(Wie) kann ein christlich-muslimischer Dialog über Jesus gelingen?
Aus dem Bildungsplan Baden-Württemberg (2016):
Die Schülerinnen und Schüler können:
- pbK 2.2 (3) Texte, insbesondere biblische, sachgemäß und methodisch reflektiert auslegen.
- pbK 2.4 (1) sich auf die Perspektive eines anderen einlassen und sie in Bezug zum eigenen Standpunkt setzen.
- pbK 2.4 (2) Gemeinsamkeiten und Unterschiede religiöser und nichtreligiöser Überzeugungen benennen und sie im Hinblick auf mögliche Dialogpartner kommunizieren.
- pbK 2.4 (3) sich aus der Perspektive des christlichen Glaubens mit anderen religiösen und nichtreligiösen Überzeugungen auseinandersetzen.
- pbK 2.4 (4) Kriterien für einen konstruktiven interreligiösen Dialog benennen.
- ibK 3.2.5 (3) die Darstellung Jesu im Koran mit biblischen Quellen vergleichen (zum Beispiel Geburtsgeschichte, Wunder, Verständnis als Prophet, Kreuzigung).
- ibK 3.2.7 (3) Kriterien für einen Dialog zwischen Angehörigen verschiedener Religionen formulieren.
Verlauf
Hinführung
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L notiert Überschrift an Tafel und lässt Platz für Fortsetzung:
Ein christlich-muslimisches Gespräch über Jesus
Impuls:
Wenn euch ein muslimischer Freund/eine muslimische Freundin fragen würde, wer Jesus im Christentum ist – was würdet ihr antworten? (Alternativ mit Interviewantworten arbeiten)
→ L sammelt an Tafel: z.B.: Sohn Gottes; (der menschgewordene Gott;) gekreuzigt; auferstanden; Erlöser/für uns gestorben; Wundertäter; Vorbild; gewaltfrei/friedliebend
Sozialform: Unterrichtsgespräch
Medien: Tafel/ evtl. auf Karten
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Und was würde eurer Vermutung nach ein*e Muslim*in auf die Frage antworten, wer Jesus im Islam ist?
→ Sammeln von Vorwissen
Folienimpuls 5.1 (1. Hälfte):
Viele wissen nicht, dass Jesus in über 100 Koranversen vorkommt1. Zum Beispiel in Sure 4,171: „[…] Siehe, Christus Jesus, Sohn Marias, ist der Gesandte Gottes und das Wort, das er in Maria legte, und ist Geist von ihm. […]“2 (Übersetzung von Kermani, S. 105
Medien: Folie 5.1 1. Hälfte
Was denkt ihr, wenn ihr das lest? (Könnte diese Aussage so auch in der Bibel stehen?) (Erstaunliche Parallelität zu biblischen Aussagen; hohe Stellung Jesu im Koran; andere Zuordnung der trinitarischen Bezeichnungen „Sohn“ und „Geist“ als im Christentum.)
Impuls:
Sure 4, Vers 171 geht folgendermaßen weiter:
„So glaubt an Gott und seine Gesandten Und sagt nicht: ‚Drei!‘ Hört auf! Besser ist’s für euch! Denn Gott ist ein einziger Gott, gepriesen sei er – Als könnt‘ ihm ein Sohn sein! Sein ist, was im Himmel und auf Erden ist. […]“ (Kermani, 105f.)
Erklärt in eigenen Worten, was der Koran hier sagt.
(Kritik an Trinitätslehre (?) und der Gottessohnschaft Jesu; Betonung des Monotheismus)Sozialform: Unterrichtsgespräch
Medien: [Tafel AB] Folie 5.1 2. Hälfte
Erarbeitung
L weist auf TA vom Anfang der Stunde hin.
Überprüft, welche eurer Aussagen an der Tafel über den christlichen Jesus sich für muslimische Gläubige ausschließen müssten, wenn Jesus (entsprechend Sure 4:171) nicht Gottes Sohn wäre.
Sozialform: Murmelphase
Besprechung der Ergebnisse
Sozialform: Unterrichtsgespräch
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LV: Wir stellen fest: Jesus kommt im Christentum und im Islam vor, er ist im NT und im Koran eine sehr wichtige Person, beide Schriften bezeichnen ihn als Messias (griech.: Christus), in beiden ist er von der Jungfrau Maria geboren, er wird in beiden als Wort Gottes und als Gesandter Gottes bezeichnet.3
Aber es gibt auch entscheidende Unterschiede in der Sicht Jesu, die von vielen sogar als die größte Herausforderung für eine christlich-muslimische Verständigung angesehen werden. So stellt sich der Koran betont gegen die christlichen Vorstellungen von Jesus als Sohn Gottes und von einem dreieinigen Gott.
Nun haben auch manche von uns im christlichen Religionsunterricht Schwierigkeiten mit Begriffen wie „Sohn Gottes“ oder „Trinität“. Was versteht ihr darunter?
→ Kurze Verständigung über Vorwissen der SuS im UG oder Theologisieren über ihre Vorstellungen von „Sohn Gottes“ / „Trinität“ / („Natur Jesu“)
Sozialform: Unterrichtsgespräch
Vertiefung
Vielleicht kann jetzt die Erklärung eines Fachmanns weiterhelfen. In seinem Buch, „Warum Gott? Für Menschen, die mehr wissen wollen“, versucht der Theologieprofessor Wilfried Härle komplizierte Glaubensinhalte so darzustellen, dass auch Laien sie verstehen können.
Sozialform: Partnerarbeit
Medien: AB 5.2
- In Sure 4:171 und in W. Härles Deutung des „Petrusbekenntnisses“, Z. 1-15, kommen die Titel Prophet/Gesandter – Sohn (Gottes) – Christus/Messias vor. Vergleicht, wie die Titel jeweils verwendet werden.
