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Konkrete Elemente der Unterrichtsgestaltung

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Wie kann aber nun dieses aktive und schülerorientierte Lernen konkret aussehen?
Welche methodischen Akzentsetzungen bieten sich an?

Von großer Bedeutung für den Lernprozess ist zunächst das Erheben von Vorwissen , denn – wie die Lernpsychologie gezeigt hat – der Lernprozess basiert auf den bereits im Gehirn der Schülerinnen und Schüler vorhandenen Konstruktionen, die die Grundlage für jedes weitere Lernen bilden [1] . Schülerinnen und Schüler haben oft Schwierigkeiten, neues Wissen in vorhandene Strukturen zu integrieren, so dass Inhalte häufig fragmentarisch aufgenommen, rezipiert und auswendig gelernt werden und daher nicht oder nur bruchstückhaft für Analyse und Synthese zur Verfügung stehen. Vorwissen kann in einer Einstiegsphase ins Bewusstsein geholt werden und so die Basis für das weitere Lernen bilden. Dies kann beispielsweise durch eine Anforderungssituation geschehen und/ oder durch einen Advance Organizer, der es den Schülerinnen und Schüler ermöglicht, Vorwissen und Voreinstellungen zu artikulieren und zu erkennen. Nur so können die Schülerinnen und Schüler an einer späteren Stelle des Lernprozesses erkennen, wo das neue Wissen in einem scheinbaren Widerspruch zu ihrem Vorwissen stehen könnte [2] . Die Lehrkraft kann die Lernausgangslage erkennen und entsprechende Lernangebote planen, die immer auch Elemente einer Binnendifferenzierung enthalten sollten.

Auch der Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler ist für den Lernprozess unerlässlich. Nur, was einen Bezug zu bereits vorhandenen Denkstrukturen, zu Erfahrungen und zu den Interessen der Schülerinnen und Schüler hat, kann in einem Lernprozess erweitert und vertieft werden und damit den langfristigen Kompetenzerwerb ermöglichen. In der Kursstufe erstreckt sich dieser Lebensweltbezug nicht nur auf die unmittelbare Umgebung der Schülerinnen und Schüler und ihre eigenen Lebenserfahrungen, sondern schließt politisches Tagesgeschehen und gesellschaftliche und kirchliche Tendenzen ein, die sich beispielsweise als Anforderungssituationen anbieten.

Ein wesentliches Element des aktiven Lernens ist die Metakognition . Sie geschieht zum einen durch die Zieltransparenz des Unterrichts (z.B. durch einen Advance Organizer) und durch eine Evaluation des eigenen Lernwegs am Schluss einer Unterrichtssequenz. Vor allem kann diese Metakognition aber auch durch kleine Phasen der Reflexion in jedem Unterricht erreicht werden, z.B. indem die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler nach einer Erarbeitungsphase und einer Sicherung im Plenum bittet, den eigenen Lernerfolg in dieser Phase zu benennen. Für diesen Unterrichtsschritt bieten sich zahllose Methoden aus dem Kooperativen Lernen, die die aktive Auseinandersetzung mit Inhalten in unterschiedlichen Sozialformen fördern, an [3] . Zur Metakognition gehört auch die Vermittlung und bewusste Anwendung von Memorisierungstechniken wie z.B. die Einführung ins bewusste Lesen und Exzerpieren von Fachtexten, das Führen eines Lerntagesbuchs, die Reflexion des eigenen Lernerfolgs [4] .

Aktives Lernen zeigt sich auch in der Anregung zum eigenen Denken . Dies geschieht in der Reflexion und Diskussion des Stoffes, vor allem aber in Aufgabenstellungen, bei denen alle Schülerinnen und Schüler Position beziehen oder ihre eigenen Gedanken ausdrücken müssen. Die Aufgabenstellungen sollten zu „höherwertigem Denken“ [5] (Analyse, Synthese, Evaluation und problemlösendem Denken) anregen und die Kreativität der Schülerinnen und Schüler herausfordern. Aus der Sicht der Didaktik ist es hierbei von Bedeutung, dass dieser Prozess wirklich mit der ganzen Lerngruppe stattfindet und nicht nur mit den an Diskussionen interessierten Schülerinnen und Schülern.

