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Ar­beits­blatt 5 B: China-Eu­ro­pa Kon­tak­te

China und der eu­ro­päi­sche Ein­fluss

Das Vor­drin­gen der Por­tu­gie­sen, Bri­ten und Hol­län­der in den In­di­schen Ozean blieb den Chi­ne­sen nicht ver­bor­gen, im Ge­gen­teil: Schon früh ver­such­ten die Kai­ser und ihre po­li­ti­schen Be­ra­ter zu er­grün­den, worin der Er­folg der Eu­ro­pä­er seine Ur­sa­che hatte. Der Groß­va­ter des Kai­sers Qi­an­long, Kan­g­xi, hielt vor allem die Na­vi­ga­ti­ons­tech­nik und Kar­to­gra­phie der Eu­ro­pä­er für aus­schlag­ge­bend, also ihre Fä­hig­keit schnel­le Schif­fe zu kon­stru­ie­ren, mit Hilfe von Sex­t­an­ten etc. die Rou­ten zu be­rech­nen und da­nach auch zu se­geln. Schon im 17.​Jahrhun­dert wur­den daher je­sui­ti­sche Mis­sio­na­re, die das Chris­ten­tum in Asien ver­brei­te­ten soll­ten, an den Kai­ser­hof ge­holt, um dort die neus­ten ma­the­ma­ti­schen und as­tro­no­mi­schen Kennt­nis­se zu er­läu­tern.

Einer die­ser Je­sui­ten, der aus Deutsch­land stam­men­de Adam Schall von Bell, wurde zum Vor­sit­zen­den des kai­ser­li­chen Ka­len­der­am­tes, ge­wis­ser­ma­ßen dem Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um der Chi­ne­sen, be­stellt. Mit ihm und sei­nem bel­gi­schen Nach­fol­ger Fer­di­nand Ver­biest kam die Kennt­nis vom he­lio­zen­tri­schen Welt­bild und von den Um­lauf­bah­nen der Pla­ne­ten nach China. Aber nicht nur dies: Die bei­den Je­sui­ten, bei­des stu­dier­te Ma­the­ma­ti­ker und Phy­si­ker, un­ter­stütz­ten die chi­ne­si­sche Armee bei der Ent­wick­lung von Ar­til­le­rie, bau­ten erste Dampf­ma­schi­nen und rich­te­ten ein ers­tes Him­mels-Ob­ser­va­to­ri­um in Pe­king ein.

Das Observatorium in Peking

Bild­quel­le: Ver­biest­Bei­jin­gOb­ser­va­to­ry.jpg [ PD ], via Wi­ki­me­dia Com­mons, be­ar­bei­tet.

Das Ob­ser­va­to­ri­um in Pe­king

Bild der von Verbiest beschriebenen Dampfmaschine

Bild­quel­le: Steam­Ma­chine­Of­Ver­bies­tIn1678.jpg [ PD ], via Wi­ki­me­dia Com­mons, be­ar­bei­tet.

Bild der von Ver­biest be­schrie­be­nen Dampf­ma­schi­ne

Die erste realistische Weltkarte Chinas, veröffentlicht von Verbiest 1674

Bild­quel­le: Kunyu Qua­ntu Fer­di­nand Ver­biest 1674.​jpg [ PD ], via Wi­ki­me­dia Com­mons, be­ar­bei­tet.

Die erste rea­lis­ti­sche Welt­kar­te Chi­nas, ver­öf­fent­licht von Ver­biest 1674

Die Je­sui­ten wur­den neben ihrer wis­sen­schaft­li­chen Ex­per­ti­se auch wegen ihres eu­ro­päi­schen Kunst­ver­stan­des ge­schätzt. Kai­ser Qi­an­long be­auf­trag­te meh­re­re Je­sui­ten, ins­be­son­de­re den Maler Gui­sep­pe Cas­tiglio­ne (1688-1766), mit meh­re­ren Ar­bei­ten für seine Kunst­samm­lung. Cas­tiglio­ne ver­band in sei­nen Wer­ken tra­di­tio­nel­le chi­ne­si­sche Mo­ti­ve mit eu­ro­päi­scher Tech­nik, ins­be­son­de­re der Zen­tral­per­spek­ti­ve, die zuvor in China un­be­kannt war. Qi­an­long war von die­ser neuen Kunst­form der­art be­geis­tert, dass er sich sogar – ganz in eu­ro­päi­scher Tra­di­ti­on – als Kai­ser zu Pfer­de malen lie­ßen und damit, ohne es zu wis­sen, an Dar­stel­lun­gen aus der rö­mi­schen An­ti­ke an­knüpf­te.

