Modul 2: Hans-Ulrich Treichel: Der Verlorene
Hinführung, Didaktischer Kommentar
Den Figuren aus Hans-Ulrich Treichels Erzählwerk wird oft eine „Lächerlichkeit“, aber auch eine „Liebenswürdigkeit“ attestiert.1
In diesem Zusammenhang ist auch der Ich-Erzähler aus der Erzählung „Der Verlorene“ zu sehen – man weiß als Leser nie so recht, ob man mit ihm weinen oder lachen soll, ob man mit ihm mitleiden soll oder nur den Kopf über sein ständiges Schweigen schütteln kann. Von den Eltern meist nur als Vergleichsobjekt für den Erstgeborenen gesehen, verschwindet der Ich-Erzähler immer mehr und wird sich selbst immer fremder, wird so selbst zu einem Verlorenen. Die „Geschichte vom verlorenen Arnold“ (S.13), die die Mutter erzählt, ist Ausgangspunkt für die eigene Verlustgeschichte des Ich-Erzählers.
Die hier vorgeschlagene Unterrichtseinheit setzt den didaktischen Schwerpunkt auf das Erörtern, mit dem Fokus auf der Abschlussklausur zum neuen Abituraufgabenformat des literarischen Erörterns.
Es geht dabei nicht um einen engen analytisch-fokussierten Zugang zum Text mit ausführlicher Textstellenuntersuchung, sondern immer um einen Blick auf den Gesamttext und ein eigenständiges Erörtern einschließlich der Auseinandersetzung mit in
Anspruch und Niveau steigenden Außentexten, sowohl in der Unterrichtseinheit selbst (z.B. Interview, psychologischer Fachtext, Essay) wie auch in den (Probe-)Klausurvorschlägen (Teil II des Readers).
Eine erste Annäherung erfolgt über das/die biblische/n Gleichnis/se (Kap. 4). Daran schließt sich eine Auseinandersetzung mit dem Thema des Fotografierens (Kap. 5) an: mit dessen Verortung bzw. auch mit der Funktion von Fotos innerhalb der Erzählhandlung (ebd.) und auch der kulturwissenschaftlichen Theorie zum Fotografieren (ebd.). Gezeigt werden auch mögliche lyrische Zugänge zur Erzählung (Kap. 6). Dann eine unterrichtliche Weiterführung zu den (möglichen) psychosozialen Übertragungen eines Traumas auf die nächste Generation (Kap. 7) hin zu den eigentlichen Themen des literarischen Erörterns: Die Auseinandersetzung mit Rezensionen (Teil II, i und ii) und literaturwissenschaftlichen (Streit-)Texten (Teil II, iii) bieten immer wieder Gesprächsanlässe über Literatur, aber auch das Entstehen und die Produktion von Literatur, so zum Beispiel auch im Zusammenhang mit der eigenen Biografie des Autors Hans-Ulrich Treichel (Kap. 12). Schwerpunkt einer unterrichtlichen Auseinandersetzung bilden dabei die poetologischen Themen der Narratologie (Kap. 10) und der Autorfunktion bzw. des biografischen Schreibens (Kap. 12) und die Komik (Kap. 11), die, wie im Eingangszitat bereits aufgezeigt, bei Treichel oft groteske Züge annehmen kann.
Das (literarische) Erörtern, also das kritische, differenzierte und argumentative Befassen und schlussfolgernde Abwägen, das Diskutieren eines Für und Wider unter der Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven und das Fällen eines begründeten Urteils, wird in dieser Unterrichtseinheit in kleinere Teilaufgaben elementarisiert (analog zu sehen zu den kleineren und größeren Aufgaben des materialgestützten Verfassens argumentierender Texte), bevor es dann am Ende zu den Gesamtaufgaben (Vor- und Probeklausur, Teil II, i und ii) und damit zur Abschlussklausur (Teil II, iii) geht.
Diese Unterrichtseinheit zeigt keine kleinschrittigen und inhaltssichernde Zugänge zu den Handlungsträgern des Textes oder der Zusammenfassung des Inhaltes und der Handlungsstruktur, wie man sie jederzeit in den auf dem Markt erhältlichen Unterrichtshilfen finden kann.2 Der Zugang zum Text ist in dieser Unterrichtseinheit immer bereits ausgerichtet auf eine vertiefte literarische Auseinandersetzung, sowohl mit den Kontexten wie auch mit der (populär-)wissenschaftlichen Beschäftigung mit Hans-Ulrich Treichels „Der Verlorene“ in der Gesamtheit des Textes und wird damit auch dem angestrebten Niveau eines Leistungsfaches gerecht.
1 So z.B.:Andrea Köhler, Die linke Hand der Seele, S.200. In: Paul Michael Lützeler; Jennifer M. Kapczynski (Hg.): Die Ethik der Literatur. Deutsche Autoren der Gegenwart. Göttingen 2011.
2 Vanessa van Hecke: Der Verlorene. Hans-Ulrich Treichel. Braunschweig u.a. 2011. (Einfach Deutsch) Vor allem aus den Bausteinen 2,3 und 4 können Inhaltssicherungen entnommen werden. Andreas Ruhlig: Hans-Ulrich Treichel – Der Verlorene. Unterrichtsvorschläge und Kopiervorlagen. Berlin 2018. (LiteraMedia, Cornelsen) Hier können v.a. die Seiten 4–7, 10–11, 14–17 und 21 für eine Inhaltssicherung verwendet werden.
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