Kooperatives Lernen und Lernen in Arbeits- und Lerngruppen ermöglichen in der Regel eine aktive Auseinandersetzung mit dem Stoff. Plant man eine längere Unterrichtssequenz als Projektarbeit, ist zu beachten, dass die Grundlagen des kooperativen Lernens beachtet werden, indem z.B. die Aufgaben die Gruppe so herausfordern, dass die Lösung ein gemeinsames Ziel (Positive Abhängigkeit) ist, für das alle Gruppenmitglieder Verantwortung übernehmen müssen (Individuelle Verantwortungsübernahme), so dass ein gemeinsamer Arbeitsprozess in der Gruppe zustande kommt (Soziale Fähigkeiten und Direkte Interaktion), der im Abschluss evaluiert wird (Evaluation) [6] . Somit muss es sich um komplexe, herausfordernde Aufgaben handeln, die nach Möglichkeit authentisch sind und einen Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler haben sowie eine komplexe, motivierende Problemstellung aufweisen, die unterschiedliche Perspektiven ermöglicht. Wichtig ist vor allem, dass die Arbeit in der Gruppe Interdependenz zulässt, die Aufgabenstellung also nicht nur in der Addition von Einzelarbeiten zu lösen ist, sondern eine wirklich Teamarbeit nötig ist, in der ein Austausch über das Thema stattfinden muss [7] . Beim kooperativen Lernen spielt ferner die Lernumgebung für den Lernerfolg eine zentrale Rolle [8] , da sie z.B. durch entsprechende Nachschlagewerke und Materialien, Computerzugang und ansprechende Räumlichkeiten den Rahmen für die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler bildet.

Effektives Lernen geschieht vor allem dann, wenn konkrete Probleme Ausgangspunkt des Unterrichts sind. Authentische Anforderungssituationen aus dem alltäglichen Leben oder aus den Medien können somit – wie bereits in Was ist kompetenzorientierter Religionsunterricht? dargestellt [9] - das zentrale Element einer Unterrichtssequenz bilden. Gerade in der Kursstufe können authentische Fälle in ihrer Komplexität erfasst werden und so einen Lernprozess einleiten, der schüleraktivierend ist und sich auf ihre Lebenswelt bezieht [10] .

Schülerorientierter Unterricht, der den Lernprozess des einzelnen Schülers, der einzelnen Schülerin im Blick hat, benötigt zwingend eine Binnendifferenzierung , um möglichst vielen Schülerinnen und Schüler ein Vertiefung und Erweiterung ihrer Kompetenzen zu ermöglichen [11] . Heymann definiert Binnendifferenzierung als: „Sammelbegriff für alle didaktischen, methodischen und organisatorischen Maßnahmen, die im Unterricht innerhalb einer Schulklasse (allgemeiner: einer Lerngemeinschaft) getroffen werden können, um der Unterschiedlichkeit der Schüler – vor allem im Blick auf ihre optimale individuelle Förderung – gerecht zu werden. Genauer noch müsste man sagen: um ihrer Unterschiedlichkeit besser gerecht zu werden als in einem vorwiegend gleichschrittigen, tendenziell »uniformierenden« Unterricht.“ [12] Nun zeigt sich die Heterogenität einer Lerngruppe – wie oben dargestellt – in vielen unterschiedlichen Aspekten. Zum einen ist der Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler in allen Kompetenzbereichen unterschiedlich stark ausgeprägt und bedarf möglicherweise einer individuellen Förderung durch gezielte Aufgabenstellung bzw. Gelegenheit zur Wiederholung und Festigung der in früheren Jahren erworbenen Kompetenzen. Im Religionsunterricht kann die Heterogenität aber auch durch die religiöse Sozialisation oder durch unterschiedliche Stufen der religiösen Entwicklung bedingt sein. Nicht zuletzt ergibt sich die Heterogenität in einem Kurs auch durch unterschiedliche Lern- und Arbeitstypen und durch die unterschiedlichen Interessen der Schülerinnen und Schüler, ihr Lernverhalten und ihren Kompetenzerwerb. Binnendifferenzierung ist in unterschiedlichen Formen möglich: Es kann eine Lernaufgabe gestellt werden, möglicherweise eine konkrete Anforderungssituation. Diese sollte nach Möglichkeit mehrere Lernjobs mit unterschiedlichen Aufgabentypen, Lösungswegen und Förderungsmöglichkeiten für die Schüler und Schülerinnen enthalten. Binnendifferenzierung geschieht aber auch dort, wo in einer Unterrichtssequenz unterschiedliche Zugänge zu einer Thematik ermöglicht werden oder wo die Lehrkraft auch in einer eher lehrerzentrierten Unterrichtsphase wie in einem längeren Lehrervortrag den Sachverhalt so vielperspektivisch und facettenreich wie möglich darbietet. [13]

In einem kompetenzorientierten Unterricht verändert sich die Leistungsmessung . Nicht mehr allein das erworbene Wissen, das am Tag einer Klausur oder Prüfung reproduziert und angewendet werden kann, steht im Mittelpunkt, sondern die Performanz der in längerfristigen Lernprozessen erworbenen Kompetenzen. Nicht mehr allein die Note ist Ziel der Leistungsmessung, sondern auch der vom Schüler/ von der Schülerin aktiv vollzogene Lernprozess wird evaluiert und reflektiert, so dass ihm/ ihr Rückmeldungen zum weiteren Kompetenzerwerb gegeben wird. [14] Für die konkrete Gestaltung von Leistungsmessung ergeben sich zwei Konsequenzen.

