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Di­dak­ti­scher Kom­men­tar: Stun­den 13-14

Große Pro­le­ta­ri­sche Kul­tur­re­vo­lu­ti­on: Fort­schritt oder Bar­ba­rei?

Nach der wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Ka­ta­stro­phe des „Gro­ßen Sprung nach vorn“ mar­kiert die „Große Pro­le­ta­ri­sche Kul­tur­re­vo­lu­ti­on“ den nächs­ten Kon­ti­nui­täts­bruch der chi­ne­si­schen Ge­schich­te. Mao ver­such­te ohne Rück­sicht auf Opfer und Loya­li­tät die Reste tra­di­tio­nel­ler Kul­tur, ge­ra­de in der Par­tei­bü­ro­kra­tie, zu be­sei­ti­gen. Mit ihm setz­ten sich die Uto­pis­ten gegen die Prag­ma­ti­ker in der Par­tei durch, statt einer Le­ga­li­sie­rung und Sta­bi­li­sie­rung streb­te das Zen­tral­ko­mi­tee nun eine per­ma­nen­te Re­vo­lu­ti­on an. Die Durch­füh­rung durch ju­gend­li­che Rot­gar­dis­ten war auch in so­zia­lis­ti­schen Staa­ten neu, weil die Mo­bi­li­sie­rung der Ju­gend nicht mehr über die tra­di­tio­nel­len Trans­mis­si­ons­rie­men der Ju­gend­or­ga­ni­sa­ti­on er­folg­te, son­dern di­rekt durch Ver­pflich­tung auf Mao und des­sen Per­so­nen­kult. Mao maß dem ideo­lo­gi­schen Über­bau, an­ders als Marx und Lenin, hö­he­re Be­deu­tung bei und woll­te erst ein pro­le­ta­ri­sches Be­wusst­sein schaf­fen, bevor die Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­se voll ega­li­siert waren, d.h. die Ideo­lo­gie hatte Pri­mat vor der öko­no­mi­schen Basis. Damit woll­te man sich auch vom „süß­li­chen“ So­zia­lis­mus der UdSSR unter Chrust­schow ab­gren­zen. (vgl. AB 17 und 17a)

Pha­sie­rung der Re­vo­lu­ti­on nach Da­ni­el Leese:

Aug. 1966 – Herbst 1968

Kul­tur­re­vo­lu­ti­on: 16-Punk­te-Pro­gramm unter Mao gegen alte Ideen und Tra­di­ti­on, auch gegen Par­tei­flü­gel mit ka­pi­ta­lis­ti­schem Weg; Er­rich­tung von Re­vo­lu­ti­ons­ko­mi­tees auf Pro­vinz­ebe­ne und Land­ver­schi­ckung der Rot­gar­dis­ten.

Herbst 68-Sept.71

Staat­li­che Re­pres­si­on und Mi­li­tär­do­mi­nanz: höchs­te Op­fer­zah­len bei Säu­be­run­gen; Mi­li­ta­ri­sie­rung der Ge­sell­schaft

Sept. 71- Okt. 1976

Po­li­ti­sche Macht­kämp­fe und ge­sell­schaft­li­cher Wan­del; Macht­kämp­fe um Nach­fol­ge, erste wirt­schaft­li­chen Re­for­men , Tod Maos

