Sure 4:171 und Text von W. Härle
Material 5.1
Sure 4:171
„Siehe, Christus Jesus, Sohn Marias,
ist der Gesandte Gottes
und das Wort, das er in Maria legte,
und ist Geist von ihm. […]“
---
„[…] So glaubt an Gott und seine Gesandten
Und sagt nicht: ‚Drei!‘
Hört auf! Besser ist’s für euch!
Denn Gott ist ein einziger Gott, gepriesen sei er –
Als könnt‘ ihm ein Sohn sein!
Sein ist, was im Himmel und auf Erden ist. […]“
(c) Navid Kermani: Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen, Hanser-Verlag 2022, S. 105f.
Material 5.2
Jesus zog mit seinen Jüngern weiter in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Unterwegs fragte er sie: »Für wen halten mich eigentlich die Leute?« Sie antworteten: »Manche halten dich für Johannes den Täufer, andere für Elija. Wieder andere meinen, dass du sonst einer der alten Propheten bist.« Da fragte er sie: »Und ihr, für wen haltet ihr mich?« Petrus antwortete: »Du bist der Christus.«
Mk 8,27-29 nach der BasisBibel (2021)
Der Theologieprofessor Wilfried Härle erläutert am Beispiel des berühmten „Petrusbekenntnisses“, warum das Christentum von dem dreieinigen Gott spricht
[»Und ihr, für wen haltet ihr mich?«] Diese Frage ergibt nur Sinn, wenn mit den Antworten der Leute noch nicht das Entscheidende, jedenfalls noch nicht alles gesagt worden ist, was über Jesus zu sagen ist. Und so dient sie dazu, diesen vorläufigen Antworten der Leute die Antwort der Jünger gegenüberzustellen, die sagt, wer Jesus wirklich ist. Und Petrus antwortet stellvertretend für alle Jünger: »Du bist der Christus« bzw. »Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!« (Mt 16,16). Damit wird eine neue Antwortebene betreten; denn die Titel »Christus« und »Gottes Sohn« gehören nicht auf dieselbe Ebene wie »Prophet«. Zwischen dem höchsten Propheten und dem Christus, d. h. dem Messias, und dem Gottessohn besteht nicht bloß ein gradueller, sondern ein grundsätzlicher Unterschied, aufgrund dessen Jesus als der Christus und Sohn nicht nur wahrer Mensch ist, sondern zugleich auf die Seite Gottes gehört. Dabei meint »Sohn« nicht ein biologisches Abstammungsverhältnis, sondern die Wesenseinheit zwischen Gott und Jesus Christus. Die Jünger sind in der Begegnung mit Jesus von Nazareth zu der Erkenntnis gekommen: In diesem Menschen begegnen wir mehr als einem Propheten; denn dieser Mensch verkörpert das Wesen Gottes. In ihm begegnen wir Gott selbst, weil in ihm das Wesen Gottes, das heißt: seine allmächtige, allwissende, allgegenwärtige, ewige Liebe menschliche Gestalt angenommen hat.
Was mit diesem ersten Schritt erreicht wurde, ist eine Form von Zweieinigkeit. Der darauf folgende nächste Schritt wird getan mit Hilfe der Frage, wie die Christenheit - und wie jeder einzelne Glaubende - zu dieser Erkenntnis kommen konnte, gekommen ist und in Zukunft kommen wird. Hier lautet die neutestamentliche Antwort: Diese Erkenntnis haben Menschen nicht aus sich selbst, sondern sie ist ihnen von Gott gegeben. Die einschlägige Fortsetzung des Bibelabschnitts, der als »Petrusbekenntnis« bekannt ist, findet sich nicht bei Markus, wohl aber bei Matthäus:
»Und Jesus antwortete und sprach zu ihm [zu Simon Petrus]: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel« (Mt 16,17).
Hier taucht also indirekt die Frage auf, woher Petrus das weiß, was er soeben bekannt hat, nämlich dass Jesus der Christus und Gottessohn ist. Und die Antwort ist eine zweifache. Zunächst wird negativ gesagt: nicht durch Fleisch und Blut, das heißt: nicht durch Menschen, weder durch andere noch durch sich selbst. Sodann wird positiv gesagt: durch meinen Vater im Himmel. Und damit kommt eine dritte Größe ins Spiel: der Gott, der Petrus und die übrigen Jünger erleuchtet und inspiriert hat, so dass sie zu dieser Erkenntnis kommen konnten. Diese dritte Größe wird häufig schon im Neuen Testament, vor allem aber dann in der späteren kirchlichen Lehrbildung durchgehend als der ›Geist‹ bzw. ›Geist Gottes‹ bzw. ›Heilige Geist‹ bezeichnet.
Diese zusätzliche Fragestellung (»Woher stammt diese Erkenntnis?«) und ihre Beantwortung (»Nicht von Menschen, sondern von Gott bzw. von Gottes Geist!«) ist von großer Bedeutung für das Selbstverständnis des christlichen Glaubens, weil dadurch sichtbar wird, wodurch uns die Erkenntnis und Gewissheit des Glaubens zuteilwird: durch Gott und zwar durch Gottes Geist.
Die Trinitätslehre hat tatsächlich nichts zu tun mit einer Lehre von drei Göttern, aber sie denkt und beschreibt und bekennt den Glauben an den einen, einzigen Gott konkret. Das heißt: Sie bezieht in den Glauben an den einen, einzigen Gott die Fragen mit ein, worin uns der eine Gott begegnet und wodurch wir ihn erkennen können.
(c) Wilfried Härle: Warum Gott? – Für Menschen, die mehr wissen wollen, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2013, 186-188, 202 (gekürzt).
Aufgaben
- In Sure 4:171 und in W. Härles Deutung des „Petrusbekenntnisses“, Z. 1-15, kommen die Titel Prophet / Gesandter – Sohn (Gottes) – Christus / Messias vor. Vergleicht, wie die Titel jeweils verwendet werden.
- In dem Text von W. Härle geht es um das christliche Verständnis vom dreieinigen Gott. Eine verbreitete symbolische Darstellung seht ihr unten. Ergänzt diese Darstellung durch Informationen aus dem Text.

KG Evangelische Religion (ZSL) [CC BY SA DE4]
5.2. Lösungsbeispiel zu Aufgabe 2

KG Evangelische Religion (ZSL) [CC BY SA DE4]
Materialien: Herunterladen [docx][7 MB]
Materialien: Herunterladen [pdf][4 MB]
Weiter zu Interviews für optionale Stunde 6