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Ma­te­ri­al

Ein­stieg

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Wich­ti­ge Daten
  • 1924: Russ­land­deut­sche er­hal­ten in der UdSSR eine ei­ge­ne au­to­no­me Re­pu­blik mit vie­len Rech­ten

  • Juni 1941: Über­fall NS-Deutsch­lands auf die So­wjet­uni­on (UdSSR)

  • Au­gust 1941: Er­lass über die „Über­sied­lung der Deut­schen“ (rechts)

  • 1941: Über 1,2 Mil­lio­nen Russ­land­deut­sche wer­den nach Si­bi­ri­en und Ka­sachs­tan de­por­tiert

  • 1942-44: wei­te­re na­tio­na­le Min­der­hei­ten wer­den wegen an­geb­li­chen Ver­rats de­por­tiert (Tsche­tsche­nen, In­gu­schen, Krim­ta­ta­ren, Kal­mü­cken u.a.)

Erlass 1941

Ver­grö­ßern Bild­quel­le: Er­lass-1941.jpg [ CC BY-SA 4.0 ], via In­sti­tut für di­gi­ta­les Ler­nen GbR

M1 Er­lass der so­wje­ti­schen Re­gie­rung über die Über­sied­lung der Deut­schen vom 28.08.1941

Laut ge­nau­en An­ga­ben, die die Mi­li­tär­be­hör­den er­hal­ten haben, be­fin­den sich unter der […] deut­schen Be­völ­ke­rung Tau­sen­de Spio­ne, die nach dem aus Deutsch­land ge­ge­be­nen Si­gnal Ex­plo­sio­nen in den von den Wol­ga­deut­schen be­sie­del­ten Rayo­nen [= Ge­bie­ten] her­vor­ru­fen sol­len. Über das Vor­han­den­sein einer solch gro­ßen An­zahl von Spio­nen unter den Wol­ga­deut­schen hat kei­ner der Deut­schen, die in den Wol­ga­rayons woh­nen, die So­wjet­be­hör­den in Kennt­nis ge­setzt, folg­lich ver­heim­licht die deut­sche Be­völ­ke­rung der Wol­ga­rayons die An­we­sen­heit der Fein­de des So­wjet­volks in ihrer Mitte […] Zwecks Vor­beu­gung die­ser un­er­wünsch­ten Er­schei­nun­gen […] hat das Prä­si­di­um des Obers­ten So­wjets der UdSSR es für not­wen­dig ge­fun­den, die ge­sam­te […] deut­sche Be­völ­ke­rung in an­de­re Rayons zu über­sie­deln […]

Auf­ga­be: Ar­bei­tet den In­halt, die Ar­gu­men­ta­ti­on und mög­li­che Fol­gen des Er­las­ses her­aus.

M2 Info-Text über die De­por­ta­ti­on der Russ­land­deut­schen

Mit dem De­por­ta­ti­ons­er­lass vom 28. Au­gust 1941 un­ter­stell­te die so­wje­ti­sche Staats­füh­rung den Wol­ga­deut­schen, dass es unter ihnen tau­sen­de Ver­rä­ter und Spio­ne gäbe. Des­we­gen soll­ten alle Deutsch­stäm­mi­gen aus­ge­sie­delt wer­den. […] Die Be­stra­fung für den Ver­rat be­traf jeden, auch Kom­mu­nis­ten. Al­lein die deut­sche Na­tio­na­li­tät war ent­schei­dend. Das deut­sche Leben im ge­sam­ten eu­ro­päi­schen Ge­biet der So­wjet­uni­on soll­te aus­ge­löscht wer­den. Aus dem Wol­ga­ge­biet wur­den in­ner­halb von drei Wo­chen etwa 400.000 Men­schen in Ei­sen­bahn­wag­gons ge­pfercht und nach Osten trans­por­tiert. Alle De­por­tier­ten er­war­te­te eine wo­chen­lan­ge Reise nach Si­bi­ri­en oder Ka­sachs­tan. Dort wur­den tau­sen­de Män­ner und Frau­en ins Ar­beits­la­ger ge­bracht. Fern von ihren Fa­mi­li­en star­ben viele Deut­sche an Hun­ger, Ent­kräf­tung und Krank­hei­ten. Eine Rück­kehr in die Hei­mat war nicht vor­ge­se­hen.

