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In­ter­ak­ti­ons­theo­ri­en

Pro­ble­me der Sub­sti­tu­ti­ons­theo­rie

Die Sub­sti­tu­ti­ons­theo­rie gilt als un­be­frie­di­gend. Die Kri­tik stützt sich im We­sent­li­chen auf drei Grün­de:

  1. Die Me­ta­pher wird auf einem blo­ßen Schmuck re­du­ziert. Dies ver­kennt ihre Funk­ti­on, etwas zu be­zeich­nen, für das es kei­nen ei­gent­li­chen Aus­druck gibt. Die Me­ta­pher ist in­no­va­tiv: Sie er­wei­tert damit die Mög­lich­kei­ten der Spra­che und ist auch im all­täg­li­chen Spre­chen un­um­gäng­lich und not­wen­dig.
  2. Aris­to­te­les’ Theo­rie­an­satz be­ruht auf einer sehr ver­kürz­ten Theo­rie von Be­deu­tung. Sie be­zieht sich nur auf Nomen und geht davon aus, dass deren Be­deu­tung im Ver­wei­sen auf einen be­stimm­ten Ge­gen­stand be­ste­he.
  3. Me­ta­phern be­ru­hen nicht immer auf vor­her er­kann­ten Ähn­lich­kei­ten. Das gilt für ein­ge­führ­te be­kann­te (und erst recht na­tür­lich für tote) Me­ta­phern. Ge­ra­de bei krea­ti­ven oder poe­ti­schen Me­ta­phern gehen aber Ein­sicht in Ähn­lich­keit und Bil­dung der Me­ta­pher Hand in Hand. Die Me­ta­pher stif­tet die Ähn­lich­keit, sie ist ein pro­duk­ti­ves Sprach­mit­tel.

In­ter­ak­ti­ons­theo­rie

Als Al­ter­na­ti­ve zur Sub­sti­tu­ti­ons­theo­rie hat sich die In­ter­ak­ti­ons­theo­rie der Me­ta­pher eta­bliert. Sie geht aus von der Frage, wie For­men un­ei­gent­li­cher Rede denn über­haupt mög­lich sein kön­nen, d.h. über­haupt einem sprach­li­chen Aus­druck eine Be­deu­tung zu­ge­spro­chen wer­den kann, die er nor­ma­ler­wei­se nicht hat. Auf der wört­li­chen Ebene ist eine Me­ta­pher zu­nächst ein sinn­lo­ser Aus­druck, eine Ab­sur­di­tät: Ein Berg hat kei­nen Fuß, Achill ist kein Löwe, Licht kann man nicht säen. In­so­fern ist sie ein Oxy­mo­ron. „Die Alpen wer­den ge­schlos­sen“, heißt ein Ge­dicht von Silke Scheu­er­mann, das sich mit dem Rei­sen über die Alpen be­schäf­tigt – ein Wi­der­spruch zwi­schen dem Rah­men­the­ma (Frame, Bild­emp­fän­ger) und dem quer­ste­hen­den Aus­druck „wer­den ge­schlos­sen“ (Fokus, Bild­spen­der). Der of­fen­ba­re Un­sinn die­ser For­mu­lie­rung wird ge­heilt, indem man ihm einen neuen, über­tra­ge­nen Sinn zu­spricht: Die Alpen als Ort des Durch­gangs wer­den un­pas­sier­bar, der Weg über oder durch sie ist zu wie eine Tür; oder man kann nicht mehr in die Alpen gehen als Ort, wo man etwas sehen und er­le­ben kann wie in einem Mu­se­um oder wo man Sport trei­ben kann wie in einem Schwimm­bad oder Fit­ness­cen­ter – in die­sem Sinne haben sie nicht mehr ge­öff­net.
Es in­ter­agie­ren hier also zwei Be­deu­tungs­sphä­ren: Eine geo­lo­gi­sche For­ma­ti­on und kul­tu­rel­le Ein­rich­tun­gen wie Türen oder Frei­zeit­stät­ten. Als zwei Be­deu­tungs­fil­ter wer­den sie über­ein­an­der ge­legt und las­sen nur noch Ge­mein­sam­kei­ten durch (Durch­gangs­sta­ti­on wie Tore und Türen oder Frei­zeit­stät­ten). Sie ver­mit­teln da­durch eine Er­kennt­nis, näm­lich die, dass die Alpen für Tran­sit oder Frei­zeit nicht mehr nutz­bar sind oder sein wer­den.
Ty­pisch für poe­ti­sche Me­ta­pher ist auch die Mehr­deu­tig­keit: Die Ver­mitt­lung der Be­deu­tungs­sphä­ren kann über den Ver­kehr oder die Frei­zeit her­ge­stellt wer­den (und mög­li­cher­wei­se über wei­te­re Di­men­sio­nen, z.B. dass die Alpen sich ihrer Er­kenn- und Les­bar­keit ent­zie­hen und wie ein Buch ge­schlos­sen wer­den).