Über 10 Jahre hin­weg ver­folg­ten meh­re­re Mas­sen­kam­pa­gnen die völ­li­ge Säu­be­rung von Par­tei, Bil­dungs­we­sen und Öf­fent­lich­keit. Bei der un­kon­trol­lier­ten Hetz­jagd kam es zu Fol­ter, Ver­schlep­pung und In­haf­tie­rung meh­re­rer Mil­lio­nen Chi­ne­sen, etwa 400 000 Chi­ne­sen wur­den er­mor­det, teil­wei­se als Opfer der Rot­gar­dis­ten, teil­wei­se auch Rot­gar­dis­ten als Opfer des Mi­li­tärs. Die Ar­beit an Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten kam zum Er­lie­gen. Wi­der­stand leis­te­ten vor Allem Par­tei­ka­der auf lo­ka­ler Basis und die Armee, wes­halb es zu bür­ger­kriegs­ar­ti­gen Zu­stän­den kam. Im Un­ter­schied zum bei­na­he un­be­merk­ten „Gro­ßen Sprung nach vorn“ war die Wir­kung be­reits für die Zeit­ge­nos­sen enorm, im In- und Aus­land. Die Kul­tur­re­vo­lu­ti­on war in be­son­de­rem Maße auch eine Pu­bli­ka­ti­ons­re­vo­lu­ti­on in China. Bis heute ist die Kul­tur­re­vo­lu­ti­on in China ein ver­ord­ne­tes Ta­bu­the­ma. Die Auf­ar­bei­tung gilt mit der Ver­haf­tung der Vie­rer­ban­de und ei­ni­ger Kar­rie­ris­ten als ab­ge­schlos­sen, wei­te­re For­schung ist seit 2013 un­ter­sagt.

Die Kul­tur­re­vo­lu­ti­on kann als Ge­gen­pro­jekt einer In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung und Le­ga­li­sie­rung der kom­mu­nis­ti­schen Herr­schaft ge­se­hen wer­den. Gleich­zei­tig wurde auf be­son­ders ge­walt­sa­me und kon­se­quen­te Weise ver­sucht, tra­di­tio­nel­le, dem Kon­fu­zia­nis­mus ent­stam­men­de Werte in Fa­mi­lie und Ge­sell­schaft zu zer­stö­ren (Um­er­zie­hung) und durch eine auf den An­füh­rer Mao zu­ge­schnit­te­nen Kom­mu­nis­mus (Mao­is­mus) zu er­set­zen. An­ders als die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Dik­ta­tur in Deutsch­land ging Mao nicht ge­zielt und sys­te­ma­tisch gegen eine Grup­pe vor, im Ge­gen­teil: Me­tho­den, Adres­sa­ten und Opfer wech­sel­ten sich immer wie­der ab. Das Ge­heim­nis der All­macht Maos lag darin, dass er die Rol­len eines Re­vo­lu­ti­ons­füh­rers und die Macht­stel­lung eines Kai­sers ver­ein­te und cha­ris­ma­tisch aus­füll­te. Er war wie der Kai­ser Ober­be­fehls­ha­ber der Armee und führ­te die im Po­lit­bü­ro die Kom­mis­si­on für mi­li­tä­ri­sche An­ge­le­gen­hei­ten an. Die 10 Mil­lio­nen Roten Gar­den, die Pe­king 1967 über­flu­te­ten, waren über Mas­sen­kund­ge­bun­gen und die Mao-Bibel auf ihn ein­ge­schwo­ren.

Der Um­gang mit der gro­ßen Kul­tu­re­vo­lu­ti­on gleicht dem mit dem Gro­ßen Sprung nach vorne. Das Ver­schwei­gen der Ge­walt­ex­zes­se geht ein­her mit einer kon­stan­ten ri­gi­den und re­pres­si­ven Herr­schaft über Grup­pen/Re­gio­nen, die nach Au­to­no­mie oder Par­ti­zi­pa­ti­ons­rech­ten stre­ben. (vgl. AB 18)

Li­te­ra­tur:

  • Leese, Da­ni­el, Die chi­ne­si­sche Kul­tur­re­vo­lu­ti­on 1966-1976, Mün­chen 2016
  • Da­bring­haus, Sa­bi­ne, Mao Ze­dong, Mün­chen 2008, S. 90 – 118 (auch zum Mao-My­thos)
  • Da­bring­haus, Sa­bi­ne, Ge­schich­te Chi­nas im 20. Jahr­hun­dert, Mün­chen 2009, S. 131-148
  • Vo­gel­sang, Kai, Ge­schich­te Chi­nas, Stutt­gart 2013, S. 557 – 573

 

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Wei­ter zu Stun­den 15-16