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Rollenbilder

 
Einfluss der Rollenbilder
 
Auch heute noch ist Erziehung für Mädchen und Jungen grundsätzlich unterschiedlich angelegt. Dies zeigt beispielhaft eine Studie über die Jahre 1992/93 (Faulstich-Wieland & Horstkemper 1993): 3000 Frauen zwischen 16 und 60 Jahren aus den alten und neuen Bundesländern wurden unter anderem nach den wichtigsten Erziehungszielen jeweils für Töchter und Söhne gefragt. Bei der Kategorie “sehr wichtig” wurde für Mädchen Zärtlichkeit mit 73% am häufigsten genannt (bei Jungen 58%, Rang 10 von 22) und handwerkliches Können von 15,4% an Platz 22 (bei Jungen 55,2% Platz 11). Computerkenntnisse wurden für Mädchen von 21% (Rang 19) und für Jungen von 45% (Rang 17) als sehr wichtig eingestuft.
 
Wie stark sich solche Erwartungshaltungen auf die Jugendlichen auswirken und wie sehr diese an den gängigen Rollenvorstellungen orientiert sind, wird deutlich, wenn man sie selber nach ihrer Lebensplanung befragt. Mädchen und Jungen einer 8. Klasse Gymnasium schrieben für uns einen Aufsatz zum Thema: "Wie stelle ich mir einen ganz normalen Tag vor, wenn ich 30 Jahre alt bin?" Auf der nächsten Seite sind zwei Beispiele wiedergegeben.
 
Die Einbeziehung des Computers im Rahmen der ITG findet genau während der Pubertät statt, in einer Phase also, in der sich die Jugendlichen intensiv mit Bildern von Weiblichkeit und Männlichkeit auseinandersetzen und die eigene Geschlechtsrolle finden müssen. Sie werden jetzt von ihrer Umwelt als Frauen bzw. Männer wahrgenommen und von allen Seiten – von den Eltern, den LehrerInnen und im Kreis der Gleichaltrigen – als solche behandelt. Mädchen wie Jungen sind in dieser Zeit sehr empfänglich für Signale, die ihnen Akzeptanz oder Ablehnung ihrer Weiblichkeit bzw. Männlichkeit übermitteln. So sind sie auch in dieser Phase besonders offen für stereotype, geschlechtstypische Einstellungen und neigen eher dazu, sich an diesen zu orientieren, als sich bewußt dagegen zu stellen. Eine solche stereotype Vorstellung ist die Zuweisung von Technik und insbesondere Computern zur männlichen Lebenswelt, die sich im Verhalten vieler Erwachsener und Jugendlicher – oft unbewußt – widerspiegelt.
Mädchen:
 
“So stelle ich mir mein Leben mit 30 vor.
Wenn ich heute daran denke, wie mein Alltag in 16 Jahren aussehen würde, würde ich sofort an mind. 2 Kinder denken. Außerdem hätte ich längst Biologie studiert und arbeitete in der Forschung.
Es ist 7.00 Uhr, mein Wecker schellt. Ich stehe auf und wecke meinen Mann mit einem Kuss. Dann gehe ich in die Küche und mache Frühstück. Während der Kaffee läuft, gehe ich ins Kinderzimmer und wecke Sebastian und Kerstin. Sie sind 7 und 5 Jahre alt. Ich helfe Kerstin beim Waschen und Anziehen, doch dann ist der Kaffee fertig. Ich wetze in die Küche, wo mein Mann schon sitzt und isst. Nachdem ich ebenfalls gegessen habe, gehe ich ins Bad und ziehe mich anschließend an. In dieser Zeit füttert mein Mann die Kleine. Ich muss mich beeilen; denn um 8.15 Uhr muss ich im Labor sein. Dort angekommen setze ich mich, nachdem ich meine Kollegen begrüßt habe, sofort vor das Mikroskop. An diesem versuche ich schon seit einem Jahr ein Mittel für diese furchtbare Krankheit Aids zu finden. Einige Fortschritte sind schon erzielt, aber die Lösung ist noch nicht gefunden. Schon habe ich drei Stunden am Stück gearbeitet - Mittagspause. Da der Weg nach Hause und damit auch zu meinen Kindern und meinem Mann zu weit ist, muss ich in der Kantine essen gehen. Doch bald ist Feierabend; nur noch 2 Stunden, die schließlich elend langsam vorbeigehen. Ich fahre nach Hause. Wieder einmal ist Stau, und ich rege mich tierisch auf, weil ich so schnell wie möglich nach Hause möchte. Endlich. Leider muss ich feststellen, dass mein Mann noch nicht zu Hause ist, aber die Kinder. Ich bezahle das Kindermädchen und spiele einige Zeit mit meinen Lieblingen. Da fällt mir auf, dass ich noch spülen, staubsaugen und bügeln muss. Schon wieder hetze ich mich. Aber auch das schaffe ich; nur, jetzt habe ich keinen Nerv mehr, mit den Kindern zu spielen. Endlich kommt mein Mann. Er begrüßt mich mit einem langen Kuss, doch man merkt, dass er Probleme bei der Arbeit hatte. Nachdem wir alle zu Abend gegessen hatten und die Kinder schliefen, sitzen wir vor dem Fernseher und unterhalten uns über den heutigen Tag. Auch fällt uns ein, dass wir in drei Wochen Urlaub haben und nach Italien fahren. So gegen 22.15 gehen wir dann schlafen, das heißt ...
So stelle ich mir einen Tag in 16 Jahren vor.”
 
Junge:
 
“Morgens stehe ich gegen 8.00 Uhr auf und fahre mit dem Auto, nachdem ich gefrühstückt habe, zur Arbeit. Dort lese ich mir zuerst noch einmal die Akte eines Mandanten durch, da ich am Mittag eine Gerichtsverhandlung zu besuchen habe. Nach der Beendigung des Verfahrens verlasse ich als Sieger den Saal und lasse sofort im Büro von meiner Sekretärin eine Benachrichtigung an meinen Mandanten schreiben, da dieser schließlich gerne das Ergebnis des Rechtsstreites erfahren möchte. Danach fahre ich erstmal zum Kaffeetrinken nach Hause und erzähle meiner Frau von dem Verlauf des Tages. Gegen 16.00 Uhr fahre ich mit meiner Frau und meinen zwei Kindern schwimmen und kehre gegen 19.00 Uhr wieder zu Hause ein. Jetzt sehe ich mir während des Abendbrots einen Krimi im Fernsehen an und gehe nach dem Sport-Studio schlafen.”
 
(Niederdrenk-Felgner 1993, S. 61 - 62.)
   
 

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