Merkmale erwachsenenorientierten Lernens
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Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
Betrachtet man die fachdidaktische Literatur, so fällt auf, dass es nahezu keine Veröffentlichungen zu einer Didaktik der Kursstufe gibt. Fast alle methodischen und didaktischen Werke beziehen sich auf die Unter- und Mittelstufe, spezifische Zugänge für den Unterricht in der Kursstufe sucht man in Religion und den affinen Fächern vergeblich [1] . Daher bietet es sich an, didaktische Hinweise und Anregungen aus der Hochschuldidaktik wie beispielsweise das Handbuch von Adi Winterler „Professionell lehren und lernen“ [2] zu sichten und dem Niveau der Kursstufe anzupassen.
Besonders die häufig recht wissenslastige Hochschuldidaktik betont, dass Bildung auch bei der Bewältigung einer großen Stofffülle ein aktiver Prozess ist, auch wenn universitäre Vorlesungen zunächst den Eindruck erwecken, dass es sich um reine Rezeption von Inhalten handelt. Die reine Weitergabe von Wissen von der Lehrkraft auf die Schülerinnen und Schüler ist jedoch überhaupt nicht möglich, sondern Bildung ist – auch bei Unterrichtsformen, die die Lehrenden eher passiv erscheinen lässt - immer aktiv und selbstgesteuert, ein Konstruktionsprozess im Gehirn der Lernenden.
Der Hochschuldidaktiker Winteler sieht eine Hierarchie der unterschiedlichen Formen von Lernen, von der (1) Vermehrung von Wissen über das (2) Auswendiglernen und Reproduzieren , das (3) Anwenden und (4) Verstehen bis zur (5) neuen Sichtweise eines Aspekts/ Sachverhalts und zur (6) Veränderung der Person . In den Stufen 1-3 ( Vermehrung von Wissen, Reproduktion und Anwendung ) liegt das Wissen außerhalb der lernenden Person, wird von ihr aufgenommen, um zu einem späteren Zeitpunkt – möglicherweise in einer Prüfung - reproduziert zu werden. In den komplexeren Dimensionen des Lernens (4-6: Verstehen, neue Sichtweise, Veränderung der Person ) wird das Wissen aktiv verarbeitet und tritt in eine Wechselbeziehung mit der Persönlichkeit des Lernenden [3] . In ähnlicher Form kann man diese Hierarchie der Lernbegriffe in den EPA finden: Die Wahrnehmungs- und Darstellungsfähigkeit, die Deutungsfähigkeit, möglicherweise auch die Urteilsfähigkeit zeigen die Kenntnisnahme und Auseinandersetzung mit Inhalten, während die Dialog- und Gestaltungsfähigkeit wie die höheren Stufen des Lernens nach Winteler die ganze Person des Lernenden betreffen und umfangreiche auch personale und soziale Kompetenzen verlangen. Deutlich werden diese Anforderungen vor allem in der Präsentationsprüfung, in der verlangt wird, dass sich die Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage von Wissen mit einer konkreten Fragestellung aus Religion/ Ethik/ Philosophie auseinandersetzen und schließlich ihre eigene Einstellung begründet darstellen und kommunizieren können. Im Idealfall sollte hier die von Winteler beschriebene neue Sichtweise bzw. Veränderung der Person stattgefunden haben, wenn ein Schüler/ eine Schülerin beispielsweise in einer Präsentation eine Anforderungssituation aus dem alltäglichen Leben mithilfe theologischen und philosophischen Wissens analysieren und lösen kann.
Aus dieser Definition von Lernen als aktiven Prozess ergibt sich, dass im Unterricht stets– möglicherweise auch zuungunsten mancher lieb gewonnener Inhalte – ein aktives Lernen der Schülerinnen und Schüler intendiert werden soll. Die Leitfrage der Unterrichtsplanung ist somit, wie die Schülerinnen und Schüler zu aktivieren sind, damit – auch bei einer deutlich größeren Stofffülle als in der Sekundarstufe 1 – ein individueller und aktiver Lernprozess und letztlich der Erwerb von neuen Sichtweisen und die Veränderung der Person stattfinden kann.