Pferd

Bild­quel­le: Phi­lip II ru­bens.jpg [ PD ], via Wi­ki­me­dia Com­mons, be­ar­bei­tet.

Pferd

Bild­quel­le: The Qi­an­long Em­peror in Ce­re­mo­ni­al Ar­mour on Hor­se­back.jpg [ PD ], via Wi­ki­me­dia Com­mons, be­ar­bei­tet.

Das Ge­mäl­de von Peter Paul Ru­bens Phil­ipp II. (1628) von Spa­ni­en dürf­te wohl Vor­bild für Cas­tiglio­nes Ge­mäl­de von Kai­ser Qi­an­long ge­we­sen sein.

Cas­tiglio­ne und an­de­re Je­sui­ten wur­den aber auch damit be­auf­tragt, Gar­ten und Pa­läs­te nach eu­ro­päi­scher Art nörd­lich von Pe­king an­zu­le­gen. Qi­an­long plan­te hier ein En­sem­ble un­ter­schied­li­cher ar­chi­tek­to­ni­scher Tra­di­tio­nen, die seine ei­ge­ne Rolle als Herr­scher im Zen­trum der Welt un­ter­strei­chen soll­te. Die­ser Xiyang Lou (= „west­li­che mehr­sto­cki­ge Ge­bäu­de“) ge­nann­te Gar­ten­pa­last ver­ein­te Bau­sti­le des Ro­ko­ko mit klas­si­scher chi­ne­si­scher Ar­chi­tek­tur.

Das größ­te Ge­bäu­de der An­la­ge, das zwei­stö­cki­ge Haiyan Tang („Halle der fried­li­chen See“), aus einem Zen­tral­bau und einem west­lich vor­ge­la­ger­ten Quer­flü­gel be­ste­hend, barg in sei­nem In­ne­ren ein gro­ßes Was­ser­re­ser­voir, das die beid­sei­tig ge­le­ge­nen Was­ser­spie­le ver­sorg­te, deren öst­li­ches den Mit­tel­punkt des Gar­tens bil­de­te. Vor der West­fas­sa­de lag ein Bas­sin mit Fon­tä­nen, das die „Was­ser-Uhr“ ge­nannt wurde. Die „Was­ser-Uhr“ be­stand aus einem Was­ser­be­cken, an des­sen ge­bäu­de­sei­ti­gem Rand zwölf Fi­gu­ren mensch­li­cher Ge­stalt mit Tier­köp­fen stan­den, die in zwei Grup­pen an­ge­ord­net waren. Sie ent­spra­chen den chi­ne­si­schen Tier­kreis­zei­chen. Alle zwei Stun­den zeig­te eine der Fi­gu­ren durch einen Was­ser­strahl die Stun­de an, zur Mit­tags­zeit stie­gen alle Fon­tä­nen gleich­zei­tig auf. Der Bau­meis­ter, der Je­su­it Be­noist, be­rich­tet in einem Brief über die Re­ak­ti­on des Kai­sers Qi­an­long:

Schließ­lich ging die Be­geis­te­rung des Kai­sers so weit, dass er einen Bau von un­er­mess­li­cher Größe er­rich­ten ließ, einen neuen eu­ro­päi­schen Pa­last, des­sen Gär­ten die selt­sams­ten und groß­ar­tigs­ten, un­se­re Vor­stel­lungs­kraft weit über­tref­fen­de Was­ser­spie­le er­hal­ten soll­ten.

zi­tiert nach Jean-Paul Des­ro­ches, Yuan­ming Yuan. Die Welt als Gar­ten, in: Eu­ro­pa und die Kai­ser von China, S. 124
Yuanmingyuan haiyan

Bild­quel­le: Yuan­min­gyuan haiyan.jpg [ PD ], via Wi­ki­me­dia Com­mons, be­ar­bei­tet.