- In dem Text von W. Härle geht es um das christliche Verständnis vom dreieinigen Gott. Eine verbreitete symbolische Darstellung seht ihr unten. Ergänzt diese Darstellung durch Informationen aus dem Text.
Präsentation und gemeinsame Reflexion der Ergebnisse
Sozialform: Schülervortrag → Unterrichtsgespräch
Transfer
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Wir haben gesehen, dass Jesus im Islam ein wichtiger Prophet ist, der Koran sich aber betont gegen die zentrale christliche Vorstellung abgrenzt, Jesus habe auch eine göttliche Natur. Es stellt sich daher die Frage, ob ein Dialog zwischen Christ*innen und Muslim*innen über Jesus unter solchen Voraussetzungen gelingen kann und wenn ja, wie. (L ergänzt Überschrift an Tafel:
Ein christlich-muslimisches Gespräch über Jesus - (Wie) Kann es gelingen?)
Sozialform: Lehrervortrag
Bevor wir uns darüber austauschen, lese ich euch vor, was Navid Kermani zu dem Koranvers schreibt, den wir am Anfang der Stunde gelesen haben:
S. 106, ab „Deutlicher lässt sich nicht sagen…“ bis „…steht er dann nicht doch irgendwo zwischen Gott und Mensch?“; dann ab „Der Reichtum der Welt…“ bis S. 107 oben: „… wie viel ärmer wäre die Welt ohne all die anderen?“; dann ab „Aber über all die eigentlich ja herrlichen, bereichernden Unterschiede …“ bis „… so ähnlich war alles, was wir vorbrachten.“
Medien: Buch
UG:
- Welche Gemeinsamkeiten (aus Sicht anderer Religionen) haben Judentum, Christentum und Islam? (Kermani nennt in der Fortsetzung des Textes selbst einige Beispiele, vgl. S. 107.)
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Impuls an Tafel:
„Denn indem sie sich abgrenzen, nehmen Kulturen zugleich von anderen Kulturen auf.“
„Aber über all die … Unterschiede vergessen Juden, Christen und Muslime, wie viel mehr ihnen gemeinsam ist.“
Belegt diese zwei Aussagen aus dem Buch im Blick auf die Bedeutung Jesu in Christentum und Islam.
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[„Der Streit geht immer nur um die paar Promille Differenz“ - Könnt ihr der Aussage zustimmen? Würden eure Interviewpartner*innen ihr zustimmen?]
Eine Verständigung mit Angehörigen einer anderen Religion ist dort einfach, wo man der gleichen Meinung ist. Bei der Sicht auf Jesus gibt es zwischen Christentum und Islam (und entsprechend dem Judentum) aber auch gewichtige Differenzen, die ein Gespräch erschweren können, die aber auch zu einem tieferen Verständnis führen können. Daher wollen wir überlegen, wie so ein Gespräch gut gestaltet werden kann.
GA:
Stellt euch vor, wir laden Jugendliche aus dem Islamischen Religionsunterricht - der inzwischen an immer mehr Schulen in Baden-Württemberg angeboten wird – zu einem interreligiösen Gespräch zum Thema „Jesus“ ein. Erstellt Tipps und Regeln für solch ein Gespräch.
→ Präsentation und ggf. Vergleich mit den Tipps im EKD-Text 86, S. 112f.
Sozialform: Schülervortrag/ Unterrichtsgespräch
Medien: (EKD-Text 86)
Abschluss
Fragen für Interviewpartner*innen ermitteln, z. B.:
- Welche Bedeutung hat Jesus für dich?
- Hast du schon mal mit einem Menschen muslimischen (oder jüdischen) Glaubens über Jesus gesprochen? Hast du das für deinen Glauben als Bereicherung empfunden oder hat das eher Widerstände in dir ausgelöst?
- Könntest du dir vorstellen, mit Menschen jüdischen und islamischen Glaubens zusammen Gottesdienst zu feiern?
Sozialform: Unterrichtsgespräch
Spätestens hier muss die Lehrkraft mit den SuS besprechen, welche Antworten aus den Audio- bzw. Videoaufnahmen sie für Dokument 1 (Grundlage für Erarbeitungsphase in der 6. Doppelstunde) transkribieren und zum vereinbarten Zeitpunkt abgeben sollen. Die 6. Stunde kann auch ggf. in einem mehrwöchigen Abstand zur 5. stattfinden.
1 „In insgesamt 108 Versen in 15 verschiedenen Suren des Korans wird Jesus direkt erwähnt, an vielen anderen Stellen wird auf ihn angespielt.“
2 Auch Jesu Mutter Maria spielt im Koran eine wichtige Rolle. Sie ist die einzige Frau, die namentlich genannt wird, und kommt im Koran häufiger vor als in den Evangelien.
3 Ggf. im LV ergänzen: Jesus ist im Koran ein sehr bedeutender Prophet: Sein Leben weist gegenüber anderen Propheten einige Besonderheiten aus: Seine Geburt wird der jungfräulichen Maria von Gott angekündigt, Jesus spricht direkt nach der Geburt, vollbringt wie in den Evangelien Wunder, z.B. Krankenheilungen und Totenerweckungen. Und am Ende seines Lebens wird er von Gott zu sich erhoben. Jesus wird im Koran als einziger als Wort Gottes bezeichnet (3x) und auch als einziger mit dem Heiligen Geist gestärkt (z.B. Q 5:110). Er ist nach Mose (Tora) und vor Mohammed (Koran) Empfänger der göttlichen Offenbarung in Form eines Buches (Evangelium).
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Weiter zu 6. DS: Erzähl mal…