Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

Die Er­schei­nungs­ge­schich­ten

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.


Die Er­schei­nungs­ge­schich­ten be­die­nen sich einer Spra­che, die pa­ra­do­xe For­mu­lie­run­gen wählt: Man er­kennt ihn und er­kennt ihn doch wie­der nicht, man be­rührt ihn, und doch ist er un­be­rühr­bar, er ist der­sel­be und zu­gleich ganz an­ders. Wie geht das zu?

Von den Em­ma­us­jün­gern heißt es: „Ihre Augen waren ge­hal­ten. Sie er­kann­ten ihn nicht“ (Lk 24,16). Im An­hang des Mar­ku­sevan­ge­li­ums steht, Jesus sei ihnen „in einer an­de­ren Ge­stalt“ er­schie­nen (16,12). Mat­thä­us sagt von der letz­ten Jün­ger­zu­sam­men­kunft: „Ei­ni­ge aber zwei­fel­ten“ (Mt 28,17). Am meis­ten be­tont das Jo­han­nes­evan­ge­li­um die Schwie­rig­keit, Jesus zu er­ken­nen: Maria Mag­da­le­na ver­wech­selt ihn mit dem Gärt­ner (20,14); Er stand mor­gens am See­ufer, „doch die Jün­ger wuss­ten nicht, dass es Jesus war“ (21,4); Er lädt sie zu essen ein, doch „kei­ner wagte ihn zu fra­gen: Wer bist du?“ Und so­fort dar­auf: „Denn sie wuss­ten, dass es der Herr war“ (21,12). Was be­deu­ten sol­che Wi­der­sprü­che: Sie wuss­ten nicht – sie wuss­ten sehr wohl, dass es der Herr war?

Die Stil­mit­tel der Er­schei­nungs­ge­schich­ten ar­bei­ten mit pa­ra­do­xen Wen­dun­gen, um die Nicht­ver­füg­bar­keit des ös­ter­li­chen Jesus deut­lich zu ma­chen. Fremd­heit wech­selt mit Ver­traut­heit; er wird nicht so­fort er­kannt, son­dern erst dann, wenn er etwas Be­deu­tungs­vol­les tut: beim Frie­dens­gruß, beim Brot­bre­chen; er kommt und ent­schwin­det „bei ge­schlos­se­nen Türen“..., die Frage nach sei­nem „Vor­her“ und „Nach­her“ wird nie ge­stellt. Auf schnel­le Leser wir­ken die Er­schei­nungs­ge­schich­ten ein­fäl­tig. Dem ge­naue­ren Blick zeigt sich je­doch, dass sie hin­ter­grün­dig sind. Wo pa­ra­do­xe Sprach­wen­dun­gen be­geg­nen, weist der Sinn immer über die all­täg­li­che Rea­li­tät hin­aus. Was hier er­zählt wird, lässt sich nicht di­gi­tal ver­rech­nen. Es geht um eine Glau­bens­er­fah­rung, für die der Hörer oder Leser ei­ge­ne Vor­aus­set­zun­gen schaf­fen muss, um für sie offen zu wer­den. Die Er­schei­nun­gen, von denen ge­spro­chen wird, kön­nen erst dann ver­stan­den wer­den, wenn sie als Be­zeu­gung der Auf­er­ste­hung an­ge­nom­men wer­den. Wer nicht an einen Gott glaubt, der die Toten zu sich ruft, für den bleibt jede Rede von Auf­er­ste­hung ver­schlos­sen. Letzt­lich sind die Er­schei­nungs­ge­schich­ten Glau­bens­zeug­nis­se, die in die Jün­ger­schaft Jesu rufen. Wel­cher Art aber mögen diese Er­schei­nun­gen ge­we­sen sein, die den Os­ter­glau­ben be­grün­de­ten und darin die Kir­che? Die Evan­ge­li­en spre­chen über­ein­stim­mend davon, dass zu­nächst eine tiefe Ver­wir­rung und Hoff­nungs­lo­sig­keit den Jün­ger­kreis Jesu be­stimmt habe. Dann je­doch schlug die Re­si­gna­ti­on in Be­geis­te­rung um. Die sich selbst auf­ge­ben­de Ge­mein­schaft fand neu zu­sam­men, nicht wie ein Stroh­feu­er, son­dern dau­er­haft und be­las­tungs­fä­hig, bis zur Be­reit­schaft eines jeden, seine Os­ter­er­fah­rung mit dem ei­ge­nen Tod zu be­glau­bi­gen.

Wir kön­nen die Art die­ser Os­ter­er­fah­rung, die dem Pe­trus, dann den „Zwöl­fen“, dann einem grö­ße­ren Jün­ger­kreis zu­teil wurde, nicht be­schrei­ben. Je­den­falls war es wohl ein über­zeu­gen­des „Er­leb­nis“, das ihnen aber kei­nes­wegs er­spar­te, sich glau­bend dar­auf ein­zu­las­sen. Zu sagen, sie hät­ten „ge­se­hen“, wäh­rend wir „glau­ben“ müs­sen, ver­fehlt er­neut den Cha­rak­ter des­sen, was wir „Auf­er­ste­hung“ nen­nen: „Wenn das Wesen des Chris­ten­tums und das eine und ein­zi­ge, worum es Jesus ging, der Glau­be ist, soll­ten dann die ers­ten Zeu­gen des Glau­bens vom Glau­ben be­freit sein? Haben sie ge­se­hen, an­statt zu glau­ben?

Aus: H. Halb­fas, Re­li­gi­ons­buch für das neun­te und zehn­te Schul­jahr, Düs­sel­dorf (4.) 1991, S. 96.

Ar­beits­auf­trag:

Un­ter­strei­chen Sie im Text alle In­for­ma­tio­nen, die Ihnen hel­fen, die Os­ter­erzäh­lung von der Er­schei­nung vor Maria von Mag­da­la (Joh 20,11-18) bes­ser zu ver­ste­hen.

 

zu­rück: Joh 20,11-18 im Ver­gleich zu einem heu­ti­gen Be­richt über einen „Nach­t­od­kon­takt“

wei­ter: Theo­lo­gi­sche As­pek­te der Auf­er­ste­hung Jesu

 

Die Er­schei­nungs­ge­schich­ten: Her­un­ter­la­den [doc] [26 KB]