Die Fas­zi­na­ti­on für eu­ro­päi­sche Er­fin­dun­gen oder Ar­chi­tek­tur wurde am Hofe der chi­ne­si­schen Kai­ser kei­nes­wegs von allen ge­teilt. Viele der hohen Hof­be­am­ten (Man­da­ri­ne) sahen die tra­di­tio­nel­le chi­ne­si­sche Kul­tur in Ge­fahr und woll­ten den Ein­fluss der Je­sui­ten be­schrän­ken. So schrieb der Man­da­rin Chen Zis­hou über die neuen, rea­lis­ti­schen Welt­kar­ten, die aus Eu­ro­pa ge­kom­men waren:

„Alle Bar­ba­ren­völ­ker in­ner­halb der vier Meere soll­ten kom­men, um dem Kai­ser Tri­but zu zol­len. Mögen sie die Welt auch so dar­stel­len, als be­ste­he sie aus fünf Kon­ti­nen­ten, müs­sen bei uns doch vier den Kern, näm­lich China als das Reich der Mitte, um­ge­ben“.

zit. Nach Helen Wal­lis, Die Kar­to­gra­phie der Je­sui­ten am Hof in Pe­king, in Eu­ro­pa und die Kai­ser von China, S. 121.

Nach dem Tode Qi­an­longs 1799 ver­lo­ren die Je­sui­ten am Hofe ra­pi­de an Ein­fluss und der tech­nisch-wis­sen­schaft­li­che Aus­tausch, der im 17. Jahr­hun­dert be­gon­nen hatte, brach ab.

Mehr als 99% der chi­ne­si­schen Be­völ­ke­rung dürf­te zu­nächst oh­ne­hin kaum an die­sem Aus­tausch teil­ge­habt haben, er blieb auf den Kai­ser und den un­mit­tel­ba­ren Hof­staat be­schränkt.. Al­ler­dings ori­en­tier­te sich die auf­stei­gen­de Klas­se der ur­ba­nen Kauf­leu­te und des han­dels­ori­en­tier­ten Land­adels am Wes­ten. In ihren Häu­sern stell­ten sie Uhren, me­cha­ni­sches Spiel­zeug und Ka­len­der zur Schau, die aus Eu­ro­pa im­por­tiert wor­den waren. Der Han­dels­aus­tausch mit Eu­ro­pa brach­te also auch in China eine neue Form der Kon­sum­kul­tur her­vor, die den er­wor­be­nen Reich­tum für den Er­werb exo­ti­scher Pro­duk­te nutz­te, nicht zu­letzt um sich von der Masse der Be­völ­ke­rung ab­zu­gren­zen. Da Kai­ser Qi­an­long den Han­del mit Eu­ro­pa aber auf einen Hafen (Kan­ton) und eine Kauf­manns­gil­de per Ver­ord­nung be­schränkt hatte, kamen nur we­ni­ge Kauf­leu­te in Kon­takt mit west­li­chen Gü­tern und Moden, d.h. der Um­fang die­ses eu­ro­päi­schen Ein­flus­ses blieb eng be­grenzt. Nicht zu­letzt hat­ten auch die Chi­ne­sen schlech­te Er­fah­run­gen mit den Eu­ro­pä­ern ge­macht: Chi­ne­si­sche Händ­ler waren im hol­län­di­schen Ba­ta­via oder im por­tu­gie­si­schen Macao immer wie­der Mas­sa­kern zum Opfer ge­fal­len, und die Ko­lo­ni­sie­rung In­di­ens durch Groß­bri­tan­ni­en nach dem Zu­sam­men­bruch des Mo­gul­rei­ches war ein war­nen­des Bei­spiel für de Chi­ne­sen. Dies be­gann sich erst mit dem be­gin­nen­den 19. Jahr­hun­dert zu än­dern, als Tabak und Opium auf den chi­ne­si­schen Markt dräng­ten – von der Re­gie­rung streng über­wacht – und auch ein­fa­che Chi­ne­sen in den zwei­fel­haf­ten Ge­nuss die­ser Pro­duk­te brach­ten.

Ar­beits­auf­trag

  1. Stel­len Sie zu­sam­men, wel­che neue For­men des Kon­sum­ver­hal­tens die Han­dels­ver­net­zung mit China bringt: neue Güter, quan­ti­ta­ti­ve Ver­än­de­rung, qua­li­ta­ti­ve Ver­än­de­rung.

  2. Er­läu­tern Sie die ma­te­ri­el­len und men­ta­len Wir­kun­gen die­ser Ver­net­zung. Ach­ten Sie dabei auf so­zia­le Un­ter­schie­de.

 

Ar­beits­blatt 5 China-Eu­ro­pa Kon­tak­te: Her­un­ter­la­den [doc][9 MB]

Ar­beits­blatt 5 China-Eu­ro­pa Kon­tak­te: Her­un­ter­la­den [pdf][621 KB]

 

Wei­ter zu Ar­beits­blatt 6: His­to­ri­ker­ur­teil