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Hin­wei­se zu Deu­tung von Gen 3, Ger­hard von Rad

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.


Zum Ge­samt­text:

Gen 2 und 3 ist im Zu­sam­men­hang zu sehen mit den ur­al­ten ori­en­ta­li­schen My­then, z.B. von der Men­schen­schöp­fung, vom Le­bens­baum, vom Le­bens­was­ser, von den Ke­ru­bim. Der Jah­wist, der nach 1000 v. Chr. zur­Zeit Sa­lo­mos schrieb, fand diese Stof­fe wohl zum Groß­teil schon mit­ein­an­der ver­bun­den vor und ver­wen­de­te siein einer lehr­haf­ten, zu­rück­hal­ten­den Art, kei­nes­wegs my­tho­lo­gisch, son­dern sei­ner Got­tes­vor­stel­lung ent­spre­chend. Diese ver­schie­de­ne Her­kunft der Stof­fe ist Grund für ei­ni­ge Un­eben­hei­ten in der sehr kom­ple­xen Er­zäh­lung.

G.v. Rad ist der Mei­nung, man müsse sich vor dem Pos­tu­lat hüten, eine so kom­ple­xe Ge­schich­te könne nur einen Sinn haben. „Sie hat durch die Ver­schie­den­ar­tig­keit ihrer Be­stand­tei­le viel­leicht ge­le­gent­lich an lo­gi­scher Prä­zi­si­on ver­lo­ren, aber da­durch, dass nicht alles ganz dicht in­ein­an­der­ge­fügt ist, hat sie an Weit­räu­mig­keit ge­won­nen.“

Zu be­ach­ten ist bei der gan­zen Er­zäh­lung, dass der Jah­wist nie eine di­rek­te Schil­de­rung des pa­ra­die­si­schen Le­bens­stan­des gibt, er spricht durch­weg vom Le­bens­stand des ge­fal­le­nen Men­schen aus. Es geht ihm darum, die gro­ßen Stö­run­gen in un­se­rem jet­zi­gen Leben - Scham, Furcht, Miss­klän­ge im Leben von Mann und Frau - als Folge der Sünde des Men­schen dar­zu­stel­len. „Die man­nig­fa­chen tie­fen Stö­run­gen im mensch­li­chen Leben haben ihre Wur­zel in der einen Stö­rung des mensch­li­chen Ver­hält­nis­ses zu Gott. Noch bün­di­ger aus­ge­drückt: Gen 3 be­haup­tet, dass alles Leid aus der Sünde kommt.“ G.v. Rad warnt je­doch vor Ver­ein­fa­chun­gen: Die Er­zäh­lung ent­hält auch eine Art von Pro­me­theus­mo­tiv, der Mensch möch­te im Wis­sen Gott gleich wer­den. „Mit die­sem im Trotz er­raff­ten Wis­sen setzt wohl eine ´Hö­her­ent­wick­lung´ ein, aber die­ses Vor­wärts­kom­men be­zahlt der Mensch mit dem Ver­lust des ein­fäl­ti­gen Ge­hor­sams.“

Zu ein­zel­nen Stel­len:

V.1:
Die Schlan­ge ist vom Text her ein von Gott er­schaf­fe­nes Tier, darf nicht mit dem Teu­fel oder einem Dämon iden­ti­fi­ziert wer­den. Es geht dem Er­zäh­ler um den Men­schen und seine Schuld. In er­zäh­le­ri­scher Ver­an­schau­li­chung bil­det die Schlan­ge nur den An­stoß zu Ver­su­chung; sie rich­tet auch keine di­rek­te Auf­for­de­rung an die Frau. Warum eine Schlan­ge? Re­li­gi­ons­ge­schicht­lich galt die Schlan­ge als un­heim­li­ches, fremd­ar­ti­ges Tier. Ihre erste Frage stellt eine Ver­dre­hung des­sen, was Gott ge­sagt hat, dar.

V.2-3
Den Le­bens­baum scheint die­ser Teil der Er­zäh­lung nicht zu ken­nen.

V.4-5:
Die Schlan­ge be­haup­tet, dass Gott lüge. Sie pro­vo­ziert damit ein Her­aus­tre­ten des Men­schen aus dem ur­sprüng­li­chen Ver­trau­en , ein Ur­tei­len von neu­tra­lem Ort aus. Eben­so wird der Ge­dan­ke er­weckt, die Gott­heit sei nei­disch auf den Men­schen, der ge­nau­so wer­den könne wie sie. Er­ken­nen : im He­bräi­schen nicht nur in­tel­lek­tu­el­les Er­ken­nen, son­dern auch Kön­nen, Be­herr­schen. Gut und Böse : for­mel­haf­te Re­de­wei­se für unser farb­lo­ses "alles". An­ge­strebt wird also eine Le­bens­stei­ge­rung im Sinne eines Mäch­tig­wer­dens über Ge­heim­nis­se, die jen­seits des Men­schen lie­gen ( Hy­bris ).