Als die neuen Sied­ler in Ka­sachs­tan und Si­bi­ri­en ein­tra­fen, waren die ört­li­chen Be­hör­den nicht auf die­sen An­sturm vor­be­rei­tet. Es man­gel­te an Un­ter­künf­ten und Nah­rungs­mit­teln. Viele Fa­mi­li­en muss­ten sich selbst Erd­hüt­ten bauen, um den Win­ter zu über­le­ben. Für ihre Ar­beit in den Kol­cho­sen er­hiel­ten die Russ­land­deut­schen 400 Gramm Ge­trei­de als Ta­ges­lohn. Diese Menge konn­te den Be­darf einer Fa­mi­lie nicht de­cken.

Die De­por­tier­ten hun­ger­ten und waren nun gänz­lich ver­armt. Sie leb­ten un­frei und wur­den auf Schritt und Tritt be­ob­ach­tet. Ihr Schick­sal ver­schlim­mer­te sich je­doch wei­ter: Im Ja­nu­ar 1942 ver­pflich­te­te der so­wje­ti­sche Staat alle wehr­pflich­ti­gen Män­ner und bald auch die Frau­en zur Zwangs­ar­beit in der so­ge­nann­ten Tru­dar­mee [Ar­beits­ar­mee, von russ. trud = Ar­beit]. Fa­mi­li­en wur­den aus­ein­an­der­ge­ris­sen. Viele Men­schen sahen ihre An­ge­hö­ri­gen für lange Jahre oder gar nicht wie­der. In den Wäl­dern der si­bi­ri­schen Taiga be­mäch­tig­te sich der So­wjet­staat ihrer Ar­beits­kraft und mach­te sie zu Skla­ven. Viele star­ben an Ent­kräf­tung, Krank­hei­ten oder an Nah­rungs­man­gel. Die po­li­ti­schen Füh­rer der So­wjet­uni­on küm­mer­te das nicht. Viel­mehr mach­ten sie allen Russ­land­deut­schen selbst nach dem Kriegs­en­de 1945 noch deut­lich, dass sie un­er­wünsch­te so­wje­ti­sche „Bür­ger“ blei­ben wür­den. Sie be­ka­men den Sta­tus auf ewig ver­bann­ter Son­der­sied­ler.

Auf­ga­be: Er­klärt, unter wel­chen Be­din­gun­gen die Russ­land­deut­schen nach 1941 leb­ten.

M3 Der Wol­ga­deut­sche Hein­rich Wag­ner er­zählt von der Zwangs­ar­beit

Wir wur­den in Bri­ga­den zu 30 Mann ein­ge­teilt und drei Tage lang un­ter­wie­sen, wie man Bäume fällt, sie en­t­as­tet, Stäm­me schnei­det und sie zum Fluss hin­un­ter ab­trans­por­tiert. Wir er­hiel­ten Ar­beits­sa­chen, Step­p­ja­cken und -hosen sowie warme Stie­fel. Zu­erst war die Ar­beit für alle au­ßer­or­dent­lich schwer. Wir muss­ten uns zu Be­ginn schon sehr an­stren­gen, um die Ta­ges­norm zu schaf­fen. Die meis­ten von uns hat­ten bis dahin nichts mit Holz­fäl­len zu tun ge­habt. Doch wer kör­per­li­che Ar­beit ge­wohnt und ge­sund war, fuchs­te sich bald ein und hatte dann auch keine Schwie­rig­kei­ten mehr, die Ta­ges­norm zu schaf­fen. An­ders war es für die­je­ni­gen unter uns, die aus der Ver­wal­tungs­ar­beit kamen, schon älter oder kränk­lich waren. Sie schaff­ten die Norm nicht. Das hatte zur Kon­se­quenz, dass ihnen we­ni­ger Nah­rung zu­ge­teilt wurde. Sie wur­den noch schwä­cher oder muss­ten auf die Kran­ken­sta­ti­on. Es gab Krank­schrei­bun­gen und Ar­beits­be­frei­un­gen. Die me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung war schlecht, sie ent­sprach der all­ge­mei­nen Kriegs­si­tua­ti­on. Es gab nur we­ni­ge Me­di­ka­men­te. Das Haupt­pro­blem be­stand je­doch in der schlech­ten, schwer ver­dau­li­chen und vit­amin­ar­men Nah­rung. Wer ernst­haft krank wurde, hatte dann bei die­ser Er­näh­rung wenig Chan­cen, wie­der zu ge­ne­sen. Wir mach­ten zwar im Lager einen "Tee­auf­guss" aus Kie­fern­na­deln und Bir­ken­ris­pen. Große Bot­ti­che stan­den damit in den Un­ter­künf­ten. Doch diese Art von Vit­amin­ge­win­nung reich­te kei­nes­wegs aus. Be­son­ders im ers­ten Jahr un­se­res Auf­ent­hal­tes im Lager star­ben viele.

