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Interview mit dem Juden Roman H.

Material 1.4b (1)

Erzähl mal…

1. Was bedeutet für Sie Glaube?

Glaube sehe ich erstmal für einen selbst, als wunderbares Mittel, sich besonders in einer schwierigen Zeit Halt zu geben.

2. Was würde Ihnen ohne den Glauben fehlen?

Ich bin davon überzeugt, dass ohne die Religionen und ihre ethischen Richtlinien die Welt sehr viel ärmer wäre und die Menschheit noch kriegerischer, ungerechter und egoistischer wäre, als sie jetzt schon ist.

3. Wie haben Sie Ihren Glauben „gelernt“?

Ich bin nicht zu religiös, aber das, wie ich bin, habe ich von meinen Eltern, besonders aber durch das Leben selbst, gelernt.

4. Welche(s) religiöse Fest / Ritual / Tradition ist Ihnen am wichtigsten geworden? Warum?

Es ist der Beginn des Schabbats, am Freitagabend. Seit jeher war am Freitagabend die Familie versammelt. Dies hat mich schon als Kind sehr beeindruckt. Ich habe es geliebt, wenn wir zusammensaßen, mein Vater die Segenssprüche über Wein und Brot gesprochen hat und wir bei einem festlichen Mahl gemeinsam Lieder gesungen haben. Diese Tradition habe ich bis heute beibehalten.

5. Gibt es einen Satz aus den Heiligen Schriften / einen Liedvers, der Sie besonders begleitet hat? Erzählen Sie mal.

Im Alten Testament, im Buch Tobit im Kapitel 4, ich glaube Vers 16, steht: „Was du verabscheust, tu keinem anderen an.“ So ähnlich hat es auch das Neue Testament übernommen.

6. Gibt es ein besonderes Erinnerungsstück, einen Gegenstand oder ein Schmuckstück oder Ähnliches, das Ihren Glauben zeigt? (Könnten Sie davon eventuell ein Bild machen und etwas dazu schreiben?)

Es sind meine Gebetsriemen, die ich früher nie angelegt hatte. Als meine erste Frau mal sehr krank war, machte ich eine Art Gelübde vor G’tt. Ich bat ihn, meine Frau gesund werden zu lassen und versprach dann, jeden Tag meine Gebetsriemen anzulegen und das entsprechende Gebet zu sagen. Er hat meine Bitte erhört und ich habe mich danach bis zum heutigen Tag an unsere „Vereinbarung“ gehalten.

7. Wann ist Ihnen der Ewige besonders nah?

In der Natur.

8. Ist Ihnen das Gebet wichtig? Haben Sie da einen festen Ablauf oder ist das ganz frei?

Ja, ist es; jeden Morgen beim Anlegen der Gebetsriemen, aber auch wenn ich ein besonderes Anliegen habe.

9. Welche Rolle spielt der Glaube in Ihrem Alltag? Wie zeigt er sich?

Er muss sich nicht zeigen. Er schwebt einfach über einem.

10. Wann hatten Sie an Ihrem Glauben besonders zu knabbern gehabt?

Immer wenn ich an den Holocaust denke. Da frage ich immer: Lieber G’tt, wo warst du da, warum hast du das zugelassen?

11. Wann fühlten Sie sich von Ihrem Glauben besonders getragen?

Wenn ich daran denke, unter welchen Umständen ich geboren wurde, und mir bewusst wurde, welches Wunder dies war, dass meine Mutter und ich überlebt haben.

12. Gab es ein besonderes Erlebnis oder einen bestimmten Moment, der für Sie und Ihren Glauben besonders wichtig war?

Es war der Moment der Geburten meiner beiden Kinder, bei denen ich jeweils zugegen war. Dies war zur damaligen Zeit noch sehr ungewöhnlich und dies hat mich sehr geprägt.

13. Warum sind Sie eigentlich Jude (geblieben)? Haben Sie auch mal über eine andere Religion nachgedacht?

Nein, habe ich nicht. Ich liebe meine Religion, eine andere kommt für mich nicht in Frage.

14. Waren Ihre Eltern „religiöser“ als Sie? Etwa gleich.

15. Was haben Sie / würden Sie im Hinblick auf Glauben/Religion in der Erziehung Ihrer Kinder anders machen als Ihre Eltern? Was hat sich Ihrer Meinung nach verändert?

Nach dem Krieg gab es in meinem Jahrgang kaum jüdische Religionslehrer und entsprechend wenig Möglichkeiten des jüdischen Lernens. Meine Kinder konnten bessere Möglichkeiten erfahren und dies habe ich gefördert. Mein Sohn ist heute bedeutend religiöser als ich. Er lebt heute in den USA und da ist es leichter, jüdische Religion zu leben.

16. Für Jugendliche ist es oft eine große Herausforderung, Glaube und Naturwissenschaft zusammenzubringen. Was denken Sie darüber?

Muss nicht unbedingt sein. Der Sohn meiner Frau ist diplomierter Biologe und ist nach seinem Studium orthodoxer Rabbiner geworden. Er erklärt immer sehr gerne, wieso Naturwissenschaften und Religion sich überhaupt nicht widersprechen.

17. Welche Bedeutung haben die Heiligen Schriften für Sie?

Das Alte Testament ist die Grundlage meines Glaubens.

18. Welche Gestalt aus Ihrer religiösen Tradition ist Ihnen besonders lieb, besonders wichtig? Moses

19. Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht die Person Jesus?

Ein Rabbiner, der gute Ansätze für die Menschheit hatte. Ob er das so wollte, was daraus geworden ist, weiß ich nicht.

20. Was ist Ihnen wichtig, von Ihrem Glauben / von Ihrer Religion weiterzugeben (eine bestimmte Grundüberzeugung, eine besondere Tradition, ein bestimmtes Ritual, ein bestimmter Wert)? Was soll bleiben?

Es sind die ethisch-moralischen Werte, die wir alle aus unseren jeweiligen Religionen übernehmen sollten.

21. Welchen Rat geben Sie mir für mein Leben?

Leben Sie nach den 10 Geboten, die im Judentum und im Christentum sehr ähnlich sind.

Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit, diese Fragen zu beantworten und für Ihre Bereitschaft, von Ihrem Glauben und Ihrer Religion zu erzählen!

Interviews für optionale Stunde 6: Herunterladen [pdf][404 KB]