V.6:
Um wel­che Frucht es sich han­delt, lässt sich  aus dem Text nicht ent­neh­men. G.​v.​Rad: am ehes­ten ein ein­ma­li­ger pa­ra­die­si­scher Wun­der­baum.

V.7:
Die Men­schen sind nicht gött­lich ge­wor­den, ihre Un­schuld ist ver­lo­ren. Das zeigt sich in der Scham : „ele­men­tars­te Re­gung eines Schuld­ge­fühls an der un­ters­ten Wur­zel des mensch­li­chen We­sens“. Die Ein­heit des Men­schen, sein Ein­klang mit sich selbst ist zer­ris­sen.

V.8-13:
Das „An­thro­po­mor­phi­sche“ des Er­schei­nens Got­tes er­klärt G.v. Rad mit der „pa­ra­die­si­schen Ver­kehrs­wei­se Got­tes mit den Men­schen“. An der Re­ak­ti­on der Men­schen zeigt sich, dass sie die Schuld ab­schie­ben wol­len („die Frau, die du mir bei­ge­sellt hast“). Auch führt die Schuld zu Ver­ein­sa­mung , es gibt keine So­li­da­ri­tät un­ter­ein­an­der.

V.14-19:
Die Straf­wor­te sind der ei­gent­li­che Ziel­punkt der Er­zäh­lung. Sie sind ätio­lo­gisch zu ver­ste­hen, d.h. „in ihnen gibt der Er­zäh­ler über be­un­ru­hi­gen­de Rät­sel und Nöte Re­chen­schaft, er be­ant­wor­tet ele­men­ta­re Le­bens­fra­gen.“
Schlan­ge : Zu­nächst ist die Feind­schaft zwi­schen Mensch und Schlan­ge im Blick, gleich­zei­tig je­doch an das Ver­hält­nis des Men­schen zum Bösen zu den­ken: ein hoff­nungs­lo­ser Kampf, der nicht zum Ende kommt.
Mann und Frau sind nicht ver­flucht und wer­den nicht mit dem Tod be­straft („sonst wer­det ihr ster­ben“ in V. 3 ist wie ein alt­tes­ta­ment­li­cher Rechts­satz for­mu­liert und be­deu­tet etwa "die To­des­stra­fe  zur Folge haben"; es lässt sich also nicht mit Si­cher­heit rück­schlie­ßen, dass der Mensch etwa eine An­la­ge zur Un­sterb­lich­keit ver­lo­ren habe; al­ler­dings: „Der Mensch er­fährt jetzt von die­sem Ende, es wird in sein Be­wusst­sein ge­rückt und er muss von die­sem Be­wusst­sein sein gan­zes Leben über­schat­ten las­sen"). 

Der Ur­schuld ent­spricht jetzt eine Ent­wür­di­gung im Leben des  Men­schen, die nicht von der Schöp­fung her so an­ge­legt war. Die schöp­fungs­mä­ßi­ge Ent­spre­chung von adam (Mensch) und adama (Erde) wird ge­spal­ten in Ent­frem­dung . Bei der Be­schrei­bung der Müh­sal der Ar­beit muss man sich die Not der pa­läs­ti­nen­si­schen Le­bens­for­men ver­ge­gen­wär­ti­gen, ei­ner­seits der Fel­la­chen (Bau­ern), an­de­rer­seits der Be­dui­nen (No­ma­den).

V.20:
Eva = Mut­ter aller Le­ben­di­gen: Das Leben ist trotz aller Stra­fe nicht ver­wirkt.

V.21:
Gott be­klei­det die Men­schen mit Rö­cken: Zei­chen dafür, dass Gott die Men­schen wei­ter er­hal­ten, für sie sor­gen will.

V.22:
Der Mensch soll nicht vom Baum des Le­bens essen kön­nen: Deu­tung G.v. Rads: Dem Men­schen wird ein Gut vor­ent­hal­ten, das von ihm in sei­nem jet­zi­gen Zu­stand nicht zu er­tra­gen wäre.

V.23f:
Ke­ru­bim: ge­flü­gel­te Fa­bel­we­sen, die die Gott­heit be­glei­ten Flam­men­schwert: my­thi­sche Ver­ge­gen­wär­ti­gung des Blit­zes

(Zu­sam­men­ge­fasst nach: Ger­hard von Rad, Das erste Buch Mose, 1949.)

 

zu­rück: Hin­wei­se und Auf­ga­ben zu Gen 3

wei­ter: Gen 3,1-24 Hu­ber­tus Halb­fas

 

 

Hin­wei­se zu Deu­tung von Ge­ne­sis 3 nach Ger­hard von Rad: Her­un­ter­la­den [doc] [30 KB]