  1. Das aktive und selbstgesteuerte Lernen sollte auch in der Leistungsmessung deutlich werden. Dies geschieht teilweise bereits in GFS, in Facharbeiten, im Seminarkurs und in Portfolios, vor allem aber in der Präsentationsprüfung, die ja relativ häufig von konkreten ethischen, gesellschaftlichen oder theologischen Fragestellungen ausgeht. Für Klausuren und die schriftliche Abiturprüfung könnte man langfristig beispielsweise Prüfungsformate entwickeln, die von konkreten Problemen ausgehen und dann gezielt eine oder mehrere Teilkompetenzen der EPA überprüfen. Gerade Aufgaben, die eine komplexere Problemlösung verlangen, stellen allerdings hohe Anforderungen an die korrigierende Lehrkraft, da es für die Bewertung der Performanz der einzelnen Teilkompetenzen bisher nur sehr wenige Anhaltspunkte gibt.
  2. Der Kompetenzerwerb zeigt sich nicht allein in den Prüfungsergebnissen, sondern auch in der Gestaltung der Lernprozesse und der Fähigkeit zur Metakognition. Es muss auch die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung und Selbstorganisierung der Schülerinnen und Schüler gefördert und bewertet werden, denn nur wenn sie ihren eigenen Kompetenzerwerb realistisch einschätzen können, ist ein selbstorganisiertes Lernen möglich [15] .

Und last but noch least: Lernen, die Konstruktion von Wissen braucht Zeit und Muße ! Beim aktiven Lernen brauchen die Schülerinnen und Schüler Zeit, um die neuen Lerneindrücke, die sie an den Inhalten gewinnen, zu verarbeiten. Von daher ist die Reduktion der Stofffülle im Bildungsplan 2001 gegenüber seinem Vorgänger, dem Bildungsplan 1994 zu begrüßen. Denn nur Inhalte, die verarbeitet wurden, die alte Denkschemata perturbieren und neue ermöglichen sollen, sind langfristig „gelernt“ [16] , und können den Schülerinnen und Schüler neue Sichtweisen eröffnen und sie als Person prägen.

 

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[1] Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, 31.
[2] Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, 31-36.
[3] Eine Liste mit 19 Methoden des kooperativen Lernens findet sich unter:
http://www.kooperativeslernen.de/dc/CL/index.html

[4] Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S.126.
[5] Winteler, Professionell lehren und lernen, S.127.
[6] http://www.kooperativeslernen.de/dc/CL/index.html
[7] Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S. 102.
[8] Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S. 29.
[9] Vgl. Was ist kompetenzorientierter Religionsunterricht?, S. 23-24.
[10] Vgl. zum Ablauf eines Unterrichtsprozesses: Obst, Kompetenzorientiertes Lernen und Lehren im Religionsunterricht, S. 137.
[11] Vgl. Heymann, Binnendifferenzierung konkret, Download unter:
http://www.beltz.de/de/paedagogik/zeitschriften/paedagogik/themenschwerpunkte/binnendifferenzierung-konkret.html S. 3 (21.11.2011)

[12] Vgl. Heymann, Binnendifferenzierung konkret, Download unter:
http://www.beltz.de/de/paedagogik/zeitschriften/paedagogik/themenschwerpunkte/binnendifferenzierung-konkret.html (21.11.2011)

[13] Vgl. Heymann, Binnendifferenzierung konkret, Download unter:
http://www.beltz.de/de/paedagogik/zeitschriften/paedagogik/themenschwerpunkte/binnendifferenzierung-konkret.html S. 3. (21.11.2011)

[14] Vgl. Zimmermann, Neue Formen der Bewertung, S. 458.
[15] Vgl. Heymann, Binnendifferenzierung konkret, Download unter:
http://www.beltz.de/de/paedagogik/zeitschriften/paedagogik/themenschwerpunkte/binnendifferenzierung-konkret.html (21.11.2011)

[16] Vgl. Winteler, Professionell lehren und lernen, S.26.

 

Kompetenzorientierter Religionsunterricht in der Kursstufe: Herunterladen [pdf] [411 KB]