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AB 3-5: Späte Erinnerungen

M1 Ein Blick zurück: Otto von Feldmann

Otto von Feldmann (1873–1945) war ab Oktober 1915 Chef der Operationsabteilung der türkischen Obersten Heeresleitung in Konstantinopel (Istanbul). Im Rahmen der deutschen Militärmission im Osmanischen Reich war er in türkische Dienste eingetreten. Feldmann leitete 1915 unter anderem Operationen in Ostanatolien. Aus der Rückschau schrieb er 1921 über seine militärischen Aktivitäten im Osmanischen Reich in der Deutschen Allgemeinen Zeitung, deren Herausgeber inzwischen der ehemalige Marineattaché der deutschen Botschaft in Konstantinopel, Hans Humann, war. Anlass von Feldmanns Rückblick war der Prozess wegen des Mordes an Talaat Pascha in Berlin:

„Es soll und darf aber nicht geleugnet werden, dass auch deutsche Offiziere — und ich selbst gehörte zu ihnen — gezwungen waren, ihren Rat dahin zu geben, zu bestimmten Zeiten gewisse Gebiete im Rücken der Armee von Armeniern freizumachen. Die Pflicht der Selbsterhaltung der türkischen Front zwang einfach dazu. Die Gesamtschwäche des türkischen Heeres gestattete es nicht, starke Kräfte zum Schutz der rückwärtigen Verbindungen zurückzulassen. Ohne solche war aber keine Operation möglich, kein Rückschlag von der Front durchzuhalten, solange Armenier im Rücken wohnten. Die Erfahrungen gleich zu Beginn des Krieges im Osten hatten diese Lehre gezeitigt. Dass die Armenier sich vor dem Kriege und während desselben nicht als türkische Untertanen, sondern in erster Linie als russische Vortruppen betrachteten, ist wohl klar erwiesen. Angriffe auf türkische Truppen, Überfälle auf türkische Dörfer waren keineswegs Seltenheiten.“

M2 Ein Blick zurück: Bronsart von Schellendorf

Friedrich (Fritz) Bronsart von Schellendorf (1864–1950) übernahm 1914 den Posten des Generalstabschefs des osmanischen Heeres. Er unterstand – formal betrachtet – dem Leiter der deutschen Militärmission Liman von Sanders, arbeitete jedoch eng mit Enver Pascha zusammen. Bronsart wirkte entscheidend an der Mobilmachung der türkischen Armee mit. Von ihm sind Aussagen zu den Armeniern überliefert. 1921 sprach er in der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom Aufstand der Armenier:

„Der Aufstand war von langer Hand vorbereitet, wie die zahlreichen Funde an gedruckten Aufrufen, aufhetzenden Broschüren, Waffen, Munition, Sprengstoffen usw. in allen von Armeniern bewohnten Gegenden beweisen; er war sicher von Rußland angestiftet, unterstützt und bezahlt. Eine armenische Verschwörung in Konstantinopel, die sich gegen hohe Staatsbeamte und Offiziere richtete, wurde rechtzeitig entdeckt.

Da sich alle waffenfähigen Mohammedaner beim türkischen Heere befanden, war es den Armeniern leicht, unter der wehrlosen Bevölkerung eine entsetzliche Metzelei anzurichten; denn sie beschränkten sich nicht etwa darauf rein militärisch gegen die Flanke und gegen den Rücken der in der Front durch die Russen gebundenen türkischen Ostarmee zu wirken, sondern sie rotteten die muselmanische Bevölkerung in jenen Gegenden einfach aus. Sie begingen dabei Grausamkeiten, von denen ich als Augenzeuge wahrheitsmäßig bezeuge, daß sie schlimmer waren als die den Türken später vorgeworfenen Armeniergreuel.“

M3 Wer redet denn heute noch von der Vernichtung der Armenier?

Wenige Tage vor dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen, am 22. August 1939 hielt Adolf Hitler eine mehrstündige Ansprache vor Generälen und hohen NS-Funktionären auf dem Obersalzberg. Hitler begründete seinen Entschluss zum Krieg. Er formulierte als Ziel die physische Vernichtung der polnischen Bevölkerung. In einer von mehreren überlieferten Mitschriften der Rede bezieht sich Hitler auf die Armenier. Ohne Zweifel wusste Hitler um den Armeniermord im Osmanischen Reich. In der deutschen Öffentlichkeit war nach dem Ende des Ersten Weltkriegs heftig über das Schicksal der Armenier debattiert worden. Bekannt war auch, dass die Vorgänge während des Kriegs und auch danach geringe Auswirkungen auf die internationale Politik gehabt hatten.

„Ich habe den Befehl gegeben — und ich lasse jeden füsilieren1, der auch nur ein Wort der Kritik äussert —, dass das Kriegsziel nicht im Erreichen von bestimmten Linien, sondern in der physischen Vernichtung des Gegners besteht. So habe ich, einstweilen nur im Osten, meine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, unbarmherzig und mitleidslos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen. Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“

2 füsilieren = erschießen

Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945, Serie D (1937-1945), Bd. VII, S. 171, Anm. 1.

 

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