Me­ta­phern in­ter­pre­tie­ren: Kon­no­ta­tio­nen

Konotationen

 

Diese Er­klä­rung der Be­deu­tung der Me­ta­pher hat aber nur eine Rich­tung im Blick; sie er­klärt, wel­che un­mit­tel­ba­re Be­deu­tung sich aus dem Verb „schlie­ßen“ für die Alpen er­gibt. Das läuft wie­der dar­auf hin­aus zu sagen, was die Me­ta­pher „ei­gent­lich“ meint oder wel­che De­no­ta­ti­on sie hat. Hin­ge­gen bleibt eine In­ter­pre­ta­ti­on dabei nicht ste­hen, son­dern schaut dar­auf, wel­che Kon­no­ta­tio­nen, wel­che wei­te­ren Be­deu­tungs­ebe­nen in dem Vor­gang des Schlie­ßens mit­schwin­gen. Schlie­ßen kann man nur etwas, über das man ver­fü­gen kann; es ist ein Teil einer Ar­chi­tek­tur und damit eines Kul­tur­rau­mes, der für den Men­schen ge­macht ist; der Er­fah­rung von Wild­heit und Weite des Ge­bir­ges wird die Er­fah­rung der Ein­engung durch das Schlie­ßen ent­ge­gen­ge­setzt; das Schlie­ßen nimmt Frei­heit, hier die Frei­heit, den Al­pen­raum ohne wei­te­res und mit gro­ßer Selbst­ver­ständ­lich­keit als Frei­zeit­raum oder Tran­sit­zo­ne zu be­nut­zen; damit kommt auch eine Hal­tung zur Natur zum Aus­druck, die einen Ei­gen­wert der Alpen ne­giert; usw. Mit an­de­ren Wor­ten, eine Fülle von Kon­no­ta­tio­nen des Verbs Schlie­ßen wer­den eben­falls auf die Alpen und das Ver­hält­nis des ly­ri­schen Spre­chers zu ihnen über­tra­gen. Die Si­tua­ti­on er­scheint damit ins­ge­samt in einem an­de­ren Licht.

Kühne Me­ta­phern

Wie sehr die Me­ta­pher eine Wie­der­her­stel­lung eines Sinn­zu­sam­men­han­ges an­sta­cheln, sieht man am Bei­spiel der küh­nen Me­ta­pher. Sie bringt weit aus­ein­an­der­lie­gen­de Teile des Be­deu­tungs­sys­tems der Spra­che mit ein­an­der in Ver­bin­dung. Ihre Be­deu­tung er­schließt sich nicht so­fort und von al­lei­ne. „Ein rei­nes Blau tritt aus ver­fal­le­ner Hülle“ (Trakl), „Der Tisch, aus Stun­den­holz“ (Celan) „Schwar­ze Milch der Frühe“ (Celan) – hier wird ein wei­ter Raum mög­li­cher Be­deu­tun­gen auf­ge­spannt, der aus der Ko­hä­renz des Tex­tes (Herbst­sze­ne­rie bei Trakl, der eine As­so­zia­ti­on mit dem Him­mel er­laubt) oder dem Kon­text (un­aus­sprech­li­che Greu­el des Mas­sen­mor­des in den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern bei Celan) eine Deu­tung zu ge­win­nen. Bis­wei­len ist nicht ein­mal mehr ganz klar, was Bild­spen­der und was Bild­emp­fän­ger ist wie im Bild des „Stun­den­hol­zes“.

Auf­ga­be 13

  1. Ana­ly­sie­ren Sie ei­ni­ge Ihrer bis­her ge­sam­mel­ten Bei­spiel­m­e­ta­phern, indem Sie des Be­deu­tungs­feld des Rah­mens und des Fokus be­nen­nen.
  2. Er­läu­tern Sie in einem Kurz­vor­trag die In­ter­ak­ti­ons­theo­rie der Me­ta­pher. Nut­zen Sie dazu das Schau­bild.
  3. Prü­fen Sie Ihre Er­geb­nis­se aus Auf­ga­be 3, ob sich hier auch Bei­spie­le für kühne Me­ta­phern fin­den.
  4. Re­cher­chie­ren Sie zur Deu­tung von Cel­ans Ge­dicht „To­des­fu­ge“, aus der die Me­ta­pher der „Schwar­zen Milch der Frühe“ ent­nom­men ist, und for­mu­lie­ren Sie eine Deu­tung die­ser Me­ta­pher, die den Kon­text ein­be­zieht.

Zu­satz: Schau­en Sie sich das Er­läu­te­rungs­vi­deo https://​www.​youtube.​com/​watch?​v=-​hRS­jng­ZVrg an. No­tie­ren Sie sich die we­sent­li­chen Aus­sa­gen. Stel­len Sie Ver­bin­dun­gen zur In­ter­ak­ti­ons­theo­rie der Me­ta­pher her. Er­läu­tern Sie, in­wie­fern das Video ver­ein­facht und ver­kürzt.

Die Me­ta­pher: Her­un­ter­la­den [docx][7 MB]

Die Me­ta­pher: Her­un­ter­la­den [pdf][1 MB]

 

Wei­ter zu Kon­zep­tu­el­le Me­ta­phern und Framing