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Bil­der in der Öf­fent­lich­keit — Ma­the­ma­tik

Einen ers­ten Ein­druck vom herr­schen­den Ma­the­ma­tik-Bild er­hal­te ich z. B., wenn ich ir­gend­je­man­dem er­zäh­le, dass ich Ma­the­ma­ti­ke­rin bin. Alle Ma­the­ma­ti­ke­rin­nen und Ma­the­ma­ti­ker ken­nen die mit gro­ßer Si­cher­heit ab­weh­ren­de Re­ak­ti­on, die dann noch meist mit Kom­men­ta­ren zur Schul­no­te an­ge­rei­chert wird.

Ma­the­ma­tik wird in ihrer Abs­trakt­heit wahr­ge­nom­men als rea­li­täts­fern, wenig kom­mu­ni­ka­tiv und manch­mal auch mys­te­ri­ös. Zwar fin­den wir einen klei­nen Kreis von Men­schen, die für Ma­the­ma­tik be­geis­tert sind und mit leuch­ten­den Augen dar­über reden. Wir fin­den auf der an­de­ren Seite je­doch eine viel grö­ße­re Grup­pe, die der Ma­the­ma­tik skep­tisch bis ab­leh­nend ge­gen­über­steht. Kaum ein an­de­res Wis­sens­ge­biet ruft solch ge­gen­sätz­li­che Re­ak­tio­nen her­vor.

Deutschlands beste Mathematiker
„1,5 Hüh­ner legen 1,5 Eier in 1,5 Tagen. Wie viele Eier legt ein Huhn pro Tag?“ Aus: Ti­ta­nic 1/1995


Wel­che Vor­stel­lun­gen und Er­fah­run­gen lie­gen die­sen merk­wür­di­gen Re­ak­tio­nen zu­grun­de? Die Über­trag­bar­keit und Re­le­vanz für das täg­li­che Leben sind im Falle der Ma­the­ma­tik – sieht man ein­mal von rei­nen Re­chen­tech­ni­ken ab – nur schwer nach­zu­voll­zie­hen und re­du­zie­ren sich selbst für die­je­ni­gen, die Ma­the­ma­tik im spä­te­ren Be­rufs­le­ben be­nö­ti­gen, oft­mals auf die An­wen­dung be­stimm­ter, re­zeptar­ti­ger Ver­fah­ren.
Im Ge­gen­satz zu die­ser stark in­stru­men­ta­li­sier­ten und damit in ge­wis­sem Sinne leich­ten An­wen­dung gilt das Fach sel­ber als schwer und an­spruchs­voll. Ma­the­ma­tik gilt als Pro­to­typ einer abs­trak­ten, ob­jek­ti­ven und un­per­sön­li­chen Wis­sen­schaft, deren Ge­dan­ken­pfa­den nur noch we­ni­ge Ex­per­ten fol­gen kön­nen und deren In­hal­te und Me­tho­den den Laien kaum ver­mit­telt wer­den (kön­nen).

Die Hal­tung der meis­ten Men­schen ge­gen­über Ma­the­ma­tik lässt sich be­schrei­ben als eine Mi­schung aus Re­spekt und Hoch­ach­tung ge­gen­über dem Nut­zen der Ma­the­ma­tik, der je­doch nicht ge­nau­er ge­fasst wer­den kann, und einer ab­leh­nen­den bis ängst­li­chen Ein­stel­lung, die viel­fach auf per­sön­li­che Miss­er­folgs­er­leb­nis­se im Ver­lauf der Schul­zeit zu­rück­ge­führt wer­den kann.
Per­so­nen, die Ma­the­ma­tik be­trei­ben, wird mit einer ent­spre­chen­den Mi­schung aus Vor­ein­stel­lun­gen be­geg­net. Sie müs­sen nach An­sicht der Öf­fent­lich­keit zu­nächst ein­mal von be­son­de­rer In­tel­li­genz sein. Aus Er­fah­run­gen mit sol­chen Men­schen oder viel­leicht auch als Kom­pen­sa­ti­on für das Zu­ge­ständ­nis gro­ßer In­tel­li­genz wird Ma­the­ma­ti­kern aber auch eine ge­wis­se Ei­gen­ar­tig­keit und Schrul­lig­keit zu­ge­schrie­ben. Sie gel­ten als ernst, ein wenig welt­fremd, nicht sehr ge­sel­lig, tra­gen zwei ver­schie­de­ne Schu­he und tre­ten »in der Öf­fent­lich­keit meist mit einem ver­lo­re­nen Schirm in jeder Hand auf.« (Pólya 1980, S. 94).

Na­tür­lich ent­spre­chen nicht alle Ma­the­ma­ti­ker die­sem Kli­schee. Es gibt aber ge­nü­gend Wis­sen­schaft­ler, die die­ses Image – be­wusst oder un­be­wusst – pfle­gen und damit durch­aus ko­ket­tie­ren.
An­ek­do­ten über sku­ri­le Ma­the­ma­tik­pro­fes­so­ren gibt es zu­hauf und wer­den ge­ra­de von Ma­the­ma­ti­kern mit ei­ni­ger Lust wei­ter­ge­tra­gen. Die zu­meist männ­li­chen Hand­lungs­trä­ger sol­cher Ge­schich­ten wer­den viel­leicht be­lä­chelt; sie wer­den aber trotz­dem ge­ach­tet und – als Fach­leu­te – re­spek­tiert.
Die­ser kli­schee­be­haf­te­te Ma­the­ma­ti­ker ist männ­lich:
Mit dem gän­gi­gen Frau­en­bild ist der Typ des zer­streu­ten Pro­fes­sors nicht ver­ein­bar. Einer Frau mit ähn­lich schrul­li­gen Merk­ma­len würde nicht mehr mit einem wohl­wol­len­den Lä­cheln be­geg­net – sie würde gna­den­los lä­cher­lich ge­macht. Per­so­nen­merk­ma­le, die mit Ma­the­ma­tik ver­bun­den wer­den, sind auch für Män­ner nicht un­be­dingt po­si­tiv. Eine Frau mit sol­chen Merk­ma­len ist nicht nur eine Witz­fi­gur, sie wird in ihrer Rolle als Frau un­mög­lich ge­macht.
Po­si­ti­ve Leit­bil­der für Frau­en, die Ma­the­ma­tik be­trei­ben, gibt es we­ni­ge. Häu­fi­ger tref­fen wir auf einen ne­ga­tiv be­leg­ten Zu­sam­men­hang zwi­schen Frau­en und Ma­the­ma­tik.