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Teil 1 – CRIS­PR-Cas9 in der gen­tech­ni­schen An­wen­dung

Un­ter­richts­gang

 

Sach­ana­ly­se

1. CRIS­PR-Cas als pro­ka­ryo­ti­sches Vi­ren­ab­wehr­sys­tem

Nach einer In­fek­ti­on einer Bak­te­ri­en­zel­le durch Bak­te­rio­pha­gen wird vi­ra­le DNA zu­nächst durch spe­zi­el­le En­zy­me der Bak­te­ri­en­zel­le (Cas-En­do­nu­klea­sen) ge­schnit­ten. Die ent­ste­hen­den Frag­men­te vi­ra­ler DNA wer­den dann in einen spe­zi­el­len Be­reich des bak­te­ri­el­len Chro­mo­soms, den CRIS­PR-Locus (clus­ter­ly re­gu­lar­ly in­ter­spaced short pa­lin­dro­mic re­peats; Ab­bil­dung 1) ) ein­ge­baut. Die in den Locus ein­ge­bau­ten vi­ra­len DNA-Frag­men­te wer­den als Pro­to­spa­cer be­zeich­net. Sie sind je­weils durch kurze DNA-Ab­schnit­te (Re­peats) von­ein­an­der ge­trennt. Aus Pro­to­spa­cern und Re­peats wer­den durch Tran­skrip­ti­on kon­sti­tu­tiv RNA-Mo­le­kü­le (CRIS­PR-RNA; crRNA) ge­bil­det (Ab­bil­dung 1).

Abschnitt des bakteriellen Chromosoms(schematisch)

Ab­bil­dung er­stellt von Frank Har­der [ZPG Bio­lo­gie]

Dies crRNA-Mo­le­kü­le die­nen der Ak­ti­vie­rung einer wei­te­ren Cas-En­do­nu­clea­se (Cas9-En­do­nu­klea­se). Je­doch wird im na­tür­li­chen Vi­ren­ab­wehr­pro­zess zur Ak­ti­vie­rung von Cas9 neben der crRNA noch ein wei­te­res Mo­le­kül be­nö­tigt. Diese Tracr-RNA wird aus einem von CRIS­PR un­ab­hän­gi­gen Locus eben­falls kon­sti­tu­tiv tran­skri­biert und bin­det dann am Re­peat-Be­reich der crRNA. Die ent­ste­hen­de RNA-Haar­na­del­struk­tur bin­det am Enzym Cas9 und führt zu des­sen Ak­ti­vie­rung (Ab­bil­dung 2).

Wird eine Bak­te­ri­en­zel­le durch eine zwei­te In­fek­ti­on mit einem Bak­te­rio­pha­gen er­neut mit des­sen DNA kon­fron­tiert, bin­det der ak­ti­ve CRIS­PR-Cas9-Kom­plex über den Pro­to­spa­cer­be­reich spe­zi­fisch an der bak­te­ri­el­len DNA. In der Folge wird die vi­ra­le DNA in die­sem Be­reich ge­schnit­ten. Da­durch kann das Virus sich in der Zelle nicht ver­meh­ren.

Bei CRIS­PR-Cas9 han­delt es sich also um ein pro­ka­ryo­ti­sches Vi­ren­ab­wehr­sys­tem, bei wel­chem Cas-En­do­nu­clea­sen ge­zielt die­je­ni­ge vi­ra­le DNA schnei­den, der die Zelle schon ein­mal aus­ge­setzt war.

Um zu ver­hin­dern, dass auch ei­ge­ne DNA-Se­quen­zen ge­schnit­ten wer­den, muss Cas9 vi­ra­le DNA si­cher er­ken­nen. Dies er­folgt über die Er­ken­nung einer kur­zen, cha­rak­te­ris­ti­schen DNA-Se­quenz vi­ra­ler DNA. Diese Se­quenz wird als PAM (pro­to­spa­cer ad­ja­cent motif) be­zeich­net. Erst in der Folge der Bin­dung eines Cas9-Mo­le­küls an einer PAM-Se­quenz wird an der Bin­dungs­stel­le die Dop­pel­strang­struk­tur auf­ge­löst und ein crRNA-tra­crR­NA-Mo­le­kül kann sich an­la­gern. Das Enzym Cas9 durch­trennt dann beide Strän­ge der Fremd-DNA an der­sel­ben Stel­le (Ab­bil­dung 2). Cas9 braucht also so­wohl die spe­zi­fi­sche Er­ken­nungs­se­quenz als auch ein PAM auf der Ziel-DNA um bin­den und er­folg­reich schnei­den zu kön­nen. Da das Erb­gut der Bak­te­ri­en se­lek­ti­ons­be­dingt keine PAMs für seine Cas9-Pro­te­ine be­sitzt, ist es vor der Zer­stö­rung durch das ei­ge­ne Ab­wehr­sys­tem ge­schützt.

