Zur Hauptnavigation springen [Alt]+[0] Zum Seiteninhalt springen [Alt]+[1]

Hattie

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Wenn es um die Effektivität von Unterricht geht, kann man die Hattie-Studie nicht ignorieren. In diesem Artikel wird an vielen Stellen auf diese Studie Bezug genommen, weshalb hier vorab Verständnis- und Interpretationshilfen gegeben werden.

Der neuseeländische Erziehungswissenschaftler John Hattie führte mit seinem Lehrstuhl eine umfassende Synthese von 800 Meta-Analysen, die auf über 50 000 Studien mit 250 Millionen Lernenden zurückgreifen, durch. Dabei untersuchte er, wie stark verschiedene Faktoren mit den Lernleistungen interagieren. Für 138 dieser Faktoren ermittelte Hattie Effektstärken, die ein Ranking ermöglichen. Darüber hinaus konnte er feststellen, dass die durchschnittlichen Lernleistungen pro Jahr Effektstärken zwischen d=0,20 und d=0,40 (je nach Fach und Alter) aufweisen. Etwa in diesem Bereich siedelt Hattie deshalb „Schulbesuchseffekte“ an. Um einen überdurchschnittlichen Lernerfolg zu erzielen („erwünschte Effekte“) müssen die Effektstärken also über d=0,40 („Umschlagpunkt“) liegen, sind sie sogar größer als d=0,60, nennt er die Effekte „exzellent“. Etwa zwischen d=0,00 und d=0,20 spricht Hattie von „Entwicklungseffekten“, die (vermutlich) auch ohne Schulbesuch zustande kämen. Negative Effektstärken führen schließlich zu „umkehrenden Effekten“ und damit zu einer Verringerung der Lernleistung.

Die wichtigsten Gesamtergebnisse der Hattie-Studie sind:

  • Fast alles steigert die Lernleistung, hat also eine positive Effektstärke. Die Effektstärken sind normalverteilt mit dem Erwartungswert d=0,40.
  • Hattie teilt die Faktoren in sechs Hauptkategorien („Domänen“) ein und stellt fest, dass die Effekte durch die Lehrperson (d=0,49) am größten, die durch die Schule (d=0,23) am kleinsten sind. Auch der Einfluss der Curricula (d=0,45) und der des Unterrichtens (d=0,42) liegen über dem Umschlagpunkt. Der Hintergrund und die Dispositionen der Lernenden (d=0,40) haben durchschnittlichen Einfluss, das Elternhaus (d=0,31) unterdurchschnittlichen. Hatties Konsequenz daraus lautet: „Das Lehrerhandeln macht den Unterschied“. Übergeordnete bildungspolitische und organisatorische Maßnahmen sind allenfalls zweitrangig.

Die wichtigsten Kritikpunkte bzw. Interpretationseinschränkungen sind:

  • Einziges Kriterium für den Effekt eines Faktors ist die Lernleistung der Schüler und wie diese beeinflusst wird. Wesentliche Ziele wie Selbständigkeit, Teamfähigkeit, Persönlichkeitsentwicklung, Moralentwicklung usw. bleiben unberücksichtigt, weil sie nicht so exakt wie die Leistung messbar sind.
  • Es handelt sich um eine Studie, die sich ausschließlich auf englischsprachige Länder bezieht mit ihren z.T. sehr spezifischen Gegebenheiten (z.B. längere Sommerferien, was zu einem negativen d= - 0,09 führt).
  • Bei den Effektstärken handelt es sich um Durchschnittswerte mit z.T. sehr hohen Standardabweichungen, weil über verschiedene Fächer, verschiedene Altersstufen und Schularten gemittelt wird. Hattie führt aus, dass bei vielen entscheidenden Faktoren die Varianz klein ist, dennoch wäre es in vielen Fällen interessant, die Extremwerte und ihr Zustandekommen anzugeben bzw. die Werte für Gymnasium und Mathematik (falls sie existieren). Bei manchen Faktoren ist die Standardabweichung um ein Vielfaches größer als der eigentliche Effekt (Freiarbeit, Offener Unterricht), womit diese Daten nur noch sehr eingeschränkt ernst zu nehmen sind.
  • Das letzte Argument wird von manchen Fachleuten noch verschärft: Führt ein kumulatives Verständnis von wissenschaftlicher Forschung zu besseren Ergebnissen? Gewinnt man durch die Anhäufung von Daten stets mehr Sicherheit und durch Mittelwertbildung stets mehr statistische Qualität? Ist nicht auch die Auswahl der Meta-Analysen sehr entscheidend („Wer Müll hineinnimmt, kriegt Müll heraus.“)?
  • Eine letzte Kritik bezieht sich auf die weitgehend unberücksichtigten Interdependenzen der einzelnen Faktoren. Hattie selbst gibt an, nur sehr wenige Moderatorvariablen gefunden zu haben, die einem Effekt zugrunde liegen können. Dennoch warnt auch er vor isolierten Betrachtungsweisen und damit Überinterpretationen der einzelnen Effektstärken.

Die wichtigsten Einzeldaten und Erläuterungen für Mathematiklehrer sind im Anhang zu finden:

  • Ich habe aus den 138 Hattie-Faktoren diejenigen extrahiert, die direkt oder indirekt mit dem Mathematikunterricht zu tun haben. Das Ranking dieser finden Sie in Anhang A. Die meisten der Daten (v.a. die Faktoren mit hohen Effektstärken) werden in diesem Artikel an entsprechender Stelle gewürdigt.
  • Im Anhang B findet sich eine mathematische Erläuterung der verschiedenen Kennziffern, mit denen man statistische Effekte ausdrückt.

 

weiter mit Hintergrund