AB 4-5: Offiziöse türkische Position zur Armenischen Frage
Die Sicht des türkischen Historikers Türkkaya Ataöv ( 2002)
Unabhängig davon welcher Terminologie sich manche Autoren auch bedienen, handelt es sich bei dem Ereignis, das sie schildern sollen, immer um die Verlegung oder Umsiedlung des Großteils der armenischen Bevölkerung, die ... zum überwiegenden Teil ihre Zielorte auch erreichte. Bedauerlicherweise verloren einige durch die Umstände des herrschenden Krieges oder durch Angriffe von Kriminellen ihr Leben. Zwischen 1914-1922 beteiligten sich die Armenier zusätzlich an mehr als einem Dutzend bewaffneter Konflikte, die sowohl armenische als auch nicht-armenische Leben kosteten.
Diese Umsiedlung fand aus Gründen der Sicherheit statt. Umgesiedelt wurden auch einige in Bursa, Eskisehir oder Konya, ja sogar in Istanbul ansässige Armenier, obwohl diese Städte nicht in Ostanatolien liegen. Der Grund für die Umsiedlung dieser Personen war nicht ihre armenische Herkunft, sondern ihre erwiesene oder mutmaßliche Verbindung zu Terroristen oder zu hochverräterischen Aktionen im Osten des Landes. Die im Allgemeinen gut informierten Sicherheitskräfte mögen in einigen Fällen einen Irrtum begangen haben. Es mag sein, dass einige Reaktionen unnötig und manche Aktionen übereifrig waren und dass die Umstände kriminell veranlagte oder rachsüchtige Menschen zu Mord und Raub verleitet haben. Die Tatsache, dass heute in Istanbul Nachkommen von Armeniern leben, beweist, dass nicht alle Armenier umgesiedelt wurden.
Aus dem Fanatismus oder den Intrigen bestimmter Personen wie z.B. Bahaeddin Sakir ist nicht verallgemeinernd zu schließen, dass die Umsiedlung in Wirklichkeit ein Vorwand für eine beabsichtigte „Ausrottung“ gewesen sein soll. Es gab auch andere Türken. Türken, die anklagten und zur Verurteilung der Täter, ausgenommen derer, die durch Flucht oder andere Tricks der Gerechtigkeit entfliehen konnten, beitrugen. Unabhängig davon, wie manche Autoren ... bestimmte osmanische Wörter ... auch übersetzt haben mögen, gibt es nur eine richtige und wahre Schlussfolgerung: In den osmanischen Archiven gibt es keine Beweise, die die Ansicht unterstützen, dass die osmanische Regierung ein Massaker an den Armeniern geplant oder ausgeführt hat.
Die Sicht des türkischen Historikers S. R. Sonyel (2002)
Die Wahrscheinlichkeit eines umfangreichen Aufstandes hinter den osmanischen Linien und die Gefahr für die osmanische Armee, an einer Vielzahl von Fronten mit unterbrochenen Kommunikationsverbindungen kämpfen zu müssen, zwangen die osmanische Regierung am 24. April 1915 zu dem Beschluss, die Armenier aus leicht angreifbaren strategischen Gegenden, wo die Möglichkeit bestand, dass sie dem Feind halfen, zu evakuieren. Diese Entscheidung ging den armenische Aufständen nicht voraus, sondern war eine Folge von diesen. Die Aufstände bedrohten die Existenz des osmanischen Staates, indem mit ihnen versucht wurde, ihn zu Fall zu bringen und dem Feind zu überlassen. Darüber hinaus war der unbewaffnete Rest der türkischen Bevölkerung (darunter Frauen und Kinder und alte Menschen) zahlreichen armenischen Gräueltaten ausgesetzt.
In Bezug auf die Modalitäten der Evakuierung der Armenier erließ der osmanische Ministerrat strikte Anweisungen. Türkische Geheimdokumente ... verdeutlichen die Entscheidung der türkischen Regierung, die militanten armenischen Organisationen aufzulösen und ihre militanten Anführer zu verhaften. Dabei wurden die Beauftragten angewiesen, ... davon Abstand zu nehmen, „ sie so auszuführen, dass sie gegenseitige Massaker von muslimischen und armenischen Elementen zu Folge haben könnten.“ ...
Die o .g. Anweisungen wurden von Mehmet Talat, dem damaligen Innenminister, erteilt. Osmanische militärische Befehlshaber wurden dabei angewiesen, zu gewährleisten, dass weder die Kurden noch andere Muslime die Situation ausnutzten, um sich für die langjährigen armenischen Gräueltaten zu rächen. Bis zur Rückkehr in ihre Heimatorte nach dem Krieg sollten die Armenier geschützt und versorgt werden. ...
Nach Schätzungen wurden bis Anfang des Jahres 1917 circa 700 000 Armenier umgesiedelt. Zwischen 300 000 und 400 000 von diesen verloren ihr Leben infolge der groß angelegten Militär- und Guerillaaktivitäten in den von ihnen passierten Gebieten, aber auch in Folge der allgemeinen Unsicherheit, der Straßenräuberei und Blutfehden, die einige muslimische Stämme, hauptsächlich kurdische, austrugen, als die Konvois ihre Gebiete passierten. Hinzu kommt, dass die Um- und Ansiedlungen von Armeniern zu einer Zeit stattfanden, in der der osmanische Staat mit einem akuten Mangel an Nahrungsmitteln, Brennstoffen, Medikamenten und anderen Vorräten sowie mit Seuchen und Hungersnot konfrontiert war. Eine Anzahl Armenier kam ums Leben aufgrund von Krankheiten, klimatischen Bedingungen, den Strapazen der Reise oder illegalen Aktionen seitens einiger Beauftragter. Einige verloren in Folge der Aufstände vieler Armenier und während der Kämpfe bei den Aufständen ihr Leben. Aber auch fast zwei Millionen Türken und andere Muslime verloren ihr Leben in direkter oder indirekter Folge der Aktionen der Armenier. Viel mehr Muslime starben wegen der Bedingungen des Krieges, denen auch sie ausgesetzt waren. Dennoch wurde die osmanische Regierung von den Armeniern und ihren Unterstützern beschuldigt, ein „Massaker“, „Genozid“, ja sogar „Holocaust“ gegen ihre armenische Minderheit verübt zu haben.
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