CRSPR-Cas9-Komplex mit crRNA und tracr-RNA

(c) Fritz Höf­feler / Art for Sci­ence für Max-Planck-Ge­sell­schaft

2.​CRIS­PR-Cas9 in der gen­tech­ni­schen An­wen­dung

Cas-Pro­te­ine aus ver­schie­de­nen Bak­te­ri­en­ar­ten be­nö­ti­gen meist auch ver­schie­de­ne PAM-Se­quen­zen. In der gen­tech­ni­schen An­wen­dung sind daher heute auch ver­schie­de­ne Cas9-Pro­te­ine mit un­ter­schied­li­chen PAM- Se­quen­zen ver­füg­bar, um die Band­brei­te mög­li­cher Schnitt­s­e­quen­zen zu er­hö­hen. Um ziel­ge­rich­tet DNA schnei­den zu kön­nen, wird meist Cas9-mRNA zu­sam­men mit guide-RNA per Mi­k­ro­in­jek­ti­on in die Zelle ein­ge­bracht. Guide- RNA be­steht schon von vorn­her­ein aus allen Be­stand­tei­len, die zur se­quenz­spe­zi­fi­schen Ak­ti­vie­rung von Cas9 be­nö­tigt wer­den (Pro­to­spa­cer-, Re­peat- und tracr-RNA). Cas9-mRNA wird in der Zelle trans­la­tiert. Das Enzym bin­det die guide-RNA und ist dann in der Lage, über die Se­quenz der guide-RNA DNA spe­zi­fisch zu schnei­den (Ab­bil­dung 3).

CRSPR-Cas9-Komplex mit guide-RNA

(c) Fritz Höf­feler / Art for Sci­ence für Max-Planck-Ge­sell­schaft

3. Re­pa­ra­tur von Dop­pel­strang­s­chnit­ten

Dop­pel­strang­s­chnit­te der DNA kön­nen in Zel­len auf na­tür­li­che Weise re­pa­riert wer­den (Ab­bil­dung 4). Zu­nächst wer­den en­zy­matisch kurze Ein­zel­strang­be­rei­che her­ge­stellt. Unter Ver­wen­dung kom­ple­men­tä­rer (ho­mo­lo­ger) Se­quen­zen des ent­spre­chen­den Be­reichs des Schwes­ter­ch­ro­mo­soms wird der Be­reich dann weit­läu­fig er­gänzt. Der Pro­zess äh­nelt in ge­wis­ser Weise den Ab­läu­fen der Re­pli­ka­ti­on und wird als ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on be­zeich­net. Die ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on ist je­doch nicht immer er­folg­reich.

Die Re­pa­ra­tur des Dop­pel­strang­bruchs kann aber auch zu­fäl­lig unter Ver­lust von Nu­cleo­ti­den er­fol­gen. Dies kann zum Knock­out eines Gens (Gene knock­out) und damit zum Feh­len oder Funk­ti­ons­ver­lust des Gen­pro­dukts füh­ren.

In Ab­hän­gig­keit vom Ziel des gen­tech­ni­schen Pro­zes­ses sol­len Gene aus­ge­schal­tet oder ge­zielt mu­tiert wer­den. Bei der ge­ziel­ten Mu­ta­ge­ne­se wird in gro­ßen Men­gen Fremd-DNA zu­ge­ge­ben, deren Flan­ken zum Be­reich der Schnitt­stel­le ho­mo­log (kom­ple­men­tär) sind, die aber im Schnitt­be­reich von der Ori­gi­nal­se­quenz ab­weicht. Diese DNA kann dann mit einer er­höh­ten Wahr­schein­lich­keit an­stel­le des Schwes­ter­ch­ro­mo­soms als Vor­la­ge für die Re­pa­ra­tur durch ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on ver­wen­det wer­den und zum Ein­bau einer ge­wünsch­ten Mu­ta­ti­on in die DNA füh­ren (Gene kno­ckin).

