das die ver­schie­de­nen Kulte, also neben den von den meis­ten Chi­ne­sen ge­pfleg­ten Kon­fu­zia­nis­mus auch den aus In­di­en stam­men­den Bud­dhis­mus, fi­nan­zi­ell un­ter­stütz­te. Auch Mo­sche­en und christ­li­che Kir­chen er­hiel­ten ihren Platz in der chi­ne­si­schen Haupt­stadt. Ge­ra­de auch das neu er­ober­te Tibet er­hielt weit­ge­hen­de re­li­giö­se Au­to­no­mie. Qi­an­long ver­grö­ßer­te China in 10 Feld­zü­gen um 30% und gab ihm damit, mit den Ge­bie­ten in Tur­kes­tan, Tibet und Tei­len der Mon­go­lei, fast sein heu­ti­ges Aus­se­hen. Über diese Gren­zen hin­aus waren ihm auch noch Ge­bie­te wie Nepal, Burma, Thai­land, Viet­nam oder Korea tri­but­pflich­tig. Die Herr­schaft über die­ses Reich war in einem hohen Maße bü­ro­kra­ti­siert, d.h. über jeden Vor­gang wur­den Schrift­stü­cke ver­fasst, die von einer Be­am­ten­ebe­ne zur an­de­ren wei­ter­ge­reicht wur­den. Noch bis heute haben sich Aber­mil­lio­nen von Schrift­stü­cken die­ser Zeit er­hal­ten. Qi­an­long ver­such­te, die er­ober­ten Ge­bie­te nicht nur durch po­li­zei­staat­li­che Kon­trol­le, Zen­sur oder gar Mi­li­tär zu in­te­grie­ren, son­dern auch durch ein Be­am­ten­sys­tem eine zi­vi­le Rechts­ord­nung (Steu­er­ein­zug, öf­fent­li­che Ord­nung, Recht­spre­chung, …) ein­zu­rich­ten. Die je­weils hö­he­ren Ebe­nen dien­ten als Be­ru­fungs­in­stanz, wohin sich die Be­völ­ke­rung im Zwei­fels­fall wen­den konn­te. Gleich­zei­tig sorg­te Qui­an­long für eine Er­neue­rung der In­fra­struk­tur: der Kai­ser­ka­nal, die Le­bens­ader Chi­nas wurde aus­ge­baut, Stra­ßen an­ge­legt, Dei­che re­pa­riert und kai­ser­li­che Ma­nu­fak­tu­ren in­spi­ziert. Der Wohl­stand der Han­dels­städ­te bzw. ein­zel­ner Han­dels­dy­nas­ti­en, in denen Seide, Por­zel­lan, Tee oder Baum­wol­le für den Ex­port ver­ar­bei­tet wur­den, über­traf si­cher­lich das eu­ro­päi­sche Maß. (vgl. AB4)

Das Zeit­al­ter des Qi­an­long eig­net sich daher in be­son­de­rem Maße die ty­pi­schen Merk­ma­le des Rei­ches der Mitte als Im­pe­ri­um her­aus­zu­stel­len. China ist eines der äl­tes­ten und sta­bils­ten staat­li­chen Ge­bil­de der Ge­schich­te. Die Herr­schaft einer bü­ro­kra­ti­schen Kaste von Be­am­ten, die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der ver­schie­de­nen Völ­ker, fort­schritt­li­che In­fra­struk­tur, eine mo­der­ne Armee und eine ei­ge­ne li­te­ra­risch-künst­le­ri­sche Hoch­kul­tur hal­ten das Reich zu­sam­men. Gleich­zei­tig sor­gen ein gott­glei­cher Kai­ser als In­kar­na­ti­on der staat­li­chen Ord­nung und eine ge­wis­se Of­fen­heit ge­gen­über den er­ober­ten Ge­bie­ten und ihrer Tra­di­ti­on für Le­gi­ti­mi­tät — al­ler­dings zö­ger­te Qi­an­long auch nicht, die re­bel­li­schen Dsun­ga­ren mit bru­ta­len Mas­sa­kern nie­der­zu­wer­fen.

Es zeigt sich hier eine bis in die Ge­gen­wart rei­chen­de Do­mi­nanz der Bü­ro­kra­tie, wobei im alten Im­pe­ri­um der Um­gang mit re­li­giö­ser und eth­ni­scher Viel­falt deut­lich to­le­ran­ter war als unter dem heu­ti­gen kom­mu­nis­ti­schen Gleich­heits­pos­tu­lat ge­gen­über den au­to­no­men Pro­vin­zen.

Be­son­ders deut­lich zeigt sich die Tra­di­ti­on einer star­ken Re­prä­sen­ta­ti­ons­fi­gur und ihrer durch sich selbst le­gi­ti­mier­ten au­to­ri­tä­ren Herr­schaft.

Li­te­ra­tur: El­li­ot, Mark C., Em­peror Qi­an­long. Son of Hea­ven, Man of the World, The Li­bra­ry of World Bio­gra­phy, New Jer­sey 2009 Twit­chett, Denis, Far­bank, Johne Cam­bridge His­to­ry of China, Vol.9, Part One: The Ch‘ing Em­pi­re to 1800, Cam­bridge 2002, S. 230-309

zu den Bil­dern und der Hof­ma­le­rei: Lo­thar Led­de­ro­se (Hrsg.), Pa­last­mu­se­um Pe­king. Schät­ze aus der Ver­bo­te­nen Stadt. Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Ber­lin 1985, bes. S. 90 - 120

 

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Wei­ter zu Stun­den 5-6