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Blick in den Mathematikunterricht - Inhalte

Mathe

Typisches Bild von Mathematik Klasse 12

Kommen wir zu den Unterrichtsinhalten. Die oben beschriebene Schieflage des Bildes von Mathematik hat natürlich viel damit zu tun, wie mathematische Inhalte in der Schule vermittelt werden. Ich möchte einige Kritikpunkte herausgreifen, die alle seit Jahren – und nicht erst seit TIMSS – in der Fachdidaktik immer wieder genannt und diskutiert werden:

  • Die Inhalte stehen oftmals unverbunden nebeneinander.
  • Vieles wird auf Vorrat gelernt: Als Begründung für einen Inhalt wird ein späterer Nutzen angegeben.
  • Relevanz und Sinnhaftigkeit der Mathematik werden nur selten deutlich.
  • Anwendungen werden häufig aus dem technischen und naturwissenschaftlichen Bereich gewählt.
  • Es wird eine formale Sprache benutzt, die sich deutlich von der Umgangssprache unterscheidet. Die Ausdrucksfähigkeit der Schülerinnen und Schüler bleibt im mathematischen Zusammenhang auf der Strecke.

Vor dem Hintergrund dieser Kritik wird deutlich, dass die „Probleme“ der Mädchen mit Mathematik nur ein Indikator dafür sind, dass die Unterrichtskultur insgesamt dringend geändert werden muss. Der vielfach zu beobachtende Rückzug der Mädchen aus der Mathematik kann in einem ganz anderen Licht gesehen werden: Handeln sie nicht ganz vernünftig, wenn sie sich in einer nicht nur für sie selber sondern auch für die Jungen mangelhaften Lehr-Lern-Umgebung wenig engagieren?

Unter dem Gesichtspunkt, eine Unterrichtskultur in Mathematik zu schaffen, die Mädchen und Jungen in gleicher Weise gerecht wird, sind in den letzten Jahren eine Fülle von konkreten Vorschlägen erarbeitet worden, wie die Inhalte im Hinblick auf diese Kritikpunkte verändert und verbessert werden können. Ich kann dazu hier nur auf die entsprechende Literatur verwiesen (ausführliche neuere Literatur dazu z. B. Grevholm & Hanna 1995; Hanna 1996; Kaiser & Rogers 1995; Leder 1995; ZDM (26) Heft 1 & 2 1994).

Hier soll es nun zum Abschluss um die Frage gehen, welche Chancen speziell der Computereinsatz im Mathematikunterricht im Hinblick auf die aufgeführte Kritik birgt.

Nach meinen vorherigen Ausführungen ist klar, dass die Gefahr besteht, dass sich zwei negative Tendenzen verstärken können: Die möglicherweise bestehende distanzierte Haltung der Mädchen gegenüber dem Computer kann sich auf das Fach Mathematik übertragen. Umgekehrt kann sich eine ablehnende oder distanzierte Haltung gegenüber Mathematik auf den Computer übertragen, wenn er schwerpunktmäßig in diesem Fach eingesetzt wird. Diese Gefahr ist umso größer, je mehr die rein technische Seite des Computers betont wird.

Demgegenüber steht eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die Kritik am Mathematikunterricht ernsthaft aufzugreifen und Veränderungen einzuleiten, die einen Unterricht ermöglichen, der sowohl den Jungen als auch den Mädchen gerechter wird:

  • Verstärkter Einsatz alternativer Unterrichtsformen
    Gruppenarbeit in – geschlechtshomogenen – Kleingruppen
    Differenzierungen nach Kenntnisstand
  • Förderung kooperativer Lernformen
    Aufteilung von Arbeitsaufträgen z. B. in Form eines Gruppenpuzzles, bei dem jede Person einen Beitrag leisten muss
  • Möglichkeiten für entdeckendes Lernen
    experimentelles Vorgehen durch Einsatz geeigneter Software (CAS; DGS), dadurch Veränderung des Bildes von Mathematik als „fertiger“ Wissenschaft, Fragestellungen selber erfinden, selber Mathematik machen
  • Kommunikation in und über Mathematik
    Dokumentationen über die Arbeiten am Computer anfertigen lassen;
    Präsentationen über mathematische Themen
    dadurch Förderung der Sprachkompetenz im Mathematikunterricht
  • Sicht über das Fach hinaus
    fächerübergreifende Projekte
    Bezüge zu anderen Bereichen und zu historischen Hintergründen; Einbeziehung des WWW als Quelle von Informationen
    Einbeziehung künstlerischer, kreativer und ästhetischer Gesichtspunkte


Konkrete Unterrichtsbeispiele zu einigen dieser Aspekte sind in Niederdrenk-Felgner 1998 zu finden.
Es geht nicht darum, leuchtende Beispiele vorzustellen. Vielmehr geht es mir darum, die Kriterien aus der Geschlechterperspektive bewusst zu machen, die an einen guten Mathematik-Unterricht mit dem Computer angelegt werden sollten. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass es gelingen möge, Mathematik mit und ohne Computer zu einem positiv besetzten Fach werden zu lassen, und den Unterricht so zu gestalten, dass Mädchen wie Jungen mit Interesse und Begeisterung daran teilnehmen.


Zeichnung: Sepp Buchegger