Reparatur eines Doppelstrangbruchs durch homologe Rekombination

(c) Fritz Höf­feler / Art for Sci­ence für Max-Planck-Ge­sell­schaft

4. CRIS­PR-Cas9-Ge­ne­d­ri­ve

Um die Ver­brei­tung einer Mu­ta­ti­on in einer Po­pu­la­ti­on über die sta­tis­ti­sche Ver­tei­lung gemäß der Men­del­schen Re­geln hin­aus zu er­hö­hen, be­dient man sich eines mo­le­ku­lar­bio­lo­gi­schen Tricks. Durch CRIS­PR-Cas9 und ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on wird in die DNA einer Zelle zu­nächst ein DNA-Ab­schnitt (CRIS­PR-Cas9-Ge­ne­d­ri­ve- Kas­set­te) ein­ge­baut, wel­cher unter Kon­trol­le eines Pro­mo­tors so­wohl das Cas9-Gen als auch einen Be­reich für die not­wen­di­ge guide-RNA ent­hält. Ge­lingt der Ein­bau die­ses Be­reichs durch ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on auf einem der bei­den Chro­mo­so­men, wird in der Folge Cas9 ex­pri­miert und schnei­det mit Hilfe der guide-RNA auch das Schwes­ter­ch­ro­mo­som an der ent­spre­chen­den Stel­le. Durch na­tür­li­che ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on wird der Dop­pel­strang­bruch im Schwes­ter­ch­ro­mo­som mit Hilfe des schon mu­tier­ten Chro­mo­soms re­pa­riert. Da­durch kön­nen mit einer ge­wis­sen Wahr­schein­lich­keit ho­mo­zy­got mu­tier­te Or­ga­nis­men ent­ste­hen, die ihre Al­le­le si­cher in die Fol­ge­ge­ne­ra­ti­on wei­ter­ge­ben, wo sich der Pro­zess wie­der­holt. Der durch die­sen Me­cha­nis­mus er­ziel­te Ef­fekt auf das Ver­er­bungs­mus­ter wird eben­falls als Ge­ne­d­ri­ve be­zeich­net.

Di­dak­ti­sche Re­duk­tio­nen

Die im Ma­te­ri­al ver­wen­de­ten Ma­te­ria­li­en wei­sen an ei­ni­gen Stel­len grund­le­gen­de Ver­ein­fa­chun­gen und di­dak­ti­sche Re­duk­tio­nen auf:

1. Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen cr-RNA/tracr-RNA und guide-RNA

Ziel des Ma­te­ri­als ist die Ver­mitt­lung der Hin­ter­grün­de zur gen­tech­ni­schen An­wen­dung von CRIS­PR-Cas9, nicht aber der Pro­zes­se der bak­te­ri­el­len Vi­ren­ab­wehr.

Daher wird auf die Ver­wen­dung der Be­grif­fe crRNA und tracr-RNA ver­zich­tet und statt­des­sen grund­sätz­lich der Be­griff guide-RNA ver­wen­det, auch in Ma­te­ri­al 3, bei dem es um die grund­le­gen­de Funk­ti­ons­wei­se des En­zyms geht und ei­gent­lich die Be­grif­fe cr-RNA/tracr-RNA fach­lich kor­rekt wären.

2. PAM-Se­quenz

Die Not­wen­dig­keit einer PAM-Se­quenz führt in der gen­tech­ni­schen Pra­xis zu ge­wis­sen Ein­schrän­kun­gen in der Aus­wahl mög­li­cher Schnitt­stel­len. Zum grund­le­gen­den Ver­ständ­nis der Ar­beits­wei­se von CRIS­PR-Cas9 in der Gen­tech­nik ist die Be­trach­tung einer PAM aber nicht zwin­gend von­nö­ten. Daher wurde in den Ma­te­ria­li­en die PAM- Se­quenz an die­ser Stel­le nicht the­ma­ti­siert. Cas9 bin­det daher in den Ma­te­ria­li­en ver­ein­fa­chend schon mit guide- RNA ak­ti­viert an der DNA.

3. Ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on

Die mo­le­ku­la­ren Ab­läu­fe wäh­rend der ho­mo­lo­gen Re­kom­bi­na­ti­on sind sehr kom­plex und wür­den bei de­tail­lier­te­rer Be­trach­tung das Ma­te­ri­al enorm ver­kom­pli­zie­ren, ohne dabei einen Mehr­ge­winn zu er­zie­len. Die ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on wurde daher sehr stark ver­ein­facht dar­ge­stellt.

4. Er­folgs­quo­te der ge­ne­ti­schen Ver­än­de­rung durch CRIS­PR-Cas9 und ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on

Im Ma­te­ri­al wird ver­ein­fa­chend davon aus­ge­gan­gen, dass die ge­ne­ti­sche Ver­än­de­rung der Ano­phe­lesei­er durch CRIS­PR-Cas9 und ho­mo­lo­ge Re­kom­bi­na­ti­on im Labor, eben­so wie der Ge­ne­d­ri­ve in Mü­cken, zu­ver­läs­sig er­folg­reich ver­läuft. Dies ist na­tür­lich bei wei­tem nicht der Fall, würde aber die Ver­ständ­lich­keit des Ma­te­ri­als er­heb­lich er­schwe­ren.

5. Ex­pe­ri­men­tel­le Un­ter­su­chung der Wir­kung mu­tier­ter Mü­cken auf die Po­pu­la­ti­ons­ent­wick­lung

Der sug­ge­rier­ten hohen Zu­ver­läs­sig­keit des Ge­ne­d­ri­ves ist auch die Ab­wei­chung des Ma­te­ri­als bei der Un­ter­su­chung des Ein­flus­ses ge­ne­tisch ver­än­der­ter Ano­phe­les­mü­cken auf die Po­pu­la­ti­on ge­schul­det. Im Ge­gen­satz zur in der Ori­gi­nal­li­te­ra­tur be­schrie­be­nen Un­ter­su­chung des Ef­fekts, den he­te­ro­zy­got mu­tier­te Männ­chen auf eine Ver­such­s­po­pu­la­ti­on von Ano­phe­les­mü­cken haben, wird im Ma­te­ri­al von der Aus­brin­gung ho­mo­zy­got mu­tier­ter männ­li­cher Mü­cken aus­ge­gan­gen. Da schon vorab von einer sehr hohen Zu­ver­läs­sig­keit des Ge­ne­d­ri­ve aus­ge­gan­gen wurde, ist die Exis­tenz he­te­ro­zy­go­ter Männ­chen nur unter Be­trach­tung sta­tis­ti­scher Er­folgs­quo­ten des Ver­fah­rens mög­lich. Dies könn­te in einer Nach­be­spre­chung the­ma­ti­siert wer­den.

Di­dak­ti­sche An­mer­kun­gen

Fle­xi­bel ein­zu­set­zen­des Ma­te­ri­al

Die Ma­te­ria­li­en zur Wir­kungs­wei­se von CRIS­PR-Cas9 (Ma­te­ri­al 3) und der grund­le­gen­den Vor­ge­hens­wei­se beim Ge­no­meE­dit­ing mit­tels CRIS­PR-Cas9 und ho­mo­lo­ger Re­kom­bi­na­ti­on (Ma­te­ri­al 4) sind so kon­zi­piert, dass sie auch un­ab­hän­gig von der The­ma­tik der Un­ter­richts­ein­heit (Be­kämp­fung von Ma­la­ria) an an­de­rer Stel­le ein­ge­setzt wer­den kön­nen, bei­spiels­wei­se bei der ge­ne­ti­schen Ver­än­de­rung des Gens für den CCR5-Re­zep­tor in Kno­chen­marksstamm­zel­len im Rah­men einer Gen­the­ra­pie gegen HIV-In­fek­tio­nen.

Bin­nen­dif­fe­ren­zie­rung

Für die Ma­te­ria­li­en 2 und 5 lie­gen ge­stuf­te Hil­fen vor.

Ma­te­ri­al 5 liegt zudem in zwei Ni­veau­stu­fen (A und B) vor.

 

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Wei­ter zu Un­ter­richts­gang