Nun sind die Resultate von schülerorientiertem Unterricht bei vielen Kollegen umstritten, denn schülerorientierte, die Schüler aktivierende Phasen wurden lange Zeit vor allem zur Motivation eingesetzt, um den Schülerinnen und Schüler etwas „Besonderes“ zu bieten, indem man sie z.B. Plakate zu einem bestimmten Thema erstellen ließ. Ein solcher schülerorientierter Unterricht gerät gerne in die Kritik, niveaulos zu sein, und eine Reduktion des Stoffs zugunsten von „Spielchen“ und „Basteln“ vorzunehmen, Elementares Basiswissen – so lautet der Vorwurf - sei nicht mehr vorhanden, dafür würden aber zahlreiche handlungsorientierte und ganzheitliche Methoden angewendet, die letztlich nur zu einer „Verschwendung von Unterrichtszeit“ und zu einer Stoffreduktion und somit zu einem Niveauverlust führen würden. Nicht selten führen solche vermeintlich schülerorientierte Methoden auch zu schlechteren Lernergebnissen, insbesondere wenn sie schlecht organisiert oder unzureichend vorbereitet sind oder in den Arbeitsgruppen der Schülerinnen und Schüler keine echte Zusammenarbeit möglich ist [4] . Solche Erfahrungen lassen Schülerorientierung fraglich erscheinen, gleichzeitig ist jedoch die Differenzierung zwischen Lehrer- und Schülerorientierung grundlegend für einen kompetenzorientierten Religionsunterricht. Die Schülerorientierung ist lernpsychologisch unerlässlich, da nur in der aktiven Auseinandersetzung mit Inhalten überhaupt höherwertige Lernprozesse stattfinden können. Nur in einem aktiven Lernprozess kann eine aktive Konstruktion von Wissen entstehen, bei dem Vorwissen und mentale Konstruktionen angewendet und neue Informationen in die bestehenden Wissensstrukturen integriert werden [5] . Ein „lehrerzentrierter“ Unterricht geht hingegen davon aus, dass die Lehrkraft den Stoff beherrscht und ihn mit geeigneten Methoden und Medien den Schülerinnen und Schülern vermitteln muss. Sie steuert den Lernprozess bis ins kleinste Detail, die Leitfrage bei der Unterrichtsvorbereitung lautet: „Wie kann ich den Lernprozess optimal präsentieren? Mit welchen Methoden, Sozialformen kann ich ihn aufbereiten?“ Bei einer solchen Definition von Lehrerzentrierung kann auch die vermeintliche schülerorientierte Methode des Lernzirkels hochgradig lehrerzentriert sein, wenn die Lehrkraft beispielsweise bei einer Gruppenarbeit oder beim Stationenlernen den Lernweg der Schülerinnen und Schüler bis ins kleinste Detail geplant hat. Bei einer „Schülerorientierung“ hingegen sind die Schülerinnen und Schüler Subjekte des Lernens, sie lernen letztlich unabhängig. Aufgabe der Lehrkraft ist es, Bedingungen zu schaffen, in denen Lernprozesse stattfinden können. Die Leitfrage bei der Unterrichtsplanung lautet dann: „Wie kann ich Bedingungen schaffen, unter denen die Schülerinnen und Schüler optimal lernen können, und die es ihnen ermöglichen, für den eigenen Lernprozess Verantwortung zu übernehmen?“ [6] Dass ein solcher Unterricht nicht jedes Jahr in gleicher Form gehalten werden kann, sondern sich prozessorientiert von der jeweiligen Lerngruppe mitgestaltet und auf sie zugeschnitten sein muss [7] , liegt auf der Hand. Eine solche Definition von Schülerorientierung lässt auch Frontalunterricht zu – vorausgesetzt, er schafft – durch geeignete Mikromethoden - die Gelegenheit zu einem eigenverantwortlichen Lernprozess der Schülerinnen und Schüler. Schülerorientierung und Wissensvermittlung, selbständiges Lernen und ein niveauvoller Unterricht müssen sich daher nicht ausschließen, vielmehr geht es darum, dass das aktive Lernen die zentrale Perspektive jeglicher Unterrichtsvorbereitung ist. So sind wesentliche Merkmale die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler über das Zuhören und Bearbeiten von vorher vorbereiteten Aufgaben hinaus, z.B. in der Planung des Unterrichts, Aufgaben, die die Schülerinnen und Schüler zu höherwertigen Denken motivieren (z.B. Anforderungssituationen), und die Auseinandersetzung mit eigenen Konzepten, so dass im Unterricht Denkprozesse angeregt werden, die über die Reproduktion und Reorganisation hinausgehen (z.B. in der Analyse, Synthese und im problemlösenden Denken). Dies ist durchaus auch in einem leicht modifizierten Frontalunterricht möglich.
In diesem Kontext ergibt sich – wie schon in den Überlegungen zur Sekundarstufe 1 gezeigt – eine Veränderung der Lehrerrolle. Die Lehrkraft ist nicht mehr die, die „lehrt“, also Wissen vermittelt, das er/ sie besitzt, sondern die Schülerinnen und Schüler konstruieren ihr Wissen selbst. Leitfrage der Unterrichtsvorbereitung ist also nicht mehr: „Welche Inhalte will ich vermitteln?“ auch nicht „Welche Inhalte sollen die Schülerinnen und Schüler lernen?“, sondern „Wie bringe ich die Schülerinnen und Schüler dazu, selbst zu lernen, sich mit den Inhalten auseinandersetzen und eigenes Wissen zu konstruieren? Wie üben sich die Schülerinnen und Schüler darin, durch die Auseinandersetzung mit dem Stoff nachher anders oder gar „besser“ zu denken? [8] “ Auch für die Schülerinnen und Schüler dürfte diese Veränderung nicht einfach sein – sie haben häufig eine Lernbiografie als eher passive Lerner, sind es gewohnt, dass Lehrkräfte ihnen den Stoff in überschaubaren Portionen aufbereiten und vermitteln, ihre eigenen Aktivitäten reduzieren sich – vor allem wenn sie in der Unter- und Mittelstufe recht traditionellen Religionsunterricht hatten – häufig auf Zuhören, Textarbeit mit Verständnisfragen und Reproduktion von Wissen. Die eigene Verantwortung für den Lernprozess haben sie oft nicht eingeübt. Somit muss diese Veränderung auch bewusst vermittelt, reflektiert und trainiert werden und wird sicher noch einige „Schülergenerationen“ brauchen, bis sie für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte selbstverständlich ist.
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[1]
Eine Ausnahme bildet das von Wermke, Adam und Rothnagel herausgegeben Kompendium: Religion in der Sekundarstufe II.
[2]
Winteler, Adi: Professionell lehren und lernen. 4. aktualisierte und überarbeitete Auflage 2011.
[3]
Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S.19-22.
[4]
Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S.140.
[5]
Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S. 127.
[6]
Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S. S.16-18, S. 28.
[7]
Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S. 128.
[8]
Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S. 129.
Kompetenzorientierter Religionsunterricht in der Kursstufe: Herunterladen [pdf] [411 KB]