M4 Die Russ­land-Deut­sche Ida Schmidt über das Ende des Krie­ges

Den 9. Mai 1945, den Tag des Sie­ges über den Fa­schis­mus, fei­er­ten wir aus­ge­las­sen. Wir hat­ten uns ir­gend­wo Al­ko­hol be­sorgt und waren fröh­lich und aus­ge­las­sen. Wir san­gen und tanz­ten auf der Stra­ße. Nun, so glaub­ten wir, stän­de der Rück­kehr zu un­se­ren Fa­mi­li­en und Ver­wand­ten nichts mehr im Wege. Doch wir hat­ten uns ge­täuscht. Die meis­ten von uns muss­ten blei­ben. Wir, die Deut­schen, durf­ten nicht ohne Zu­stim­mung den Ar­beits­platz und den Wohn­ort wech­seln. Bis 1955 muss­ten wir uns bei der Po­li­zei mel­den und waren Bür­ger zwei­ter Klas­se.

Auf­ga­ben:

  1. Stellt die Be­din­gun­gen dar, unter denen Hein­rich Wag­ner nach 1941 ar­bei­ten muss. (M3)

  2. Be­schreibt, was mit den Russ­land­deut­schen nach dem Kriegs­en­de ge­schah. (M4)

  3. Über­legt, wel­che Funk­ti­on Sta­lins Po­li­tik ge­gen­über der na­tio­na­len Min­der­heit der Russ­land­deut­schen hatte.

  4. 1955 nahm die Re­gie­rung der UdSSR den Vor­wurf des Ver­rats und der Spio­na­ge of­fi­zi­ell zu­rück. Trotz­dem er­hiel­ten die Russ­land­deut­schen ihren Be­sitz nicht zu­rück und durf­ten nicht wie­der in ihre Häu­ser zu­rück­keh­ren.

  5. Er­klärt die­ses Vor­ge­hen der UdSSR und be­ur­teilt die Fol­gen für die Russ­land­deut­schen.

Zu­sam­men­ge­stellt nach https://​rd.​in­sti­tut-​fuer-​di­gi­ta­les-​ler­nen.​de/​mbook/​6-​frem­de-​und-​fein­de-​die-​rus​slan​ddeu​tsch​en-​im-​20-​jahr­hun­dert/​64-​der-​gros­se-​ter­ror-​und-​die-​5-​ko­lon­ne/ [CC BY-SA 4.0]

 

Stun­den­ent­wurf: Na­tio­na­li­tä­ten­po­li­tik: Her­un­ter­la­den [docx][452 KB]

Stun­den­ent­wurf: Na­tio­na­li­tä­ten­po­li­tik: Her­un­ter­la­den [pdf][253 KB]

 

Wei­ter zu Stun­den­ent­wurf: Ge­schichts­kul­tu­rel­le Ver­or­tun­gen